TE OGH 1964/6/9 8Ob186/64

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Veröffentlicht am 09.06.1964
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Kohlbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Paula F*****, 2.) Edith W*****, beide vertreten durch Dr. Peter Prybila, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Günther A*****, vertreten durch Dr. Siegmund Kleifel, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 30.257,36 s. A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. April 1964, GZ 5 R 54/64-23, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Jänner 1964, GZ 1 Cg 105/63-17, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 1.057,78 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerinnen ersuchten anfangs 1961 Dr. Prybila, ihnen behilflich zu sein, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Dr. Prybila nahm diesbezüglich mit dem Kreditvermittlungsbüro W***** Verbindung auf. Darauf erschien Anna S***** mit einem Schreiben des Kreditvermittlungsbüros W*****, in welchem Schreiben Dr. Prybila um die Abfassung eines Gesuches über die Anmerkung der Rangordnung für ein aufzunehmendes Darlehen von S 10.000,- im ersten Satz auf der Liegenschaft EZ 156 KG O***** der Maria S***** ersucht wurde, bei Dr. Prybila und gab sich diesem gegenüber, der sie bis dahin nicht gekannt hatte, als Maria S***** aus. Dr. Prybila überprüfte die Identität der Anna S***** nicht. Lediglich eine Kanzleiangestellte Dr. Prybilas fragte diese, ob sie die Liegenschaftseigentümerin selbst sei, was Anna S***** bejahte. Dr. Prybila verfasste darauf mit Anna S*****, die damals ebenso wie ihre Schwiegermutter Maria S***** in *****, wohnte, zunächst zwei Gesuche um die Anordnung der Rangordnung für die Verpfändung der Liegenschaft EZ 156 KG O***** und später zwei Schuld- und Pfandbestellungsurkunden auf Maria S***** als Schuldnerin lautend. Am 1. 2. 1961 erschien Anna S***** in der Kanzlei des Notars Dr. S*****, dessen Substitut damals der Beklagte war. Weder die Kanzleiangestellte des Notars noch der Beklagte selbst kannten die Anna S*****. Diese legitimierte sich mit einem am gleichen Tag vom Polizeikommissariat Wien-Mariahilf ausgestellten Personalausweis, in dem der Vorname nicht eindeutig erkennbar gewesen war, weil der Ausweis in eine Regenpfütze gefallen war und Anna S***** außerdem nachgeholfen hatte, den Vornamen auf dem Ausweis noch undeutlicher zu machen. Auch die Unterschrift war hinsichtlich des Vornamens nicht eindeutig als Anna lesbar. In Gegenwart des Beklagten und der oben erwähnten Kanzleiangestellten setzte Anna S***** unter das Rangordnungsanmerkungsgesuch eine Unterschrift, die ebenso gut als „Anna S*****" wie auch als „Maria S*****" gelesen werden konnte. Der Beklagte beglaubigte die Unterschrift als Unterschrift der Maria S*****. Das Kreditvermittlungsbüro W***** überreichte das Rangordnungsgesuch und erwirkte den gerichtlichen Bescheid über die Anmerkung der Rangordnung ob der der Maria S***** gehörigen Liegenschaft. In der Folge kam Anna S***** noch am 10., 17. u. 24. 2. 1961 in die Kanzlei des Beklagten, der von ihr unterfertigte Urkunden, nämlich ein weiteres Rangordnungsanmerkungsgesuch und zwei Schuldscheine beglaubigte. In diesen drei Fällen überprüfte der Beklagte die Identität nicht mehr, weil er die Partei als persönlich bekannt ansah. Auf Grund der vom Beklagten beglaubigten Urkunden wurden ob der Liegenschaft der Maria S***** Pfandrechte für die Forderungen der Klägerinnen eingetragen. Anna S***** ist am 2. 8. 1962 gestorben. Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, dass der Beklagte die ihm als Notar obliegende Sorgfalt und Aufmerksamkeit insofern vernachlässigt habe, als er einerseits die Unterschrift der Anna S***** mit dem undeutlich geschriebenen Vornamen beglaubigt, andererseits dem von Anna S***** vorgewiesenen Ausweis nicht gehörig überprüft habe; er sei daher nach § 1299 ABGB für den der Höhe nach unbestrittenen Schaden der beiden Klägerinnen verantwortlich. Anna S***** sei so primitiv vorgegangen, dass der Beklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit die Fälschung hätte erkennen müssen. Er könne sich daher nicht darauf berufen, selbst von Anna S***** in Irrtum geführt worden zu sein. Aber auch die beiden Klägerinnen treffe ein Verschulden an den eingetretenen Schaden, weil ihr Vertreter mit einer ihm völlig unbekannten Person ohne Identitätsüberprüfung eine Anzahl von Urkunden errichtet habe, die auf den Namen Maria S***** lauteten. Der Eintritt des Schadens hätte leicht verhindert werden können, wenn Dr. Prybila jene Sorgfalt und Aufmerksamkeit angewendet hätte, deren Nichtbeobachtung dem Beklagten vorgeworfen wird. Im Vergleich zum Verschulden des Beklagten, der als Notar primär und überwiegend hafte, sei allerdings das von den Klägerinnen zu vertretende Verschulden ihres Machthabers wesentlich kleiner. Es sei mit ein Drittel anzunehmen. Das Erstgericht gab daher dem Klagebegehren insofern statt, als es den Klägerinnen zwei Drittel des von ihnen geltend gemachten Anspruches zusprach und demgemäß den Beklagten schuldig erkannte der Erstklägerin S 6.666,66 sowie einen weiteren Betrag von S 3.898 und der Zweitklägerin S 5.333,32 sowie einen weiteren Betrag von S 4.273,56 zu bezahlen; das Mehrbegehren, der Erstklägerin S 3.333,33 und einen weiteren Betrag von S 1.949 sowie der Zweitklägerin S 2.666,66 und einen weiteren Betrag von S 2.136,78 zu bezahlen, wies es ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in seinem abweisenden Teil dahin ab, dass es den Beklagten auch zur Zahlung des im abweisenden Teil des erstgerichtlichen Spruches aufscheinenden Betrages verurteilte, sohin den Beklagten schuldig erkannte, der Erstklägerin S 15.847 und der Zweitklägerin S 14.410,36 samt Nebengebühren zu bezahlen.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen des § 503 Z 3 und 4 ZPO. Er beantragt das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise beantragt er in erster Linie die Wiederherstellung des ersten Urteils und für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben werde, die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Sache an eine der beiden Unterinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Die Revision führt in ihrer Rüge nach § 503 Z 3 ZPO die Feststellungen des Berufungsgerichtes über den Zustand des von Anna S***** dem Beklagten zur Überprüfung ihrer Identität vorgelegten Ausweises nur unvollständig an. Das Berufungsgericht hat die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes nicht so klar wiedergegeben, wie sie im Ersturteil enthalten sind. Es hat aber ausdrücklich erklärt, es habe kein Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung und übernehme daher die erstgerichtlichen Feststellungen in vollem Umfang. Das Erstgericht stellte klar und eindeutig fest, dass die Unterschrift auf dem Personalausweis, den die Anna S***** zum Zwecke der Beglaubigung ihrer Unterschrift auf dem Rangordnungsanmerkungsgesuch dem Beklagten vorwies, bezüglich des Vornamens nicht eindeutig als Anna lesbar war und ebenso gut als Maria gelesen werden konnte und dass der in dem vom Polizeikommissariat Wien-Mariahilf ausgestellten Ausweis eingetragene Vorname ebenfalls nicht eindeutig erkennbar war, da er durch das Fallen in eine Regenpfütze verwischt und undeutlich geworden war. Nach dieser Feststellung war also nicht nur der Vorname der Unterschrift der Anna S*****, sondern auch der mit Maschinschrift von der ausstellenden Behörde eingesetzte Vorname unleserlich. Wäre der mit Maschinschrift geschriebene Vorname leserlich gewesen, dann läge ein besonders krasser Fall einer Fahrlässigkeit des Beklagten vor. Dass aber auch das Berufungsgericht nicht angenommen hat, Anna S***** habe den mit Maschinschrift geschriebenen Text der Urkunde verändert, ergibt sich eindeutig aus seiner diesbezüglichen Überlegung, dass Anna S***** gar keine Zeit gehabt habe, technische Mittel anzuwenden, weil sie den Ausweis gleich anschließend an seine Ausstellung sofort zum Beklagten gebracht habe. Die Schlussfolgerungen des Erstgerichtes aus der Zeugenaussage des Dr. M*****, es sei nicht nur die Unterschrift bezüglich des Vornamens, sondern auch der Vorname im Text unleserlich gewesen, widerspricht nicht den Denkgesetzen und ist als Schlussfolgerung nicht aktenwidrig. Ob Dr. M***** der Vertreter der Maria S***** war, wie das Berufungsgericht auf Grund seiner Zeugenaussage vom 3. 12. 1963 (S 39) angenommen hat, oder ob er der Vertreter der Anna S***** war, wie Dr. M***** bei seiner Vernehmung als Zeuge am 11. 9. 1963 (S 12) angegeben hatte, ist unentscheidend. Eine Aktenwidrigkeit liegt in der Feststellung des Berufungsgerichtes schon deshalb nicht, weil ja diese Feststellung in der zweiten, offenbar richtigstellenden Angabe des Zeugen Dr. M***** ihre Stütze findet und daher ein Widerspruch zur Aktenlage nicht gegeben ist. Wenn das Berufungsgericht die vom Erstgericht auf diese Zeugenaussage gegründeten Feststellungen unbedenklich fand, kann dagegen, weil keine Aktenwidrigkeit vorliegt, nicht mit der Rüge nach § 503 Z 3 ZPO angekämpft werden. In Wahrheit wendet sich hier die Revision gegen die Beweiswürdigung der Unterinstanzen, die der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist.

