TE OGH 1961/3/1 3Ob464/60

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.1961
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Josef B*****, Hilfsarbeiter, 2.) Paula B*****, dessen Gattin, beide wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Gerald Mader, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagten Parteien 1.) Anton T*****, Kaufmann, 2.) Elfriede T*****, dessen Gattin, beide wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Eugen Radl, Rechtsanwalt in Mattersburg, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom 19. Mai 1960, GZ 3 R 151/60, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Mattersburg vom 7. April 1960, GZ C 175/60-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 525,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Folgender Sachverhalt steht nach der Aktenlage fest:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses *****, A*****gasse 38. Die Beklagten sind seit 1. 12. 1956 in diesem Hause Mieter einer Wohnung, bestehend aus Zimmer und Küche, und eines Geschäftslokales. Diese Bestandräumlichkeiten wurden erst 1935 durch Umbau geschaffen. Sie waren am 30. 6. 1954 zu einem monatlichen Pauschalmietzins von 160 S, wozu noch Rauchfangkehrer- und Mistabfuhrgebühren kamen, vermietet, der dann bei einem späteren Mieter auf 250 S monatlich erhöht wurde. Auch die Beklagten zahlten ab 1. 12. 1956 bis einschließlich Mai 1958 den vereinbarten Mietzins von monatlich 250 S, außerdem die Kosten für Rauchfangkehrung und Unratabfuhr, setzten aber dann ohne Zustimmung der Kläger den Mietzins auf den nach dem Zinsstopgesetz zulässigen Mietzins von monatlich 160 S herab und erlegten wegen Annahmeverweigerung der Kläger den Mietzins ab Juni 1958 laufend beim Bezirksgericht Mattersburg zu 1 Nc 69/58.

