TE OGH 1961/2/7 7Os86/60

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Veröffentlicht am 07.02.1961
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Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Februar 1961 unter dem Vorsitze des Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Tesar, in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Freiinger, Dr. Zacher, Dr. Harlfinger und Dr. Bauer als Richter, dann des Richteramtsanwärters Johann Kiemer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef V***** und andere wegen Verbrechens nach den §§ 171 ff StG und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Josef V***** und Karl W***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes am Sitze des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 18. Dezember 1959, GZ 5 Vr 79/59-180, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Harlfinger, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Rudolf Hubalek und Dr. Walter Schlesinger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Klee, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef V***** wird verworfen.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl W***** wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den diesen Angeklagten betreffenden Teilen unter Aufrechterhaltung des Wahrspruches der Geschworenen aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Kreisgericht Wr. Neustadt als Schöffengericht verwiesen. Anschließend hat der Oberste Gerichtshof nach Anhörung der Generalprokuratur über die Berufungen der Angeklagten Josef V***** und Karl P***** in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Den beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

I.)

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef V*****:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef V***** auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen der Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit durch Erpressung nach § 98 (richtig lit a) StG, des Diebstahles nach den §§ 171, 173, 174 I d, II a, 176 II b und 179 (richtig auch in Verbindung mit § 8 StG) und der Diebstahlsteilnehmung nach den §§ 185, 186a StG schuldig erkannt. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten macht die Nichtigkeitsgründe der Z 8, 9 und 11 a des § 345 StPO geltend und bekämpft lediglich die Schuldsprüche zu I) B)I)3) l und n, denen folgende von den Geschworenen bejahte Wahrsprüche zugrunde liegen, und zwar zu Hauptfrage 40),

ob Josef V***** in Gesellschaft von Diebsgenossen in der Nacht zum 4. 1. 1959 dem Postamt Blumau durch Einsteigen, Einbruch und Überwindung eines beträchtlichen, die Sache gegen Wegnahme sichernden Hindernisses, sowie durch Erbrechen eines Behältnisses eine eiserne Handkasse mit S 4.513,41 Bargeld, Postwertzeichen im Gesamtwerte von S 7.100,15 und verschiedene Stempel und Stampiglien im Gesamtwerte von S 13.782,56 gestohlen habe,

und zu Hauptfrage 44),

ob Josef V***** in Gesellschaft von Diebsgenossen in der Nacht zum 18. 1. 1959 durch Einbruch, Einsteigen und Überwindung eines beträchtlichen, die Sache gegen Wegnahme sichernden Hindernisses und Erbrechen eines Behältnisses dem Postamt Hornstein eine eiserne Handkasse mit einem Bargeldbetrag von S 1.449,83, Postwertzeichen im Werte von S 6.269,10, Stempel und Stampiglien sowie Postutensilien im Gesamtwerte von S 9.577,93 gestohlen habe.

Unter Anrufung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes behauptet die Beschwerde eine einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, die darin gelegen sein soll, dass die Geschworenen nicht über die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen beim Diebstahl belehrt worden seien. Eines solchen Hinweises hätte es schon deshalb bedurft, weil im Verfahren hervorgekommen sei, dass der Beschwerdeführer es nur auf das Bargeld, nicht aber auf die in der Kasse verschlossenen Postwertzeichen und sonstigen Postutensilien abgesehen gehabt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist nicht begründet.

