Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Viktor P*****, vertreten durch Dr. Herbert Tax, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagten Parteien 1.) Karoline W*****, 2.) Max W*****, ebendort, 3.) minderjähriger Hans Dieter W*****, vertreten durch die Vormünderin Luise W*****, sämtliche vertreten durch Dr. Josef Schuster, Rechtsanwalt in Voitsberg, wegen 12.176,72 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 8. Juni 1960, GZ 1 R 96/60-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25. März 1960, GZ 16 Cg 318/59-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben, die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, wobei auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen sein wird.
Text
Begründung:
Unbestritten ist, dass die Beklagten die Erben nach dem am 2. Februar 1948 verstorbenen Karl W***** sind, der im Sprengel des Bezirksgerichtes Köflach mehrere Liegenschaften besaß und ein Sägewerk betrieb. Da Karl W***** deutscher Staatsbürger war, wurde sein inländisches Vermögen im Jahre 1945 unter öffentliche Verwaltung gestellt. In der Zeit vom 4. August 1953 bis 29. März 1957 war Johann L***** öffentlicher Verwalter. Inzwischen ist nach Aufhebung der öffentlichen Verwaltung das Vermögen des Karl W***** an die Beklagten, seine Erben, zurückgestellt worden.
Der Kläger behauptet, er habe am 31. Juli 1954, somit in der Zeit der Tätigkeit des Johann L***** als öffentlicher Verwalter, anlässlich einer Holzlieferung des Sägewerkes Karl W***** an den Holzhändler Dr. Michael S***** 3.046 m3 Holz mitgeliefert, dessen Bezahlung der Einfachheit halber an das Sägewerk Karl W***** erfolgen sollte. Er habe dem Käufer des Holzes Dr. Michael S***** eine Faktura übermittelt, jedoch keine Bezahlung erhalten. Da Johann L***** immer wieder bestritten habe, den Kaufpreis für das vom Kläger mitgelieferte Holz von Dr. Michael S***** erhalten zu haben, habe er gegen diesen Klage erhoben, sei aber nach fünfjähriger Prozessführung unterlegen, weil festgestellt worden sei, dass die öffentliche Verwaltung des Sägewerkes Karl W***** nicht nur den Kaufpreis für das von diesem Sägewerk selbst gelieferte, sondern auch für das vom Kläger mitgelieferte Holz erhalten habe. Der Kläger sei zu dieser Prozessführung genötigt gewesen, weil er habe annehmen müssen und dürfen, dass die Erklärungen des öffentlichen Verwalters Johann L***** richtig seien. Dadurch sei ihm ein Schaden in der Höhe von 12.176,72 S samt Anhang entstanden nämlich die Prozesskosten, die er Dr. Michael S***** und die Kosten, die er seinem eigenen Anwalt habe zahlen müssen. Für diesen Schaden haften nach Meinung des Klägers die Beklagten, weil sie für das schuldhafte Verhalten des seinerzeitigen öffentlichen Verwalters Johann L***** einzutreten haben. Nach Rechtsansicht des Erstgerichtes kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten für das Verschulden des früheren öffentlichen Verwalters Johann L***** haften; das Erstgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht behauptet habe, dass Johann L***** ein Verschulden an der Unrichtigkeit der erteilten Auskunft trifft. Der Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Es hat darauf hingewiesen, dass zwar die Annahme des Erstgerichtes, der Kläger habe kein Verschulden des Johann L***** behauptet, aktenwidrig sei, hat aber das Ersturteil bestätigt, weil die Beklagten nach seiner Meinung für ein etwaiges Verschulden des öffentlichen Verwalters nicht zu haften haben. Der öffentliche Verwalter sei ein von der Verwaltungsbehörde bestelltes öffentliches Organ, das Kraft eigener Machtvollkommenheit innerhalb seines vorgezeichneten Wirkungskreises über das bestimmte Vermögen zur Erreichung der im Verwaltergesetz vorgeschriebenen Ziele Verfügungen an Stelle des bisher verfügungsberechtigten Eigentümers zu treffen habe. Er habe öffentliche Interessen wahrzunehmen, sei nicht ein privatrechtlicher Dienstnehmer des bisher verfügungsberechtigten Eigentümers, sondern sein amtlicher Vertreter, der gegenüber der Behörde, die ihn bestellt habe, weisungsgebunden die öffentliche Verwaltung führe. Er hafte gemäß § 13 Abs 1 VerwG für jeden aus schuldhafter Pflichtverletzung entstandenen Schaden. Jeder Beschädigte könne daher Schadenersatzansprüche gegen den öffentlichen Verwalter unmittelbar geltend machen, wenn er die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch als gegeben ansehe. § 5 des VerwG bestimme, dass während der Dauer der öffentlichen Verwaltung die Befugnisse des bisher verfügungsberechtigten Eigentümers ruhen und dass seine Rechte durch den öffentlichen Verwalter vertreten und wahrgenommen werden. Der bisher verfügungsberechtigte Eigentümer könne sich wohl als an der Art der Führung der öffentlichen Verwaltung interessierte Person hinsichtlich der Tätigkeit des öffentlichen Verwalters mit Aufsichtsbeschwerden an die dem öffentlichen Verwalter vorgesetzte Verwaltungsbehörde wenden und von dieser die Erteilung entsprechender Weisungen an den öffentlichen Verwalter begehren, es sei ihm aber verwehrt, während der öffentlichen Verwaltung auf die Geschäftsführung selbst in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen. Es könne daher keinem Zweifel unterliegen, dass der bisher verfügungsberechtigte Eigentümer bzw dessen Erben, an die das Vermögen nach Aufhebung der öffentlichen Verwaltung zurückgestellt wird, für einen aus schuldhafter Pflichtverletzung des früheren öffentlichen Verwalters während dessen Funktionsdauer verursachten Schaden nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Es würde allgemeingültigen Rechtsgrundsätzen zuwiderlaufen, einer Person, deren Befugnisse nach dem Willen des Gesetzgebers während der Dauer der öffentlichen Verwaltung zur Gänze ruhen, die also weder im positiven noch im negativen Sinn in die Tätigkeit des öffentlichen Verwalters eingreifen könne, die Haftung für schuldhafte Pflichtverletzung des öffentlichen Verwalters aufzubürden, der ohne ihr Zutun, ja gegen ihren Willen und gar nicht in ihrem Interesse bestellt worden sei. Das Verwaltergesetz enthalte auch keine Bestimmung, die die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die aus einem pflichtwidrigen Verhalten des früheren öffentlichen Verwalters abgeleitet werden, gegen jene Personen zulasse, an die das Vermögen nach Aufhebung der öffentlichen Verwaltung zurückgestellt worden ist. Der gegenteiligen Ansicht Wolffs in Klangs Kommentar, 2. Auflage, 6. Band, S 89, könne nicht gefolgt werden, weil eine Gleichstellung mit sonstigen gesetzlichen Vertretern deshalb nicht erfolgen könne, weil solche grundsätzlich die Interessen des Vertretenen zu beachten haben, wohingegen es aber Aufgabe des öffentlichen Verwalters sei, öffentliche Interessen zu vertreten. Gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers, in der er die Revisionsgründe der Z 2 und 4 des § 503 ZPO geltend macht und beantragt, die Urteile der Untergerichte aufzuheben und der zweiten oder ersten Instanz den Auftrag zu erteilen, unter Abstandnahme der von der zweiten Instanz vertretenen Rechtsansicht neuerlich zu verhandeln und zu entscheiden. Die Beklagten haben beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist begründet.
Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend erkannt hat, beruht die Annahme des Erstgerichtes, der Kläger habe ein schuldhaftes Verhalten des Johann L***** nicht behauptet, auf einer Aktenwidrigkeit. Der vom Erstgericht gebrauchte Abweisungsgrund ist daher nicht stichhältig. Entscheidend ist daher, ob die Eigentümer des Vermögens, des Unternehmens usw, das unter öffentlicher Verwaltung steht, für das Verschulden des öffentlichen Verwalters im Rahmen der Bestimmung des § 1313a ABGB haften. Zu dieser Frage wurde in der Rechtslehre und in der Rechtsprechung schon wiederholt Stellung genommen. Wolff in Klang, 2. Auflage, 6. Band, S 89, meint, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, dass der öffentliche Verwalter gesetzlicher Vertreter des Eigentümers sei, dem die Verfügungsmacht über sein Vermögen Kraft Verwaltungsaktes entzogen worden sei, der aber dennoch gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters, also des öffentlichen Verwalters, hafte, wenn die übrigen Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle vorliegen.
Heller-Rauscher-Baumann hingegen bezeichnen in ihrem Kommentar zum Verwaltergesetz (S 37 und 39) den öffentlichen Verwalter als ein von der Verwaltungsbehörde bestelltes öffentliches Organ. Loebenstein-Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, zählen den öffentlichen Verwalter zu den bestellten staatlichen Organen (S 37), bejahen aber eine Amtshaftung des Bundes für ein Verschulden des öffentlichen Verwalters nur in dem Fall, dass der öffentliche Verwalter über Weisung seiner Aufsichtsbehörde gehandelt hat (aaO, S 137). Sie übernehmen damit die im Gesetz allerdings nicht zum Ausdruck kommende Ansicht des Berichterstatters Ludwig anlässlich der Beratung des Amtshaftungsgesetzes im Nationalrat (aaO, S 178). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 10.12.1952, Z. V 25/52, JBl 1953, Heft 7, S 183) bekleidet der öffentliche Verwalter ein öffentliches Amt.
Der Oberste Gerichtshof hingegen hat in zahlreichen Entscheidungen (so SZ XXII/39, 2 Ob 764/52, 2 Ob 664/55, 7 Ob 255/56) den öffentlichen Verwalter als den gesetzlichen Vertreter desjenigen bezeichnet, dem das Unternehmen, die Vermögenschaft oder das Recht gehört, das unter öffentlicher Verwaltung steht.
Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits in seiner Entscheidung vom 16. November 1955, 3 Ob 453/55, die Rechtsansicht vertreten, dass es bei den einzelnen Handlungen des öffentlichen Verwalters für die Frage Haftung nach dem Amtshaftungsgesetz oder Haftung nach § 1313a ABGB darauf ankommt, ob der öffentliche Verwalter in Vollziehung der Gesetze oder in Ausübung seiner gesetzlichen Vertretungsmacht gehandelt hat. An dieser Rechtsansicht hält der Oberste Gerichtshof auch weiterhin fest, weil der Umstand, dass dem Eigentümer bei der öffentlichen Verwaltung die Verfügung über sein Eigentum Kraft behördlicher Anordnung entzogen ist, zB auch beim Entmündigten zutrifft, der aber dennoch nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters (Beistand oder Kurator) unter den Voraussetzungen des § 1313a ABGB zu haften hat, obwohl er auf die Bestellung dieser Personen zu seinem gesetzlichen Vertreter keinen oder nur geringen Einfluss hat. Auch der Hinweis des Berufungsgerichtes, dass die gesetzlichen Vertreter die Interessen der Vertretenen zu wahren haben, der öffentliche Verwalter aber öffentliche Interessen, ist dort nicht stichhältig, wo der öffentliche Verwalter nicht in Wahrung öffentlicher Interessen, sondern als gesetzlicher Vertreter auftritt.
Im gegenständlichen Fall soll nach den Behauptungen des Klägers vereinbart gewesen sein, dass die Firma Dr. Michael S***** den Kaufpreis für das vom Kläger gekaufte Holz an das unter öffentlicher Verwaltung stehende Sägewerk W***** abführt und soll der öffentliche Verwalter damit einverstanden gewesen sein, was durch die Bevorschussung des zu erwartenden Kaufpreises durch den öffentlichen Verwalter zum Ausdruck gekommen sei. Das Sägewerk W***** hat daher, wenn die Behauptungen des Klägers zutreffen, zugestimmt, dass es für den Kläger als Zahlstelle fungiert. In diesem Falle hätte das Sägewerk W***** auch die Vertragsnebenpflicht getroffen, den Kläger mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes darüber zu informieren, ob der von Dr. Michael S***** geschuldete Betrag für das verkaufte Holz bei ihm eingegangen ist oder nicht. Diese Auskunftspflicht hatte der öffentliche Verwalter als gesetzlicher Vertreter des Eigentümers des unter öffentlicher Verwaltung stehenden Vermögens (SZ XXII/39) zu erfüllen. Die Haftung für die Handlungen und Unterlassungen des öffentlichen Verwalters in Bezug auf die durch Vertrag übernommene Auskunftspflicht trifft daher im Sinne des § 1313a ABGB die Eigentümer des unter öffentlicher Verwaltung stehenden oder gestandenen Vermögens und nicht die Republik Österreich im Sinne des § 1 AmtshaftungsG, weil diesbezüglich der öffentliche Verwalter nicht in Ausübung der Gesetze gehandelt hat.
Da sohin die beiden Abweisungsgründe der Untergerichte nicht zutreffen, waren die Urteile der Untergerichte aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, Feststellungen darüber zu treffen und zu entscheiden, ob der öffentliche Verwalter schuldhaft dem Kläger unrichtige Auskünfte über den Eingang des von Dr. Michael S***** geschuldeten Betrages gegeben hat und ob und welcher Schaden dem Kläger durch solche unrichtige Angaben entstanden ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E75237 1Ob384.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00384.6.1123.000Dokumentnummer
JJT_19601123_OGH0002_0010OB00384_6000000_000