TE OGH 1964/12/17 2Ob362/64

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Veröffentlicht am 17.12.1964
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Köhler, Dr. Pichler, Dr. Höltzel und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold B*****, vertreten durch Dr. Franz Mayer, Rechtsanwalt in Baden, NÖ, wider die beklagte Partei Franz B*****, vertreten durch Dr. Franz Eckert und Dr. Friedrich Eckert, Rechtsanwälte in Baden, wegen 26.329,46 S sA, monatlich 1.688,86 S und Feststellung (Streitwert 5.000 S) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Oktober 1964, GZ 3 R 144/64-18, womit das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 22. Mai 1964, GZ 1 Cg 32/64-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Kläger am 21. 10. 1962 beim Weinhauer Leopold R***** in der Nähe von Baden, NÖ, bei der Weinlese beschäftigt. Nach dem Einsammeln der Trauben durch den Kläger und andere Arbeiter wurden die mit den Trauben gefüllten Gefäße (Butten) zum Abtransport bereitgestellt. Mit dem Abtransport war der Beklagte beauftragt. Diesen hatte der Kläger um die Mittagszeit verständigt, dass er den Abtransport durchführen könne. Er war mit der Antwort zu R***** zurückgekehrt, dass der Beklagte bald kommen werde. Der Kläger und die anderen Arbeiter warteten nun auf den Abtransport der Trauben, weil sie beim Aufladen mitarbeiten sollten. Während sich die anderen Arbeiter in einer Gruppe zusammensetzten, legte sich der Kläger hinter einen Strauch auf einen Grasstreifen neben dem Zufahrtsweg, und zwar so, dass er den Kopf auf der Böschung des Weges liegen hatte. Als der Beklagte mit seinem LKW angekommen war und diesen in die richtige Stellung zum Verladen und zum Wegfahren bringen wollte, übersah er den im Gras liegenden Kläger und streifte diesem mit einem Rad des LKW am Kopf. Der Kläger erlitt dadurch Verletzungen. Der Beklagte wurde vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt. Der Kläger wurde mit seinen Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger vom Beklagten Schadenersatz in der oben angeführten Höhe und die Feststellung, dass der Beklagte für allen zukünftigen Schaden aus diesem Verkehrsunfall hafte. Der Kläger berücksichtigte bei seinen Forderungen ein Mitverschulden von 20 % und behauptete im Übrigen das überwiegende Verschulden des Beklagten, weil dieser unvorsichtig gefahren sei.

Der Beklagte wendete ein, dass ein Arbeitsunfall vorliege, dass er als Nebenunternehmer beschäftigt gewesen sei oder als Aufseher im Betrieb dem Dienstgeber des Klägers gleichgestellt gewesen sei und dass daher seine Haftung nach § 333 Abs 1 und 4 ASVG ausgeschlossen sei. Der Kläger hätte beim Beladen und Entladen des LKW mithelfen sollen und er sei in dieser Eigenschaft seinen Weisungen und seiner Aufsicht unterstellt gewesen. Auf jeden Fall treffe den Kläger aber ein 80%iges Mitverschulden, weil er sich an einer Stelle niedergelegt hatte, die von ihm (Beklagten) nicht eingesehen werden konnte.

Demgegenüber behauptete der Kläger, dass es sich nicht um einen Unfall in einer Arbeitspause, sondern in der Freizeit des Klägers gehandelt habe und daher ein Haftungsausschluss beim Beklagten nicht gegeben sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass der Beklagte als Nebenunternehmer haftungsfrei sei, weil er mit dem Dienstgeber des Klägers organisiert zusammengearbeitet habe, um einen gemeinsamen Erfolg, nämlich die Einbringung der Weinernte, zu erreichen. Es kämen daher auf ihn die Bestimmungen des § 333 Abs 1 und 4 ASVG zur Anwendung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, dass das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei (§ 519 Abs 3 ZPO).

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen, des Erstgerichts. Es war aber der Meinung, dass der Beklagte mit dem Verladen der Weintrauben noch nicht begonnen hatte, als sich der Unfall ereignete. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagte wie jeder andere Verkehrsteilnehmer auf der Fahrbahn zu beurteilen. Der Kläger sei zur Zeit des Unfalls noch nicht als gewissermaßen abkommandierter Arbeiter in den Betrieb des Beklagten eingegliedert gewesen. Dem Beklagten komme daher ein Haftungsausschluss nicht zu. Die Verständigung des Beklagten zum Abholen der Weintrauben habe der Kläger im Auftrag und im Rahmen seines eigenen Dienstgebers vorgenommen.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten. Er macht Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluss als nichtig aufzuheben und die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurückzuweisen, allenfalls den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 3 ZPO zulässig, aber nicht begründet.

Von einer Nichtigkeit des Verfahrens wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und Zuständigkeit des Arbeitsgerichts kann keine Rede sein. Für die Beurteilung der Zuständigkeit des Gerichts sind die Angaben in der Klage maßgebend. Der Kläger hat seinen Anspruch weder auf ein Arbeitsverhältnis noch auf arbeitsähnliches Verhältnis zwischen ihm und dem Beklagten gegründet. Er hat vielmehr den Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen und den Ersatz des ihm dadurch zugefügten Schadens begehrt. Über diesen Anspruch hat das ordentliche Gericht und nicht das Arbeitsgericht zu entscheiden.

In der Sache selbst bekämpft der Beklagte die Ansicht des Berufungsgerichts, dass ein Haftungsausschluss im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle nicht gegeben sei. Der Beklagte ist der Meinung, dass er als selbständiger Unternehmer den Abtransport der Trauben im organisierten Zusammenwirken mit dem Dienstgeber des Klägers durchgeführt habe und dass daher auf die weitere Frage, ob er allenfalls auch Aufseher im Betrieb des Beklagten gewesen sei, nicht einzugehen sei.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Unfall zu einem Zeitpunkt ereignet, als im Betrieb des Weinhauers R***** eine Arbeitspause eingetreten war und die bei ihm beschäftigten Arbeiter, darunter auch der Kläger, auf den Abtransport des eingesammelten Leseguts durch den Beklagten als dem mit dem Abtransport beauftragten Unternehmer warteten. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte der Kläger auch noch keinen Zusammenhang mit dem Betrieb des Beklagten und er war auch noch nicht dessen Aufsicht und Weisung unterstellt. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch nicht mit dem Aufladen der Weintrauben begonnen worden, so dass der Beklagte dem Kläger auch noch keine Weisungen zu erteilen hatte. Wenn man den Beklagten in diesem Fall als Nebenunternehmer ansehen will, der mit dem Dienstgeber des Klägers bei der Weinernte in organisierter Weise zusammengearbeitet hat, um einen gemeinsamen Erfolg zu erzielen, so tritt nicht unter allen Umständen der Haftungsauschluss beim Beklagten ein. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger von seinem Arbeitgeber R***** unter Aufrechterhaltung dieses Dienstverhältnisses dem Beklagten zum Beladen des LKW vorübergehend zur Hilfeleistung zur Verfügung gestellt worden wäre, der Kläger bereits beim Beladen des Kraftwagens beschäftigt und dabei dem Weisungsrecht des Beklagten unterstellt gewesen wäre und bei dieser Tätigkeit im Rahmen des Betriebs des Beklagten den Unfall erlitten hätte. Der Kläger hätte bereits so in den Transportunternehmerbetrieb des Beklagten eingegliedert sein müssen wie dessen eigene Arbeiter.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Zeitpunkt des Unfalls war eine Arbeitspause im Betrieb des Weinhauers R***** eingetreten, die der Kläger dazu benützt hatte, sich auf einem Grasstreifen neben dem Fahrweg auszuruhen. Der Beklagte hat den Kläger beim Heranfahren an den Weingarten angefahren und verletzt. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch außerhalb des Betriebs des Beklagten, da mit dem Aufladen der gesammelten Weintrauben noch nicht begonnen worden war. Der Kläger ist ja zu diesem Zeitpunkt noch im Gras gelegen. Bei diesem Sachverhalt ist die Ansicht des Berufungsgerichts richtig, dass die Handlungsweise des Beklagten nicht anders zu beurteilen ist, als die eines jeden anderen Verkehrsteilnehmers, der einen Schaden zufügt. Diese Auffassung ist auch durch die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung gedeckt und es besteht kein Anlass, in diesem Fall davon abzugehen. Ist aber ein Haftungsausschluss beim Beklagten nicht gegeben, dann hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil mit Recht aufgehoben, weil nunmehr über das Mitverschulden des Klägers und die Höhe seiner Ansprüche zu entscheiden ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

Textnummer

E95494

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0020OB00362.64.1217.000

Im RIS seit

23.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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