Für die Annahme der subjektiven Tatseite beim Diebstahl ist allein entscheidend, dass der Täter die fremde Sache vorsätzlich entzogen hat, um über sie wie ein Eigentümer - das heißt eben um seines Vorteiles willen - zu verfügen (SSt XXII 49, XXI 57, XX 26, u.v.a.). Diesem subjektiven Tatbestandserfordernis ist auch dann Genüge getan, wenn der Täter ein Behältnis wegnimmt und sich über dessen Inhalt Herrschaftsrechte anmaßt, mag ihm auch die Beschaffenheit der in dem Behältnis verwahrt gewesenen Sachen zunächst gar nicht bekannt gewesen sein. Denn jedenfalls hat er dabei hinsichtlich dieser Sachen mit dem für den Diebstahl ausreichenden bedingten Vorsatz gehandelt. Im vorliegenden Falle war die Absicht des Angeklagten nach seiner Verantwortung allerdings nur auf das in den Handkassen vermutete Bargeld gerichtet. Vorsätzlich angeeignet hat er sich aber auch die Handkassen selbst (vgl Slg 2548) und deren übrigen Inhalt, indem er sie zunächst ungeöffnet, also samt allem, was sich noch außer dem Bargeld darin befinden konnte, aus dem Besitze der Postverwaltung entzog. Dadurch, dass er nach Aufbrechen der Kassen über diesen Inhalt in der Weise verfügte, dass er die Briefmarken und die sonstigen Postutensilien ins Wasser warf, sie somit wie ein Eigentümer derelinquierte, brachte er seinen verbrecherischen Willen in Bezug auf diese Sachen nur erneut zum Ausdruck. Vollendet war der Diebstahl allerdings schon mit der Entziehung der Sachen aus der Gewahrsame der Post. Durch das Unterbleiben einer näheren Erläuterung des Begriffes des bösen Vorsatzes, den die Beschwerde offenbar mit dem der "Absicht" verwechselt, konnte den Geschworenen daher keinesfalls ein unrichtiger Weg gewiesen werden, weil sie auch dann, wenn sie in dieser Richtung belehrt worden wären, zu keinem anderen Ergebnis als dem vorliegenden hätten gelangen können. Im Übrigen aber wären Erläuterungen in dem von der Beschwerde gedachten Sinn allein der gemäß § 323 Abs 2 StPO im Anschluss an die Rechtsbelehrung abzuhaltenden Besprechung der Fragen mit den Geschworenen vorbehalten gewesen.

Auch soweit der Beschwerdeführer aus dem nämlichen Nichtigkeitsgrunde rügt, dass die Geschworenen nicht darüber belehrt wurden, dass bei der Berechnung des diebisch verursachten Schadens vom Nachteil des Bestohlenen auszugehen sei und sie dadurch rechtsirrtümlich zu der Annahme gelangen konnten, dass bei der Schadensberechnung der Nennwert der Briefmarken zugrundezulegen wäre, und nicht, wie es richtig sei, die für den Bestohlenen - die Postverwaltung - gegebenen geringeren Wiederbeschaffungskosten, ist die Beschwerde nicht im Recht.

Es ist zwar richtig, dass den Geschworenen in der Rechtsbelehrung über den im Schlusssatz des § 173 StG enthaltenen Grundsatz der Schadensberechnung nichts gesagt wurde. Diese Unvollständigkeit konnte aber nicht zum Nachteil des Angeklagten V***** ausschlagen. Denn in rechtlicher Hinsicht war davon auszugehen, dass Briefmarken schon nach der Verkehrsübung als Zahlungsmittel und demnach als Geldersatz fungieren, danach einen ihrem Aufdruck entsprechenden Tausch- und Verkehrswert haben und sohin als Wertträger (Nowakowski S 167, Altmann-Jacob S 412, Kohler: die Briefmarke im Recht, Archiv für Bürgerliches Recht, Band 6, S 324 ff) anzusehen sind. Dass von ihrem Nennwert als Grundlage der Schadensberechnung auszugehen ist, ergibt sich auch daraus, dass die Post bei der Beförderung von Sendungen die mit aus ihrem Besitz gestohlenen Briefmarken freigemacht werden, einen Schaden in der Höhe des dem Nennwert der Briefmarken entsprechenden Geldbetrages erleidet, da sie die vorgesehenen Postgebühren nicht erhält. Unter diesen Gesichtspunkten ist es auch rechtlich bedeutungslos, welches wirtschaftliche Schicksal ihnen vom Angeklagten bestimmt wurde, denn es genügte schon, dass er darüber wie ein Eigentümer - vorliegend durch Versenken im Wasser - verfügt hat. Für die Bewertung der Marken kommen daher keinesfals die für die Postverwaltung gegebenen gegenüber dem Nennwert niedrigeren Wiederbeschaffungskosten in Betracht.