Geht man von den Feststellungen der Untergerichte aus, dann ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ohne Fehl. Die Bestimmungen der §§ 31 und 53 Abs 3 GBG über das Erfordernis der Unterschriftenbeglaubigung dienen der Sicherung des Liegenschaftsverkehrs; sie sollen verhindern, dass Rechte für Personen im Grundbuche eingetragen werden, denen solche Rechte vom Liegenschaftseigentümer nicht eingeräumt wurden. Der Notar der die Beglaubigung von Unterschriften auf Tabularurkunden und auf Gesuchen um Anmerkung der Rangordnung vornimmt, hat sich, soferne er die Partei deren Unterschrift er beglaubigt, nicht selbst verlässlich kennt, der Identität der Partei entweder durch Beiziehung von zwei Zeugen (§ 79 Not.O.) oder auf Grund eines mit einem Lichtbild und einer eigenhändigen Unterschrift versehenen amtlichen Ausweises zu vergewissern (§§ 1 und 2 der VO 21. 2. 1942, DRGBl I S 87). Der nach den Feststellungen der Untergerichte dem Beklagten von Anna S***** vorgewiesene Ausweis war durch seinen Zustand höchst bedenklich. Der Beklagte hat daher dadurch, dass er auf Grund dieses Ausweises die Unterschrift der Anna S***** als die der Maria S***** beglaubigte, seine Verpflichtung, alle Geschäfte mit Redlichkeit, Genauigkeit und Fleiß nach den bestehenden Vorschriften zu versehen und jede Mitwirkung bei verdächtigen Geschäften zu versagen (§ 5 Abs 3 Not.O.), verletzt. Diese Verletzung ihm obliegender Amtspflichten machte ihn nach den Bestimmungen der §§ 1294, 1295, 1299 ABGB den Klägerinnen gegenüber schadenersatzpflichtig.

Eine Verpflichtung der Klägerinnen, auch ihrerseits, die Identität der Anna S***** zu überprüfen, bestand nicht. Sie haben mit hinreichender Vorsicht gehandelt, weil sie die Auszahlung der Darlehensvaluta von der Anmerkung der Rangordnung abhängig machten, die nur dann vom Grundbuchsgericht bewilligt werden kann, wenn die Unterschrift desjenigen, über dessen Recht verfügt werden soll, auf dem Gericht gesetzmäßig beglaubigt ist. Ein Mitverschulden der Klägerinnen oder des Dr. Prybila als deren Machthabers ist daher in der Unterlassung der Überprüfung der Identität der Anna S***** nicht gelegen.

Dass die Klägerinnen der Anna S***** Urkunden ausfolgten, in denen Maria S***** als Liegenschaftseigentümerin angeführt war, macht sie an dem Verhalten der Anna S***** gegenüber dem Beklagten nicht mitschuldig. Der Notar der eine Beglaubigung vornimmt, darf nie davon ausgehen, dass eine Partei, die sich für eine bestimmte Person ausgibt mit dieser Person auch ident ist. Seine Aufgabe ist es ja gerade, diese Identität zu prüfen.

Aus diesen Erwägungen war wie im Spruch zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E82241 8Ob186.64

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0080OB00186.64.0609.000

Dokumentnummer

JJT_19640609_OGH0002_0080OB00186_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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