TE OGH 1961/10/11 1Ob403/61

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Veröffentlicht am 11.10.1961
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zierer, Dr. Heidrich, Dr. Schopf und Dr. Feistmantel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Herbert F*****, vertreten durch Dr. Norbert Kopecki, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Sparkasse der Stadt Hartberg, in Hartberg, vertreten durch Dr. Hans Purghart, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen 27.423 S sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 15. März 1961, GZ 1 R 43/61-25, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Dezember 1960, GZ 12 Cg 46/60-20, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zahlung von 27.423 S s.

Zinsen auf Grund folgender Feststellungen und Erwägungen ab:

Josef J***** kaufte am 25. 3. 1957 von den Eigentümern der Liegenschaft EZ ***** ca. 5.500 fm Nutzholz um ca. 2,400.000 S. Die beklagte Partei übernahm die Haftung als Bürgin und Zahlerin. Zu ihrer Sicherung trat J***** sämtliche Rechte aus dem Kaufvertrag der Beklagten ab. Der gesamte Geldverkehr sollte über die beklagte Partei geleitet werden. Zu diesem Zweck wurde für J***** seit 27. 4. 1957 ein besonderes Konto (II) eröffnet.

Am 12. 10. 1957 erteilte J***** dem Kläger den Auftrag, in dem ihm gehörigen Gebäude in Rohrbach an der Lafnitz eine Doppelwohnung einzubauen. Der Kläger führte diese Arbeiten in der Zeit von Oktober bis Dezember 1957 durch.

Im September 1957 sprach der Kläger mit dem damaligen Direktor der beklagten Partei, Karl O*****. Dieser äußerte sich, J***** solle in Rohrbach wohnen, um seinen Betrieb besser überwachen zu können. O***** fragte den Kläger, was denn der ganze Bau kosten werde, worauf der Kläger erklärte, dass sich die Kosten auf etwa 100.000 S belaufen werden. Darauf erwiderte O*****: „Es wird bezahlt, das werden wir überweisen". Der Kläger stellte ausdrücklich die Frage, ob die Beklagte den Bau finanziere, worauf O***** erwiderte: „Ja, Sie können den Bau ruhig durchführen, das spielt bei dem großen Finanzierungsprogramm keine Rolle".

Mit dem Finanzierungsprogramm war die Bürgschaftsübernahme gemeint. Bei einer späteren Besprechung zwischen dem Kläger, J***** und O***** erklärte dieser, die Sache gehe in Ordnung, der Kläger solle die Rechnungen allmonatlich zur Beklagten bringen, worauf er sein Geld bekomme. Auf die Erklärung des Klägers, dass er den Bau nur übernehme, wenn die Sparkasse seine Rechnung bezahle, erwiderte O*****, dass keine Bedenken bestehen, dass die Beklagte die Rechnungen des Klägers bezahle. Er äußerte sich, dass die Rechnung durch die Beklagte zu Lasten des Kontos J***** bezahlt werden. Zur Abdeckung der Rechnung des Klägers vom 10. 11. 1957 in der Höhe von 9.690,50 S wurde am 18. 11. 1957 auf Grund des Überweisungauftrages des J***** ein Betrag in dieser Höhe auf das Konto des Klägers überwiesen. Die Bezahlung der vom Kläger für November und Dezember vorgelegten Rechnungen schob O***** mit verschiedener Begründung hinaus. Eine Bezahlung erfolgte nicht. Der Vorstand der Beklagten erhielt erst durch den Brief des Klägers vom 10. 4. 1958 Kenntnis von der Zusage des Direktors.

Als offenbar wurde, dass der beschlossene Kredit J***** durch die Eigenmächtigkeit des Direktors O***** überzogen war, hat es geheißen, das J***** im Augenblick noch nicht den überzogenen Kredit zurückzahlen könne, dass er die Wohnung noch ausbauen könne und dass erst dann mit der ratenweisen Rückzahlung begonnen werde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Nach den Satzungen und der Geschäftsordnung der Beklagte werde diese durch den Vorstand vertreten. Die Beklagten konnte daher durch die Erklärungen des Direktors nicht verpflichtet werden. Voraussetzung für die Erfüllung der Zusage, dass dem Kläger die Rechnungsbeträge zu Lasten des Kontos J***** überwiesen werden, sei, dass der Stand des Kreditkontos J***** solche Überweisungen überhaupt zulasse. Da das Konto J***** nicht aktiv gewesen sei, weshalb schon die Überweisung des Betrages von 9.690,50 S satzungswidrig gewesen sei, seien weitere Überweisungen unzulässig. Eine rechtswirksame Schuldübernahme liege demnach nicht vor.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf und führte im Wesentlichen aus:

Es übernahm die Tatsachenfeststellungen mit Ausnahme der aber nicht als Feststellung zu wertenden und durch die Aktenlage in keiner Weise gedeckten Meinung des Erstgerichtes, dass Voraussetzung für die Überweisungen an den Kläger ein Aktivstand des Kreditkontos J***** sei.

Der Kläger habe seinen Anspruch einerseits damit begründet, dass der Sparkassenleiter zu der von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung namens der Beklagten berechtigt war, andererseits damit, dass die Beklagte zumindest den äußeren Tatbestand gegen sich gelten lassen müsse. Es sei vorerst die Frage zu prüfen, ob O***** zu der erklärten Zahlungsverpflichtung auch ohne ausdrückliche Genehmigung seitens des Vorstandes oder des Verwaltungsausschusses im konkreten Falle berechtigt war, insbesondere, ob er damit überhaupt erst eine Kreditgewährung zugunsten J***** aussprach oder ob er gar nicht eine Kreditgewährung und in diesem Zusammenhang eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger übernommen habe, sondern es sich lediglich um einen Ausführungsakt im Rahmen eines an J***** bereits nach der Satzung rechtswirksam bewilligten Kredites gehandelt hat. Zur Frage, ob der Sparkassenleiter zur Abgabe der Verpflichtungserklärung berechtigt war, sei zu prüfen, ob sich diese Berechtigung schon aus der Satzung oder im konkreten Fall ergebe. Aus dem Sparkassenverwaltungsgesetz, der Satzung und der Geschäftsordnung der Beklagten gehe Folgendes hervor: Der Sparkassenleiter führe die laufenden Geschäfte nach Maßgabe der Satzung, der aufsichtsbehördlichen Anordnungen und der Weisungen des Vorstandes. Zu den laufenden Geschäften gehöre nicht die Bewilligung von Krediten. Der Sparkassenleiter könne vom Vorstand zu einzelnen konkreten Vertretungshandlungen oder generell für bestimmte Geschäfte ermächtigt werden. Er könne vom Vorstand ermächtigt werden, kleine Kredite bis zu einem bestimmten Betrag gegen nachträgliche Genehmigung durch den Vorstand zu gewähren. Ob und in welchem Umfang derartige Ermächtigungen erfolgten, sei bisher nicht geprüft worden. Für vom Sparkassenleiter satzungswidrig gewährte Kredite sei dieser gemäß § 86 Abs 3 Geschäftsordnung der Sparkasse persönlich haftbar. Daraus folge aber nicht, dass alle satzungswidrigen Geschäfte des Direktors rechtswirksam seien. Es könne daraus nur geschlossen werden, dass derartige Fälle vorkommen können. Dies hänge von der Lage des Einzelfalles ab.

Das Erstgericht müsse gemäß § 182 ZPO auf eine Klärung und allfällige Beweisanbietung hinwirken, ob eine von diesen Möglichkeiten vorliege, unter denen die Erklärung des Sparkassenleiters für die Beklagte rechtsverbindlich sein könnte. Ferner sei zu prüfen, ob und welche Befugnisse dem Sparkassenleiter bezüglich der Abwicklung des Kauf- und Bürgschaftsvertrages mit J***** eingeräumt waren, weil gemäß § 10 SparkassenverwaltungsG bzw. § 48 der Satzung der Verwaltungsausschuss besondere Bevollmächtigte bestellen könne. Es sei üblich, im Falle einer bereits grundsätzlich gewährten Kreditierung einer Einzelperson des Sparkassenunternehmens die Ermächtigung zu selbständigem Handeln zu erteilen. Dafür spreche auch der Umstand, dass die erste Rechnung bezahlt wurde. Falls O***** zu seinen Erklärungen gegenüber dem Kläger berechtigt war, wäre die Haftung der Beklagten zu bejahen. Der seitens der beklagten Partei gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekursausführungen gehen dahin, aus dem vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes ergebe sich bereits, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Kreditgewährung und Schuldübernahme, sondern um einen bloßen Ausführungsakt im Rahmen des bereits gewährten Kredites handelte, sodass die vom Berufungsgericht weiters erteilten Aufträge entbehrlich seien.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die erstgerichtlichen Feststellungen, soweit sie vom Berufungsgericht übernommen wurden, lassen eher den gegenteiligen rechtlichen Schluss zu. Da aber das Berufungsgericht den Sachverhalt noch nicht als vollständig in der einen oder anderen Richtung geklärt ansieht, kann eine abschließende rechtliche Beurteilung noch nicht erfolgen. Soweit im Rekurs zur Stützung der Ansicht auf die Aussagen von Zeugen und des Klägers hingewiesen wird, kann darauf nicht Bedacht genommen werden, weil die Würdigung der Aussagen und die Feststellung des Sachverhaltes den Unterinstanzen vorbehalten ist.

Zur rechtlichen Beurteilung kann mangels völliger Klärung des Sachverhaltes nur im Allgemeinen Stellung genommen werden. Beizupflichten ist der rechtlichen Beurteilung der Untergerichte, dass der Sparkassenleiter auf Grund der Satzung und Geschäftsordnung allein nicht zur Gewährung von Krediten und zur Übernahme von Schulden Dritter berechtigt ist. Diese Rechtsansicht wird von keiner Seite bekämpft, sodass es genügt, auf die zutreffenden Ausführungen der Untergerichte zu verweisen.

Um die Haftung der Beklagten aus den Erklärungen des Direktors O***** zu begründen, hätte es entweder einer besonderen Bevollmächtigung im Rahmen der Satzung und Geschäftsordnung bedurft oder es hätte die beklagte Partei solche Akte setzen müssen, aus denen sich der äußere Tatbestand der Bevollmächtigung für den Kläger ergeben hat. Was die erste Frage anbelangt, hat das Berufungsgericht die Möglichkeiten einer besonderen Bevollmächtigung aufgezeigt und dem Erstgericht aufgetragen, das Verfahren in dieser Richtung zu ergänzen.

Hinsichtlich der Frage des äußeren Tatbestandes ist grundsätzlich Folgendes zu beachten:

Damit man von einem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand sprechen kann, müssen Umstände vorhanden sein, die geeignet sind, in dem Dritten nicht nur die Überzeugung von dem Vorhandensein einer Vertretungsmacht hervorzurufen, sondern auch den begründeten Glauben daran zu erwecken, dass diese Vertretungsmacht die Befugnis zum Abschluss des vom Vertreter vorgenommenen Geschäftes in sich schließt. Sind dagegen Umstände vorhanden, die in dem Dritten bei gehöriger Aufmerksamkeit Zweifel erwecken mussten, so kann von einem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand nicht mehr die Rede sein. Es genügt also nicht, dass sich der Dritte auf den äußeren Tatbestand verlassen hat, sondern es ist erforderlich, dass es sich bei Anwendung gehöriger Aufmerksamkeit darauf verlassen durfte (Swoboda in Klangs Komm. 1. Auflage zu § 1016 ABGB, 7 Ob 87/56 = RiZ 1956, S. 93, 7 Ob 99/57, 6 Ob 199/58). Das Vertrauen muss ferner seine Grundlage in dem Verhalten des Vollmachtgebers haben, das diesen äußeren Tatbestand schafft und die Überzeugung des Dritten von dem Vorhandensein dieser Vertretungsmacht begründet. Eine bloße Versicherung des angeblichen Vertreters geht auf die Gefahr des Dritten. Dieser ist grundsätzlich zur Prüfung der Vollmacht verpflichtet (Swoboda aaO). Die Grundsätze über das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand gelten auch für juristische Personen und öffentlich rechtliche Körperschaften wie z. B. Gemeinden, daher auch für Sparkassen (2 Ob 233/53, JBl 1954 S. 18, 6 Ob 199/58). Der Kläger hat in der Klage (S. 6) und in seinem vorbereitenden Schriftsatz (S. 20) Tatsachen vorgebracht, aus denen sich nach seiner Ansicht der äußere Tatbestand der Berechtigung des Sparkassenleiters O***** zur Abgabe der Verpflichtungserklärung ihn gegenüber und seine Berechtigung, auf diesen äußeren Tatbestand zu vertrauen, ergibt. Diese Behauptungen müssen geprüft werden, weil erst dann endgültig beurteilt werden kann, ob der äußere Tatbestand der Bevollmächtigung hinsichtlich des konkreten Geschäftes gegeben und das Vertrauen des Klägers gerechtfertigt ist.

Die Aufhebung erweist sich daher als begründet, weshalb dem Rekurs der Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E79553 1Ob403.61

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00403.61.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19611011_OGH0002_0010OB00403_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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