Abgesehen davon wäre aber auch unter der Annahme, dass die Höhe des der Postverwaltung durch den Diebstahl der Briefmarken zugefügten Schadens nach dem Anschaffungswert zu berechnen gewesen wäre, weder im Hinblick auf die Schuldfrage, noch auf die Frage des anzuwendenden Strafsatzes für den Angeklagten V***** etwas zu gewinnen gewesen. Wie die Beschwerde selbst einräumt, handelte es sich bei den Briefmarken keineswegs um Sachen ohne Wert. Unter diesem Gesichtspunkt war daher der Diebstahl der Briefmarken schon im Hinblick auf die übrigen dem Angeklagten angelasteten und gemäß § 173 StG als verbrecherisch qualifizierten Diebstähle - ganz abgesehen von der vorliegend zutreffenden Qualifikation nach dem § 174 I d StG - als Verbrechen zu beurteilen, im Übrigen aber auch der Strafsatz des § 179 StG anzuwenden. Denn der Angeklagte verantwortet aus den anderen, ihm in den unangefochten gebliebenen Schuldsprüchen angelasteten Diebstählen einschließlich des Diebstahlversuches (I A 1 des Urteilsspruches), einen Schaden von mindestens S 106.134,53, so dass der Umstand, ob nun der Wiederbeschaffungswert oder der mit S 13.369,25 zu errechnende Nennwert der Briefmarken als Schaden zuzurechnen sei, die für die Anwendung des § 179 StG maßgebliche Wertgrenze von S 10.000 jedenfalls unberührt lässt.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt demnach in keiner der aufgezeigten Richtungen vor.

Unbegründet ist auch die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 des § 345 StPO gestützte Mängelrüge mit ihrer Behauptung, dass die von den Geschworenen auf die Hauptfragen 40), 41) und 44), 45) - richtig nur auf die Hauptfragen 40) und 41) - gegebene Antwort, mit der sie diese Frage einhellig bejahten, aber beifügten, dass die Marken notgedrungen mit Absicht mitgenommen wurden, undeutlich, unvollständig und in sich widersprechend sei.

Allerdings sind die Geschworenen nach § 330 Abs 2 StPO nur berechtigt, Umstände, die in der Frage formell enthalten sind, auszuschließen, - das heißt also die Frage auch nur teilweise zu bejahen - nicht aber Zusätze zu machen, die nicht in der Verneinung eines Teiles der Frage bestehen (Slg 1184, SSt 68/1920, ÖR 166 vom 5. 12. 1910 u.a.). Wenn auch solche an und für sich ungesetzlichen Zusätze nicht zur Urteilsgrundlage genommen werden dürfen, sind sie dennoch nicht unter allen Umständen als wirkungslos zu betrachten. Denn sie können auf die Notwendigkeit einer Ergänzung oder Änderung der Fragestellung hinweisen, die von den Geschworenen auf diesem, anstatt auf dem gemäß § 328 StPO gesetzlich vorgesehenen Weg angestrebt werden könnte (KH 574). Entscheidend ist daher, ob ein solcher Zusatz seinem Inhalt nach die Antwort als ganzes undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend erscheinen lässt. Dies ist im vorliegenden Falle zu verneinen, weil dem erwähnten Beisatz keinerlei einschränkende Bedeutung zukommt, sondern dadurch im Gegenteil, wenn auch in laienhafter Art, zum Ausdruck gebracht wird, dass es dem Angeklagten - entsprechend seiner Verantwortung, die Marken nur als notwendiges Übel mitgenommen zu haben (Bd III S 4 d. A.) - primär eben darauf ankam, Bargeld zu erbeuten, was er aber "notgedrungen" nur durch Wegnahme der Handkasse samt ihrem ganzen Inhalt, somit auch der Marken, demnach "aber mit Absicht", bewerkstelligen konnte. Es wurde bereits oben dargelegt, dass auch eine solcherart motivierte Wegnahme einer Sache nicht minder als sonst eine Aneignungshandlung als Diebstahl anzusehen ist. Es ist daher in dem genannten Zusatz weder ein Widerspruch zu dem übrigen die Frage bejahenden Wahrspruch der Geschworenen, noch eine Einschränkung desselben zu erblicken.

