TE OGH 1965/1/20 7Ob1/65

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Veröffentlicht am 20.01.1965
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Berger, Dr. Schopf, Dr. Steinböck und Dr. Machowetz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef und Maria H*****, Landwirtsehegatten, *****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Eder, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Dr. Heinz B*****, Rechtsanwalt in *****, wegen 110.293,08 S s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. Oktober 1964, GZ 2 R 174/64-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 14. Juli 1964, GZ 6 Cg 349/63-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 2.251,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Untergerichte haben folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die Kläger kauften am 7. 2. 1961 von den Ehegatten Johann und Maria R***** die Liegenschaft EZ 121 KG Edt und Teile der Liegenschaft EZ 14 der KG Edt um 103.000 S. Verfasser des Kaufvertrages war Dr. Heinz B*****, der von beiden Vertragsteilen bevollmächtigt war, und der schon bei anderen Liegenschaftsverkäufen der Ehegatten R***** Vertragsverfasser gewesen war. Die Kläger erlegten den gesamten Kaufpreis bei Dr. B*****, der damit Schulden der Ehegatten R***** bezahlte. Bei Vertragsabschluss waren auf der Liegenschaft Pfandrechte für Forderungen von 130.000 S (Oberösterreichische Landeshypothekenanstalt), 66.650 S (Franz S*****) und eine Ranganmerkung für einen Kredithöchstbetrag von 90.000 S eingetragen. Die Ehegatten R***** übernamen die Verpflichtung, die Liegenschaft lastenfrei zu stellen. Eine Ranganmerkung für die beabsichtigte Veräusserung zugunsten der Kläger wurde nicht beantragt. Bald nach Vertragsabschluss teilten die Kläger und ihr damaliger Rechtsvertreter Dr. Z***** Dr. B***** mit, dass sie Bedenken wegen der Verkäufer hätten, wiesen auf die Zweckmässigkeit einer Ranganmerkung hin und drängten auf grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages. Dieser wurde am 4. 7. 1961 von der Grundverkehrskommission genehmigt. Der Beklagte unternahm aber nichts in diesen Richtungen. Die Ehegatten R***** wollten auch den Rest der Liegenschaft EZ 14 verkaufen, was ihnen erst nach längeren Bemühungen am 5. 12. 1961 gelang. Die Ehegatten H***** kauften diese Restliegenschaft um 160.000 S, leisteten auf den Kaufpreis aber nur eine Anzahlung von 75.000 S. Der Restbetrag von 85.000 S sollte bis 1. 8. 1962 bezahlt werden. Dieser Kaufvertrag konnte nicht durchgeführt werden und ist deshalb ein Rechtsstreit anhängig. Die bücherlichen Lasten der den Klägern verkauften Liegenschaften konnten bis 7. 2. 1962 bis auf das Pfandrecht zugunsten der Landeshypothekenanstalt abgebaut werden. Die Landeshypothekenanstalt verlangte zunächst Bezahlung eines Betrages von 85.000 S und Sicherstellung der Restforderung auf einer anderen Liegenschaft. Diese Forderung konnten die Ehegatten R***** nicht erfüllen, weil H***** den restlichen Kaufpreis von 85.000 S nicht bezahlen. Sie erhielten aus dem Verkauf von Holz rund 150.000 S und hätten bei Bezahlung eines Betrages von 43.000 S an die Landeshypothekenanstalt von dieser eine Freilassungserklärung erhalten, sie verwendeten das Geld aber zum Erwerb einer Liegenschaft in Alkoven. Dr. B***** erreichte schließlich von der Landeshypothekenanstalt die Zusage einer Freilassungserklärung, wenn ein Teilbetrag von 20.000 S bezahlt würde. Der Erstkläger bot eine Erhöhung des Kaufpreises um diesen Betrag an, Dr. B***** nützte dieses Anbot aber nicht aus, weil er gleichzeitig die Angelegenheit mit den Ehegatten H***** erledigen wollte. Am 25. 1. 1963 wurden mehrere Pfandrechte auf der Liegenschaft EZ 14 KG Edt zwangsweise eingetragen und die Liegenschaft am 19. 11. 1963 zwangsweise versteigert. Die Kläger boten bis zu einem Betrag von 182.000 S mit, wurden aber überboten. Die Ehegatten R***** sind derzeit vermögenslos, ihr Antrag auf Konkurseröffnung wurde mangels Vermögen abgewiesen. Sie können den Klägern den Kaufpeis von 103.000 S nicht zurückzahlen. Den Klägern sind durch die Intervention ihres Rechtsvertreters Kosten in der Höhe von 7.293,08 S entstanden.