Die Kläger brachten am 13. 10. 1958 zu K 5/58 (C 420/58) beim Erstgericht eine Aufkündigung für 31. 3. 1959 unter anderem auch wegen Nichtzahlung des Mietzinses ein. Diese Aufkündigung wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 20. 5. 1959, C 420/58-14, rechtskräftig aufgehoben. In diesem Urteil führte das Erstgericht zum Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 1 MietG aus, dass die Bestandräume nicht dem Mietengesetz unterliegen, wohl aber dem Zinsstopgesetz; der nach dem Zinsstopgesetz zulässige Mietzins aber sei von den Beklagten bezahlt worden, weshalb ein Mietzinsrückstand nicht bestehe. Es liege eine Teilnichtigkeit des Bestandvertrages hinsichtlich des den Stopzins übersteigenden Mietzinses vor. Dieses Urteil wurde rechtskräftig. Im Vergleich vom 30. 3. 1960, C 172/59, wurde noch die Zahlung eines monatlichen Reinigungsgeldes von 10 S vereinbart. Die Kläger brachten darauf am 1. 4. 1960 die Räumungsklage ein. Sie seien bei der Vermietung um 250 S monatlich auf Grund von Mitteilungen des Hausherrnverbandes davon ausgegangen, dass der Bestandgegenstand, der erst im Jahre 1935 neu geschaffen wurde, keinen Zinsbeschränkungen unterliege, da das Mietengesetz keine Anwendung finde und die Vermietung erst nach dem 30. 6. 1954 erfolgt sei. Wenn aber dieser Mietvertrag mit Rücksicht auf das Zinsstopgesetz ungültig wäre, könnte er nicht nur bezüglich eines Teilmietzinses ungültig, sondern müsste überhaupt nichtig sein. Die Beklagten benützten den Bestandgegenstand daher ohne gültigen Rechtstitel und seien zur Räumung verpflichtet.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Räumung. Die Räumlichkeiten unterliegen zwar hinsichtlich der Mietzinsbildung nicht dem Mietengesetz, aber den Bestimmungen des Zinsstopgesetzes. Die Zinsvereinbarung mit monatlich 250 S sei daher gesetzwidrig, da das Verbot des § 1 ZinsstopG auch neu abgeschlossene Mietverträge umfasse. Der gegen § 1 ZinsstopG verstoßende Mietvertrag vom 1. 12. 1956 sei zur Gänze nichtig. Das Verbot der Preisüberschreitungen richte sich gegen beide Vertragsteile. Es gehe nicht an, dass sich ein Mieter dadurch, dass er einen über dem erlaubten Preis liegenden Betrag bezahle, um in den Besitz der heute so knappen "Ware" Wohnraum zu gelangen, gegenüber den anderen Interessenten am Wohnungsmarkt einen Vorsprung verschaffe, um dann im Besitz des Bestandobjektes unter Berufung auf das ZinsstopG seinen Vertragspartner um das vereinbarte Mietgeld zu prellen. Darin liege sowohl gegenüber dem Vertragspartner als auch gegenüber den anderen Wohnungssuchenden ein Handel wider Treu und Glauben. Der Zweck der durch das ZinsstopG aufrecht erhaltenen Preisregelung könne nicht darin gelegen sein, den Übervorteilten zu schützen, sondern liege vielmehr in der ordnungsgemäßen Verteilung des knappen Wohnraums. Das Erstgericht verwies dabei auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 6. 5. 1959, JBl 1959 S 412, und vom 30. 9. 1959, JBl 1960 S 17. Es verneinte auch, dass durch die Behebung der von den Beklagten hinterlegten Mietzinsbeträge durch die Kläger und durch den Vergleich vom 30. 3. 1960 über die Bezahlung eines Reinigungsgeldes von 10 S monatlich ein neuer Bestandvertrag im Sinne des § 863 ABGB zustandegekommen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es kam unter ausführlicher Begründung zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen das Zinsstopgesetz nach dessen Zweck nicht die Nichtigkeit des gesamten Mietvertrages erfordere, weil sein Zweck durch eine bloße Teilnichtigkeit und Vertragskorrektur erreicht werden könne.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Es ist unbestritten, dass die von den Beklagten derzeit benützten Räumlichkeiten den Bestimmungen des Mietengesetzes hinsichtlich der Mietzinsbildung nicht unterliegen, wohl aber den Bestimmungen des Zinsstopgsetzes BGBl Nr 132/54 und dass sie am 30. 6. 1954 um 160 S monatlich vermietet waren. Aus dem Zinsstopgesetz geht in keiner Weise hervor, dass es sich nur auf die am 30. 6. 1954 bereits bestandenen Bestandverträge beziehen soll, es soll vielmehr eine Erhöhung des am 30. 6. 1954 bestandenen, sei es vereinbarten oder tatsächlich entrichteten Mietzinses oder Entgeltes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. Daraus folgt, dass das ZinsstopG auch für die nach dem 30. 6. 1954 abgeschlossenen Mietzinsvereinbarungen gilt (vgl E des OGH MietSlg 5386, VIII Nr 15, S 252 und MietSlG 6062, IX Nr 28, S 321). Es ist daher zu untersuchen, ob durch die Vereinbarung eines von den Untergerichten festgestellten Mietzinses von 250 S im Monat für die genannten Bestandobjekte, also eines nach dem ZinsstopG unzulässigen Mietzinses, der Mietvertrag vom 1. 12. 1956 zur Gänze nichtig wurde oder ob nur eine Teilnichtigkeit hinsichtlich des den Stopzins übersteigenden Betrages vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind verbotene Geschäfte grundsätzlich nur dann nichtig, wenn dies in der Verbotsnorm ausgesprochen ist oder wenn dies der Zweck der Verbotsnorm erfordert. Die Nichtigkeit tritt nur in dem Umfang ein, als es nach dem Zweck der Verbotsnorm erforderlich ist (vgl Entscheidung des OGH SZ XX 5, MietSlg 3648, 3 Ob 327/59 ua, Gschnitzer-Klang2 IV S 169 und 179). Das Zinsstopgesetz dient ähnlich dem Mietengesetz dem Schutz der Mieter. Dies geht aus der Entstehungsgeschichte und den Materialien hervor, ergibt sich aber eindeutig auch aus den §§ 2 bis 4 des Gesetzes, wonach viele Bestimmungen des Mietengesetzes, sinngemäß anzuwenden sind. Das Zinsstopgesetz verbietet zwar grundsätzlich eine Mietzinserhöhung gegenüber den am 30. 6. 1954 bestandenen Mietzinsen, bedroht aber nicht einen Verstoß gegen das Zinsstopgesetz mit Nichtigkeit. Es kommt daher bei einem Verstoß gegen das Zinsstopgesetz nicht eine Vertragsvernichtung, sondern eine Vertragsänderung für die Dauer der Wirksamkeit des Gesetzes in Betracht. Diese Vertragsänderung reicht auch zur Erfüllung des gesetzlichen Zweckes vollständig hin. Die gegenteilige Auffassung würde den Zweck des Zinsstopgesetzes geradezu vereiteln, weil es dann dem Vermieter jederzeit möglich wäre, den Mietvertrag als nichtig anzufechten, sobald der Mieter sich weigert, den gesetzwidrigen Zins weiterzubezahlen. Der Mieter wäre gezwungen, entweder den gesetzwidrigen Zins zu leisten oder das Bestandobjekt zu verlieren. Die in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes MietSlg 6940 = JBl 1959 S 412 und MietSlg 7613 = JBl 1960 S 17 ausgedrückte mit vorstehenden Rechtsausführungen in Widerspruch stehende Rechtsansicht kann als allgemeiner Rechtssatz nicht aufrecht erhalten werden (vgl im selben Sinn Entscheidung des OGH vom 25. 1. 1961, 5 Ob 436/60). Es wird im Übrigen auch auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen.

Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihnen nicht bekannt war, dass auch auf Mietverträge über Räume, die hinsichtlich der Mietzinsbildung nicht dem Mietengesetz, aber den Preisregelungsvorschriften und dem Zinsstopgesetz unterliegen, bei einer neuerlichen Vermietung nach dem 30. 6. 1954 die Bestimmungen des Zinsstopgesetzes anzuwenden sind, da sich mit der Unkenntnis eines gehörig kundgemachten Gesetzes niemand entschuldigen kann. Sie mussten daher damit rechnen, dass sich ihre Vertragspartner auf die Bestimmungen des Zinsstopgesetzes berufen können. Wenn sie trotz Kenntnis der Bestimmungen des Zinsstopgesetzes oder auch in nicht entschuldbarer Unkenntnis des Gesetzes den Mietvertrag abschlossen, müssen sie sich mit dem den Zinsstopgesetz entsprechenden ermäßigten Mietzins für die Dauer des Zinsstopgesetzes zufriedengeben. Sie können nicht mit Erfolg einwenden, dass sie den Mietvertrag mit dem Beklagten nur mit dem unerlaubten höheren Mietzins oder gar nicht geschlossen hätten. Der Richter darf in solchen Fällen auf den unerlaubten Zweck nicht Rücksicht nehmen, er ist berechtigt, die unerlaubte höhere Leistung bis zur Gänze des Erlaubten zu mäßigen und den Vertrag mit dem zulässigen Mietzins aufrecht zu erhalten. Der Mietvertrag vom 1. 12. 1956 ist aus den angeführten Gründen gültig, der Mietzins jedoch - jedenfalls für die Dauer des Zinsstopgesetzes - auf die dem Zinsstopgesetz entsprechende Höhe von 160 S monatlich (abgesehen von den vereinbarten Betriebskosten) ermäßigt. Es liegt daher für die Dauer des Zinsstopgesetzes nur eine Teilnichtigkeit des Mietvertrages vor.

Der Revision konnte aus den angeführten Gründen nicht Folge gegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E76662 3Ob464.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0030OB00464.6.0301.000

Dokumentnummer

JJT_19610301_OGH0002_0030OB00464_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten