TE OGH 1960/10/4 6Ob254/60

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.1960
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Deutsch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk, Dr. Meyer-Jodas, Dr. Lassmann und Dr. Bauer als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 19. August 1958 verstorbenen Julius R*****, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Witwe Rosa R*****, vertreten durch Dr. Otto M. Schneider, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 10. März 1960, GZ R 146/60, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Judenburg vom 15. Jänner 1960, GZ A 426/58-32, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

In der Verlassenschaftssache nach dem am 19. 8. 1958 verstorbenen Julius R***** haben Ing. Arnulf R*****, sein Sohn aus erster Ehe, zu ¾ und Rosa R*****, seine Witwe aus zweiter Ehe, zu ¼ des Nachlasses bedingte Erbserklärung abgegeben, die auch zu Gericht angenommen wurden.

Zwischen den beiden Erben besteht Streit, ob ein PKW ins Inventar aufzunehmen ist. In dem am 26. 3. 1955 mit einem Grazer Autohändler abgeschlossenen schriftlichen Kaufvertrag scheint der Erblasser als Käufer auf, die Wagenpapiere lauten unbestrittenermaßen ebenfalls auf ihn. Eingestellt war der Wagen am Todestag des Erblassers in einer von Rosa R***** gemieteten Garage in Pöls, wo die Genannte seit Jahren berufstätig ist und wohin der Erblasser einige Zeit nach seiner Wiederverehelichung, etwa im April 1954, von Graz übersiedelte. Rosa R***** behauptet, Eigentümerin dieses Fahrzeuges zu sein, weil sie die Mittel zur Bezahlung des Kaufpreises beigestellt habe; der Erblasser sei nur deshalb einvernehmlich als Käufer aufgetreten, weil damals nur er einen Führerschein hatte und sie erst einige Zeit nach dem auf ihren Wunsch zurückgehenden Autokauf den Führerschein erworben habe, der Erblasser habe nur manchmal bei kleineren Fahrten den Wagen gelenkt und sei nie allein damit gefahren.

Der Erstrichter entschied nach einer ihm vom Rekursgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung, dass der strittige PKW ins Inventar nicht aufzunehmen sei; der Nachlass werde Eigentumsansprüche gegen Rosa R***** auf dem Rechtsweg geltend machen müssen. Das Rekursgericht erkannte auf Aufnahme des Fahrzeuges ins Inventar mit der Begründung, es habe sich am Todestag des Erblassers zumindest in dessen Mitbesitz befunden; dass der Kaufpreis vermutlich zum überwiegenden Teil, allenfalls sogar zur Gänze aus Ersparnissen der Rosa R***** bezahlt wurde und der Wagen in einer von ihr gemieteten Garage abgestellt war, stehe dieser Annahme nicht entgegen; der Besitz an einer Sache, auf den es bei der Frage der Inventarisierung allein ankomme, werde nach außen schon durch die bloße Gewahrsame dargetan.

Noch vor Erhebung des Revisionsrekurses stellte Rosa R***** einen Antrag auf Erhebung der Pensionszüge des Erblassers, womit sie dartun wollte, dieser habe aus Eigenmitteln den Kaufpreis im Jahre 1955 gar nicht bezahlten können. Erhebungen in dieser Richtung wurden vom Erstrichter auch tatsächlich eingeleitet. Im Revisionsrekurs und mit einer Nachtragseingabe legte Rosa R***** selbst weitere Beweismittel vor, die diesen Nachweis erbringen bzw. ihre Behauptungen über ihre eigenen günstigeren Vermögensverhältnisse erhärten sollen. All dies ist aber für die Frage der Aufnahme des strittigen Fahrzeuges ins Inventar und die Erledigung des Revisionsrekurses unerheblich, sodass nicht geprüft zu werden braucht, ob und inwieweit gem. § 10 AußStrG auf diese Beweismittel eingegangen werden könnte. Dem Revisionsrekurs ist nämlich aus nachstehenden Erwägungen ein Erfolg zu versagen:

Die Unterinstanzen sind im Sinn ständiger Judikatur richtig davon ausgegangen, dass die Eigentumsverhältnisse bei der Inventarisierung des Nachlasses nicht maßgebend sind, sofern dass auf den Besitz abzustellen ist (§ 97 Abs 1 AußStrG). Wenn jemand im eigenen Namen als Käufer eines Kraftfahrzeuges auftritt und die Kraftfahrzeugpapiere auf seinen Namen ausstellen lässt, entsteht - auch wenn er mit fremden Geld bezahlt und der Geldgeber all dem zustimmt - nach außen ein Sachverhaltsbild, dass jenem vergleichbar ist, das sich bietet, wenn eine vom angeblichen Eigentümer eines Gewerbebetriebes verschiedene Person als Träger der Gewerbebefugnis und Betriebsinhaber fungiert. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 5. 5. 1937, RZ. 1937, S. 345, entschieden, dass in einem solchen Fall der Betrieb samt Zubehör in der Abhandlung nach dem Gewerbescheininhaber ins Inventar aufzunehmen ist. Es besteht kein Anlass, für den Fall, dass der Erblasser nicht nur beim Erwerb des Fahrzeuges nach außen hin als Käufer aufgetreten ist, sondern nach dem Inhalt der Kraftfahrzeugpapiere laut ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift auch der Behörde gegenüber als Fahrzeugbesitzer gilt (vgl. dazu §§ 36 Abs 3 und 40 Abs 2 des Kraftfahrgesetzes, BGBl. Nr. 223/1955), eine davon abweichende Auffassung zu vertreten. Dem vom Rekursgericht zutreffend hervorgehobenen hier ausschlaggebenden Erfordernis der Inhabung (vgl. dazu Kostner in der NotZ. 1960, S. 25 ff) ist damit jedenfalls entsprochen. Wenn man berücksichtigt, dass ungeachtet der von der Rechtsmittelwerberin behaupteten Motive und Zusammenhänge des Auftretens des Erblassers als Käufers und Fahrzeugbesitzers auch dann keine Deklarierung des von ihr behaupteten Sachverhaltes bzw. ein eindeutiger Besitzwechsel erfolgte, als sie selbst den Führerschein erworben hatte, könnte man sogar - zumindest bis zu einem gewissen Grad - auch das im § 309 ABGB für den „Besitz" im Sinne dieser Gesetzesstelle festgelegte Moment des Willens, „die Sache als die seinige zu behalten" dargetan ansehen. Dass das Fahrzeug in einer von der Rechtsmittelwerberin gemieteten Garage abgestellt war, hat zumindest für die Frage des Mitbesitzes des Erblassers schon deshalb keine Bedeutung, weil dieser nach ihrer eigenen Darstellung jederzeit ungehindert Zutritt zur Garage, aber auch zur Benützung des Wagens hatte (S. 84).

Ist aber der Besitz des Erblassers zu bejahen, muss dem Revisionsrekurs der Witwe ein Erfolg versagt bleiben. Damit ist freilich der Frage nicht vorgegriffen, ob der Wert des strittigen Wagens im Inventar auszuwerfen und bei Berechnung des Vermögens in Anschlag zu bringen ist (§ 104 Abs 1 AußStrG). Dies hat dann zu unterbleiben, wenn ihr Eigentumsrecht klar scheint. Ob die Bestimmung, dass in einem solchen Fall der Wert „nicht auszuwerfen" sei, bedeutet, dass die fremde Sache überhaupt nicht zu bewerten sei, kann dahingestellt bleiben; auch wenn man die Ansicht vertritt, ihr Wert habe trotzdem im Inventar aufzuscheinen, wird er keinesfalls mitgerechnet (vgl. dazu Kostner aaO). Ob das Eigentumsrecht eines Dritten so klar scheint, dass nach § 104 Abs 1 AußStrG vorgegangen werden kann, ist aber erst zu entschieden, wenn das Inventar vorgelegt ist und es sich darum handelt, ob es mit dem darin ausgewiesenen Vermögensstand der Abhandlungspflege zugrunde gelegt werden kann oder nicht (§§ 113 Abs 1, 114 Abs 2 AußStrG). Hiezu hat der Erstrichter bisher nur insofern Stellung genommen, als er davon sprach, es sei zu „vermuten", dass Rosa R***** Eigentümerin des Wagens sei; das Rekursgericht seinerseits hat sich mit dieser Frage überhaupt nur hypothetisch befasst. Sie wird darum im Bescheid über das vorzulegende Inventar noch gesondert zu prüfen sein, wobei das Ergebnis der mittlerweile vom Erstrichter noch durchgeführten Erhebungen ebenso verwertet werden kann, wie die noch nachträglich von Rosa R***** selbst beigebrachten Beweismittel, all dies unvorgreiflich einer definitiven Klärung der Eigentumsverhältnisse auf dem Prozesswege.

Anmerkung

E80830 6Ob254.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0060OB00254.6.1004.000

Dokumentnummer

JJT_19601004_OGH0002_0060OB00254_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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