Das Erstgericht verurteilte die Ehegatten R***** und Dr. B***** zur ungeteilten Hand zur Bezahlung des eingeklagten Betrages von 110.293,08 S. Es führte aus, die Ehegatten R***** haben ihre vertragliche Verpflichtung, die verkauften Liegenschaften lastenfrei zu stellen, nicht erfüllt und den Vertrag schuldhaft vereitelt. Sie seien daher verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuzahlen und den Klägern ihre Kosten zu ersetzen. Dr. B***** hafte als Vertragsverfasser gemäß §§ 1299 bezw. 1012 ABGB den Klägern für den ihnen entstandenen Schaden. Er hätte die Kläger bei Vertragserrichtung auf alle Gefahren aufmerksam machen und sie über die Schwierigkeiten zur Durchführung des Vertrages belehren und beraten müssen. Da die Liegenschaften überlastet gewesen seien, sei besondere Vorsicht geboten gewesen, insbesondere hätte er eine Ranganmerkung für die beabsichtigte Veräusserung veranlassen müssen. Er hätte das Angebot des Erstklägers, einen weiteren Betrag von 20.000 S zu bezahlen, um die Freilassungserklärung der Landeshypothekenanstalt zu erreichen, wahrnehmen müssen. Die Kläger hätten dagegen alle ihnen zumutbaren Schritte zur Abwendung eines Schadens unternommen und ihre Rettungspflicht nicht verletzt. Das Urteil des Erstgerichtes wurde von den Ehegatten R***** und von Dr. B***** mit Berufung angefochten, die Berufung der Ehegatten R***** wurde aber als verspätet zurückgewiesen, sodaß das Urteil gegen sie rechtskräftig geworden ist. Im Rechtsmittelverfahren scheint daher nur noch Dr. B***** als Beklagter auf. Seiner Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es führte aus, ein Rechtsanwalt, der für beide Vertragspartner einen Vertrag errichte, sei verpflichtet, die Interessen beider Vertragsteile zu vertreten und sie auf die Möglichkeit einer Sicherstellung hinzuweisen. Für einen Schaden, der mangels einer Sicherstellung entstehe, hafte er nur dann nicht, wenn die Parteien trotz Hinweises auf eine Sicherstellung ausdrücklich darauf verzichtet haben. Im vorliegenden Fall seien als Sicherheiten für die Käufer der Liegenschaften die Zurückbehaltung des Kaufpreises oder die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräusserung in Betracht gekommen. Der Beklagte habe erkennen müssen, dass die Verbücherung des Kaufvertrages längere Zeit in Anspruch nehmen werde, weil abgesehen von der Genehmigung durch die Grundverkehrskommission die erheblich belastete Liegenschaft lastenfrei gestellt werden musste und hiezu Verhandlungen mit den Gläubigern notwendig waren. Der Beklagte habe auch erkennen müssen, daß die Ehegatten R***** nicht zahlungswillig und zahlungsfähig gewesen seien. Besondere Vorsicht sei auch angebracht gewesen, weil dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Ehegatten R***** immer wieder Liegenschaften verkauften und aus dem Erlös Schulden bezahlten. Der Beklagte habe die Kläger aber nicht über diese Schwierigkeiten und Gefahren belehrt. Durch eine Ranganmerkung wäre jedenfalls verhindert worden, dass die Liegenschaften noch weiter belastet werden. Mit der Ausfolgung des Kaufpreises an die Ehegatten R***** hätte bis zur Verbücherung des Eigentums der Kläger zugewartet werden sollen. Der Beklagte habe daher seine Sorgfaltspflicht als Anwalt verletzt und hafte für den eingetreten Schaden. Da seine schuldhafte Handlung bereits bei Vertragserrichtung gesetzt worden sei, sei das spätere Verhalten nicht mehr wesentlich. Die Kläger hätten ihre Rettungspflicht nicht verletzt. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag um den Verkauf der ganzen Liegenschaft EZ 14 an einen anderen Käufer zu ermöglichen, sei ihnen nicht zuzumuten gewesen. Ebenso könne von ihnen nicht verlangt werden, bei der Versteigerung der Liegenschaft noch weiter mitzubieten. Da für die Kläger keine Verpflichtung bestanden habe, vom Kaufvertrag zurückzutreten, seien Beweisaufnahmen hierüber entbehrlich und liege die vom Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor.

Der Beklagte bekämpft das Berufungsurteil wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Er beantragt, das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache an diese Gerichte zurückzuverweisen.

Die Kläger bekämpfen die Revision und beantragen ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Als mangelhaft rügt der Beklagte das Berufungsverfahren, weil das Berufungsgericht trotz seiner Ansicht, die Kläger hätten ihre Rettungspflicht dann verletzt, wenn sie vom Kaufvertrag nicht zurücktraten, obwohl sie erkennen mussten, dass sie nur dadurch den Verlust des bezahlten Kaufpreises verhindern könnten, die vom Beklagten in dieser Richtung beantragten Beweise nicht aufgenommen habe. Es handelt sich hier um Feststellungsmängel, die dan gegeben wären, wenn die Rechtsansicht der Untergerichte, die Kläger haben keine Verpflichtung getroffen, vom Kaufvertrag zurückzutreten, unrichtig sein sollte, also um die rechtliche Beurteilung. Dies wird bei Behandlung der Rechtsrüge zu erörtern sein.

Die Rechtsrüge ist nicht begründet. Es ist zwar richtig, dass der Beklagte den von den Klägern bezahlten Kaufpreis nicht bis zur Verbücherung ihres Eigentumsrechtes zurückbehalten konnte, weil die Ehegatten R***** damit ihre Schulden bezahlen mussten, was den Klägern bekannt war. Umsomehr wäre es aber Pflicht des Beklagten gewesen, die Kläger, die ja für den von ihnen bezahlten Kaufpreis keinerlei Sicherheit erhielten auf das besonders grosse Risiko aufmerksam zu machen. Das hat er nach den Feststellungen der Untergerichte nicht getan. Er rügt als aktenwidrig, ohne allerdings diesen Revisionsgrund ausdrücklich geltend zu machen, die Ausführungen des Berufungsgerichtes, ihm sei als Vertragsverfasser bekannt gewesen, dass die Ehegatten R***** immer wieder Liegenschaften verkaufen und mit dem Erlös Schulden bezahlen. Der vorliegende Verkauf sei der erste gewesen, den er verfasst habe. Es genügt hier, auf die Rechtssache der Ehegatten F***** gegen die Ehegatten R***** und den Beklagten zu verweisen (7 Ob 27/64), in welchem Fall die Ehegatten R***** am 6. 7. 1960, also vor Abschluss des Kaufvertrages mit den Klägern, eine Liegenschaft, die sie kurz vorher erworben hatten, verkauften. Auch damals haben die Käufer einen bedeutenden Schaden erlitten, weil die Ehegatten R***** verschiedene Schulden nicht bezahlt hatten. Auch damals war der Beklagte Vertragsverfasser.

Die Ausführungen des Beklagten, eine Anmerkung der Rangordnung wäre zwecklos gewesen, treffen nicht zu, denn die exekutiven Pfandrechte, auf Grund deren dann die Versteigerung der Liegenschaft durchgeführt wurde, wurden erst nach dem 24. 1. 1963 erworben und hätten einer bereits früher eingetragenen Anmerkung der Rangordnung zugunsten der Kläger nicht geschadet. Die Landeshypothekenanstalt hätte eine Zwangsversteigerung nicht beantragt, sondern sich schon vorher mit einer Zahlung von 20.000 S benügt, und eine Freilassungserklärung gegeben. Jedenfalls wäre durch eine zeitgerechte Anmerkung der Rangordnung verhindert worden, dass weitere Pfandgläubiger den Klägern zuvor gekommen wären.

Aus § 1304 ABGB wird zwar eine Rettungspflicht des Beschädigten abgeleitet, also eine Pflicht, den Schaden möglichst gering zu halten, der Beschädigte hat aber grundsätzlich nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (RiZtg 1934 S 16, Ehrenzweig II/1 S 597/98). Ein solches Verschulden der Kläger liegt hier nicht vor. Ihre Rettungspflicht geht nicht soweit, von einem abgeschlossenen Kaufvertrag zurücktreten zu müssen um einen Schaden abzuwenden. Es muss ihnen zugebilligt werden, auf den Vertrag zu beharren. Wollte man verlangen, die Kläger hätten, um einen Schaden wegen Vertragsvereitelung durch die Ehegatten R***** abzuwenden oder zu verringern, selbst vom Vertrag zurücktreten müssen, würde das dem Grundsatz der Vertragstreue widersprechen. Grundsätzlich kann nach § 1304 ABGB vom Beschädigten auch nicht verlangt werden, dass er eine positive Tätigkeit zur Abwendung der Folgen der Handlungen des Schädigers entfalte (vgl 6 Ob 34/61, 2 Ob 665/54 u. a.). Es erübrigten sich daher weitere Feststellungen über eine Weigerung der Kläger, vom Vertrag zurückzutreten.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, der Beklagte habe ein Anbot der Klägerin, den Kaufpreis um 20.000 S zu erhöhen, um damit von der Landeshypothekenanstalt eine Freilassungserklärung zu erlangen "ausgeschlagen" mögen nicht ganz deutlich sein, das Berufungsgericht wollte aber damit nichts anderes sagen als das Erstgericht, nämlich, dass der Beklagte schuldhaft diese Gelegenheit nicht wahrgenommen habe. Eine Aktenwidrigkeit liegt darin nicht. Ob die Zeit zwischen diesem Anbot und der Eintragung des ersten Zwangspfandrechtes genügt hätte, das Eigentum der Kläger einzuverleiben, kann dahingestellt bleiben. Eine rechtzeitige Anmerkung der Rangordnung hätte jedenfalls die Kläger gesichert und hätte die Lastenfreistellung nach dieser Sicherung erreicht werden können. Es widerspricht den Gepflogenheiten und jeder nötigen Sorgfaltspflicht, vom Käufer den Kaufpreis entgegenzunehmen und dem Verkäufer zu übergeben, ohne irgendwie den Käufer gegen Schäden zu sichern. Den Klägern kann eine Verletzung ihrer Rettungspflicht auch nicht deshalb zur Last gelegt werden, weil sie bei der Zwangsversteigerung der Liegenschaft nicht noch weiter mitgeboten haben, denn sie haben nach den Feststellungen des Erstgerichtes bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit mitgeboten. Es könnte von ihnen auch nicht verlangt werden, die Liegenschaft, die sie ja bereits voll ausbezahlt hatten, noch einmal im Wege der Zwangsversteigerung zu bezahlen. Die Untergerichte haben daher mit Recht eine Verletzung der Rettungspflicht durch die Kläger verneint. Es ist den Untergerichten beizustimmen, dass der Beklagte als Verfasser des Kaufvertrages seine Pflichten gegenüber den Klägern verletzt hat. Wie bereits in der Entscheidung 7 Ob 27/64 die denselben Beklagten betrifft, ausgeführt wurde, stellt die Abfassung eines Kaufvertrages und dessen Durchführung eine rechtsanwaltliche Vertretungshandlung dar, für deren sachgemässe Ausführung der Rechtsanwalt gemäss § 1299 ABGB haftet. Wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, war gerade bei den Ehegatten R***** als Verkäufern Vorsicht am Platz, die der Beklagte nicht hat walten lassen. Er haftet den Klägern daher für den erlittenen Schaden, dessen Höhe nicht bekämpft wurde.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E77638 7Ob1.65

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0070OB00001.65.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19650120_OGH0002_0070OB00001_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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