Soweit in der Beschwerde noch ausgeführt wird, dass V***** die Briefmarken nicht in diebischer Absicht entzogen hätte, kämpft sie lediglich nach Art einer im Geschworenengerichtsverfahren unzulässigen Schuldberufung gegen den Wahrspruch an. Nicht gesetzmäßig ausgeführt sind auch die zum Nichtigkeitsgrund der Z 11a des § 345 StPO vorgebrachten Beschwerdeausführungen, wonach die der Entscheidung mit zu Grunde gelegte Tat - Entziehung der Briefmarken und anderer Postutensilien - durch unrichtige Auslegung des für den Diebstahl erforderlichen Umfanges des bösen Vorsatzes als strafbar beurteilt wurde. Denn die Beschwerde geht von der willkürlichen im Wahrspruch nicht festgestellten Annahme aus, dass der Angeklagte nur Bargeld, nicht aber auch den übrigen Inhalt der Handkasse stehlen wollte. Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde ist daher unbeachtlich.

Da keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe vorliegt, war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef V***** zu verwerfen.

II.)

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl W*****:

Mit dem angefochtenen Urteil (I) B) I) 1) des Urteilsspruches) wurde der Angeklagte Karl W***** auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen, womit diese die unter B gestellte Hauptfrage Nr 8, ob W***** in Gesellschaft des Karl P***** und des Karl R***** in der Nacht zum 17. 11. 1953 in der Pottensteiner Tuchfabrik der Firma Josef P***** durch Anwendung eines Dietrichs einen großen Ballen schwarzen Stoffes und mindestens sechs Stoffreste von je mindestens 6 m Länge im Gesamtwerte von mehr als S 6.000 gestohlen habe, einhellig bejahten, des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 171, 173, 174 I d, 174 II a StG schuldig erkannt.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte W***** mit der auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 6 und 8 des § 345 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Schon die unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund erhobene Verfahrensmängelrüge ist begründet. Sie wird dahingehend ausgeführt, dass durch die Abweisung des vom Verteidiger in seinem Schlussvortrag gestellten, den Nachweis der Erfüllung einer Verjährungsbedingung (§ 229 lit b StG) betreffenden Antrages auf Vernehmung des Zeugen K*****, Direktor der Pottensteiner Tuchfabrik, Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt wurden. Der Genannte sollte bezeugen, dass der Angeklagte W***** für den durch seinen im Jahre 1953 - richtig am 17. 11. 1953 - verübten Diebstahl verursachten Schaden nach Kräften Wiedererstattung geleistet habe. Dieser für die Stellung einer die Verjährung des dem Angeklagten angelasteten Diebstahlsverbrechens betreffenden Zusatzfrage bedeutsame Antrag war allerdings nur dann rechtlich relevant, wenn es nicht schon von vornherein an der Erfüllung einer der übrigen für den Eintritt der Verjährung vorausgesetzten Bedingungen mangelte. Denn für diesen Fall wäre es dem Schwurgerichtshof jedenfalls verwehrt gewesen, eine solche Zusatzfrage zu stellen. Er hätte daher zunächst an Hand der bis zur Beschlussfassung vorliegenden Tatsachen in rechtlicher Hinsicht prüfen müssen, ob, - ihre Wahrheit vorausgesetzt und abgesehen von der durch den Antrag unter Beweis gestellten Tatsache - die übrigen für den Eintritt der Verjährung geforderten Bedingungen vorlagen.

Diesbezüglich hätte der Schwurgerichtshof aus den Akten entnehmen können, dass der Angeklagte W***** wegen des am 17. 11. 1953 verübten Diebstahls erst durch die am 20. 4. 1959 von dem Untersuchungsrichter angeordnete Hausdurchsuchung (Bd II S 683) - also auch im Hinblick auf das von ihm am 9. oder 10. 2. 1954 begangene weitere Verbrechen der Vorschubleistung durch Verhehlung nach dem § 214 StG (Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt, GZ 7b E Vr 368/54-19 vom 14. 5. 1954) außerhalb der am 9. oder 10. 2. 1954 neuerlich (Slg 3389 ua) in Gang gesetzten und damit am 9. oder 10. 2. 1959 abgelaufenen Verjährungszeit - in strafgerichtliche Untersuchung gezogen wurde. Damit wären zunächst die für die Verjährung in den §§ 227, 228 und 229 lit d StG vorausgesetzten Bedingungen erfüllt gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass W***** aus dem Verbrechen keinen Nutzen mehr in Händen hatte, hätten sich für den Schwurgerichtshof aus der Anzeige in Bd II S 777, 778, 780, 783 der Akten ergeben können, wonach der durch die Gendarmerie bei der Hausdurchsuchung am 10. 6. 1959 noch vorgefundene Teil der Diebsbeute - 3 m schwarzer Stoff und zwei aus gestohlenen Stoffen angefertigte Anzüge - sichergestellt und der Verwahrungsabteilung des Kreisgerichtes Wr. Neustadt übergeben wurde. Zwar könnte die gleichfalls vorliegende Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach er zu Hause noch einen aus dem Einbruch stammenden schwarzen Stoffrest von 3 m Länge besitze (Bd II, S 24 und 25 der Akten), gegen die Erfüllung der im § 229 lit a StG für die Verjährung vorausgesetzten Bedingung sprechen. Aber auch dieser Umstand hätte den Schwurgerichtshof nicht von der Verpflichtung befreit, dem Beweisantrag stattzugeben. Denn welche der beiden möglichen Annahmen nun zutraf, war jedenfalls nicht von der Entscheidung des Schwurgerichtshofes, sondern vom Ergebnis der allein den Geschworenen bei Beantwortung der ihnen vorgelegten Fragen zukommenden Beweiswürdigung abhängig. Abgesehen davon hätte die Durchführung dieses Beweises auch ergeben können, dass der Angeklagte den ganzen Schaden einschließlich des Wertes des noch in seinem Besitz befindlichen Stoffrestes nach Kräften gutgemacht hat, so dass die für die Verjährung vorausgesetzten Bedingungen des § 229 lit a und b StG erfüllt gewesen wären (vgl SSt XX/78, Nowakowski, S 106, 107).

Dafür, dass der Angeklagte ins Ausland geflüchtet wäre, was dem Eintritt der Verjährung ebenfalls entgegenstünde (§ 229 lit c StG), enthalten die Akten keine Anhaltspunkte.

Unter diesen Umständen ist erkennbar, dass der gegenständliche Beweisantrag eine entscheidende Tatsache betraf, daher sachlich berechtigt war. Würde nämlich der Zeuge K***** bekundet haben, dass der Angeklagte - in welchem Ausmaße immer - Wiedererstattung geleistet hat, dann wäre der Schwurgerichtshof gemäß § 313 StPO verpflichtet gewesen, die Geschworenen für den Fall der Bejahung der ihnen gestellten Hauptfrage durch Stellung einer Zusatzfrage in die Lage zu versetzen, darüber zu entscheiden, ob die Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer angelasteten Diebstahlsverbrechens durch Verjährung aufgehoben sei. Die Bejahung dieser Zusatzfrage hätte aber zum Freispruch des Angeklagten geführt.

Für die Antragstellung lagen aber auch die formellen Voraussetzungen vor. Denn der Beweisantrag der auch noch im Schlussvortrag des Verteidigers gestellt werden konnte (Slg 740, 793), ist, wie sich schon aus seinem Wortlaut, entgegen der Meinung des Schwurgerichtes, ergibt, insoferne konkretisiert, als Beweisthema und Beweismittel deutlich bezeichnet sind, wobei eine Gutmachung des Schadens der allerdings - laut Anklage und Wahrspruch - mehr als 6.000 S beträgt (s. hiezu auch S 839 und 841), "nach Kräften" behauptet wird. Verfehlt war es auch, wenn der Schwurgerichtshof die Durchführung des beantragten Beweises mit der weiteren Begründung ablehnte, dass der Antragstellung kein entsprechendes Vorbringen des Angeklagten vorausgegangen sei. Eines solchen Vorbringens bedurfte es schon deshalb nicht, weil die Frage, ob Verjährung vorliege, jederzeit von Amts wegen (Slg 90 ua) - also auch ohne eine in dieser Richtung vorliegende Verantwortung des Täters - zu prüfen ist. Es wäre Sache des Vorsitzenden gewesen, den Angeklagten zu dem Vorbringen seines Verteidigers hinsichtlich der erfolgten Schadensgutmachung zu vernehmen und gegebenenfalls die Fragenergänzung folgen zu lassen. Da somit nicht unzweifelhaft erkennbar ist, dass die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben könnte, liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel vor. Es war daher, ohne auf die weiteren vom Beschwerdeführer in seiner Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel eingehen zu müssen, unter Aufrechterhaltung des Wahrspruches zur Hauptfrage B8, der von dem gegebenenfalls vorliegenden Nichtigkeitsgründe nicht betroffen erscheint, das gegen Karl W***** ergangene Urteil (I B I 1) aufzuheben und die Sache - die nunmehr nur gegen den Angeklagten Karl W***** zu verhandeln und zu entscheiden ist und nicht mehr zur Zuständigkeit des Geschworenengerichtes gehört - gemäß § 349 StPO an das Kreisgericht Wr. Neustadt als Schöffengericht zu verweisen (Slg 295).

Die Angeklagten Josef V***** und Karl P***** wurden vom Erstgericht des mehrfach zum Verbrechen qualifizierten Diebstahles in zahlreichen Fällen (Schadenssumme je über S 100.000), ferner des Verbrechens der Erpressung, Josef V***** auch des Verbrechens der Diebstahlsteilnehmung schuldig erkannt und nach den §§ 179 und 34 StG zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von 5 bzw 5 1/2 Jahren, verschärft durch je einen Fasttag und ein hartes Lager vierteljährlich verurteilt.

Als mildernd wertete das Erstgericht bei beiden Angeklagten das umfassende und reumütige Geständnis; als erschwerend wurden ihnen die Vorstrafen, das Zusammentreffen und die Vielzahl der Delikte sowie die mehrfache Verbrechensqualifikation beim Diebstahl zugerechnet. Die höhere Strafe des Angeklagten P***** begründete das Erstgericht mit der größeren Gefährlichkeit dieses Angeklagten. Die beiden Angeklagten streben eine Anwendung des ao. Milderungsrechtes nach § 265a StPO und damit eine Herabsetzung des Strafausmaßes an; sie weisen auf ihre mangelhafte Erziehung, die Bereitwilligkeit zur Schadensgutmachung, P***** auch auf die Sorgepflicht für seine Familie und die dadurch gegebene finanzielle Bedrängnis hin.

Die Berufungen erweisen sich nicht als berechtigt. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen richtig erfasst und gewertet. Im Hinblick auf die Vielzahl der durch lange Zeit hindurch verübten Straftaten und die Höhe der Beute kann weder einem Erziehungsmangel der - im Übrigen bereits weit über 20 Jahre alten - Täter Bedeutung zukommen, noch von einer zu berücksichtigenden finanziellen Notlage die Rede sein. Ebensowenig kann dem bloßen Anbot einer Schadensgutmachung Gewicht beigemessen werden. Es handelt sich bei den beiden Angeklagten um gefährliche Einbrecher, die ihre Taten fast ausschließlich zur Nachtzeit verübt haben; eine Anwendung des ao Milderungsrechtes kommt bei ihnen daher nicht in Betracht. Ihren Berufungen musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

Anmerkung

E77654 7Os86.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0070OS00086.6.0207.000

Dokumentnummer

JJT_19610207_OGH0002_0070OS00086_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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