TE OGH 1965/10/26 8Ob301/65

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Veröffentlicht am 26.10.1965
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Neutzler als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Alois S*****, 2.) Hedwig R*****, 3.) Rudolf F*****, 4.) Josefine B*****, 5.) Karl H*****, 6.) Margot So*****, 7.) Rudolf P*****, 8.) Dr. Josef G*****, alle vertreten durch Dr. Ernst Schwarz und Dr. Walter Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, 9.) Rudolf L*****, dieser vertreten durch Dr. Ernst Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Jakob W*****, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausschließung aus der Wohnungseigentumsgemeinschaft, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1965, GZ 4 R 129/65-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. April 1965, GZ 32 Cg 35/65-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den Beschluss

gefasst:

Die Revision wird, soweit damit Nichtigkeit geltend gemacht wird,

verworfen.

2.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird im Übrigen nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 1.390,14 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstrichter hat den auf Ausschluss des Beklagten aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten Klagebegehren stattgegeben. Er hat ua festgestellt: Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** der KG *****. Sie besitzen zusammen 12.670/16700stel Anteile der Liegenschaft, der Beklagte 1190/16700stel Anteile. Die Miteigentümer bzw deren Rechtsvorgänger haben am 18. 8. 1954 einen schriftlichen Übernahms- und Wohnungseigentumsvertrag geschlossen. Es wurde festgelegt, dass die Miteigentümer die Liegenschaftsanteile in der ausdrücklich erklärten Absicht erworben haben, Wohnungseigentum zu begründen. Die Wohnungen bestanden noch nicht, sondern sollten erst durch Wiederaufbau des durch Kriegseinwirkung zerstörten Hauses geschaffen werden. Sämtliche Miteigentümer haben sich für ihre Person, ihre Erben und ihre Rechtsnachfolger verpflichtet, ohne Verzug die Voraussetzungen für die Begründung des Wohnungseigentums zu schaffen. Die Miteigentümer hatten die Absicht, das Wohnhaus mit Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds (WWF) aufzubauen. Es wurde auch am 18. 5. 1954 ein entsprechendes Ansuchen beim WWF eingereicht und im Grundbuch angemerkt. Der Beklagte hat seinen Miteigentumsanteil erst mit Kaufvertrag vom 21. 9. 1960 von Nuchim F***** erworben. In der Folge hat der WWF die Bereitstellung von Fondsmitteln davon abhängig gemacht, dass anstelle der im Dachgeschoss vorgesehenen Waschküche eine weitere Wohnung geschaffen werde und dass die Miteigentümer die durch die ungünstige Lage bedingten Mehrkosten von 232.257,77 S aus Eigenem aufbringen. In Erfüllung dieser Bedingungen wurde der Plan entsprechend geändert, sodass anstelle der ursprünglich vorgesehenen 12 Wohnungen nunmehr 13 Wohnungen errichtet werden sollen. Alle Miteigentümer mit Ausnahme des Beklagten haben sich zur Tragung der Mehrkosten verpflichtet. Mit Bescheid vom 22. 6. 1962 hat der WWF ein Darlehen in der Höhe von 2,709.000 S bewilligt. Im Bescheid ist festgelegt, dass 13 Wohnungen herzustellen sind. Zur Bildung des für eine 13. Eigentumswohnung erforderlichen Anteiles an der Liegenschaft müssten die Miteigentümer entsprechende Eigentumsanteile abtreten. Der Beklagte lehnte es jedoch ab, zu diesem Zweck einen Teil seines Liegenschaftsanteiles abzutreten. Aus Zweckmäßigkeitsgründen verlangte der WWF, dass alle Miteigentümer einen einzigen Vertreter bestellen. Bis zum Ausscheiden des Nuchim F***** war Hugo G***** von allen Miteigentümern bevollmächtigt, sie beim WWF zu vertreten. Der Beklagte lehnte es ab, dem Hugo G***** Vollmacht zu erteilen. Er weigerte sich auch, auf seinem Miteigentumsanteil das Pfandrecht für das Fondsdarlehen eintragen zu lassen. Über Ansuchen der übrigen Miteigentümer hat der WWF die Flüssigmachung von 70 % des gewährten Darlehens bewilligt. Der restliche Betrag wird erst ausgezahlt, wenn das Pfandrecht auf dem Eigentumsanteil des Beklagten einverleibt ist. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass Miteigentümer die Baukosten selbst aufbringen und dass den anderen Miteigentümern unter der Voraussetzung, dass die Bauführung gesichert ist, ein Darlehen des WWF bewilligt wird. In einem solchen Falle werden auf Ansuchen die Liegenschaftsanteile jener Miteigentümer, die die anteilsmäßigen Baukosten selbst aufbringen, nicht mit dem Pfandrecht für das Fondsdarlehen belastet. Der Beklagte hat von der Möglichkeit, den auf ihn entfallenden Baukostenanteil durch Beistellung von Eigenmitteln aufzubringen, keinen Gebrauch gemacht, sodass dies für die Fertigstellung des Baues erforderlichen Geldmittel nicht zur Verfügung stehen. Der Erstrichter war der Ansicht, der Beklagte habe gegen seine Verpflichtungen aus der Gemeinschaft in einer Weise verstoßen, dass sein Ausschluss aus der Gemeinschaft gerechtfertigt sei.

Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft der Beklagte aus den Revisionsgründen des § 503 Z 1 und 4 ZPO. Er stellt den Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, oder das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Der Beklagte wendet sich gegen die Ansicht der Vorinstanzen, er habe gegen seine Verpflichtungen aus der Gemeinschaft in einer Weise verstoßen, dass sein Ausschluss aus der Gemeinschaft gerechtfertigt sei. Ein Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen liege nicht vor. In Betracht käme höchstens eine Verpflichtung finanzieller Art. Es sei aber weder die Höhe einer solchen den Beklagten treffenden Verpflichtung finanzieller Art festgestellt, noch sei erörtert worden, ob es sich hiebei nicht um eine Nachschusspflicht handeln würde, deren Geltendmachung unter Ausschluss des Rechtsweges im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hätte.

Dem Beklagten kann jedoch nicht darin gefolgt werden, wenn er die Bestimmung des § 10 Abs 1 lit a WEG dahin auslegen will, die Verletzung von Verpflichtungen aus der Gemeinschaft komme nur bei einem Verstoß gegen eine im Vertrage ausdrücklich festgelegte Verpflichtung in Betracht. Die vom Gesetzgeber gewählte, allgemein gehaltene Formulierung, "Verpflichtungen aus der Gemeinschaft", lässt eine derartige enge Auslegung nicht zu. Als Pflichten aus der Gemeinschaft im Sinne der angeführten Gesetzesstelle können auch Verpflichtungen in Betracht kommen, die sich aus dem Sinn und Zweck des Vertrages ergeben. Wer sich an einem Vertrag über die Errichtung von Wohnungseigentum beteiligt hat, hat damit zu erkennen gegeben, dass er das Seinige dazu beitragen wolle, um die Erreichung des beabsichtigten Zweckes zu ermöglichen. Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Inanspruchnahme von Fondsmitteln von vornherein in Aussicht genommen war, entspricht es dem Sinn und Zweck des Vertrages, das Erforderliche zu tun, damit dem vom WWF für die Gewährung der Fondsmitteln gestellten Bedingungen, nämlich Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten, Änderung des Bauplanes hinsichtlich des obersten Geschosses sowie Einverleibung des Pfandrechtes für das Fondsdarlehen, im vollen Umfang entsprochen werden kann. Die Tatsache, dass die Gewährung der in Aussicht genommenen Fondsmitteln von einer Änderung des ursprünglichen Bauplanes abhängig gemacht wurde, welche Änderungen allenfalls mit einem erhöhten Baukostenaufwand verbunden sein wird und auch eine Schmälerung der einzelnen Miteigentumsanteile zur Folge haben kann, darf nicht dazu führen, dass der Beklagte durch Beharren auf der bei Abschluss der Vereinbarung angenommenen Sachlage die weitere Bauführung bzw die Gewährung der restlichen Fondsmitteln in Frage stellen und damit die Erreichung des Vertragszweckes vereiteln kann. Es kann kein Rechtsirrtum darin erblickt werden, wenn die Vorinstanzen die Weigerung des Beklagten, der Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten zuzustimmen und die Pfandbestellungsurkunde zur Sicherstellung des Fondsdarlehens zu unterfertigen, als gemeinschaftswidriges Verhalten iSd § 10 Abs 1 lit a WEG gewertet haben. Ist doch diese Weigerung des Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen geeignet, die Erreichung des mit dem Vertrag über die Errichtung von Wohnungseigentum beabsichtigten Zweckes zu vereiteln. Um einer solchen Beurteilung seines Verhaltens vorzubeugen, hätte der Beklagte auf andere Weise dafür sorgen müssen, dass die Aufbringung der für die Vollendung des Baues erforderlichen Mittel nicht an seinem Verhalten scheitere. Der Beklagte hat aber auch in dieser Richtung nicht das getan, was von ihm nach den Umständen erwartet werden musste, wozu angesichts seiner Weigerung, die Pfandbestellungsurkunde zu unterfertigen, die Bereitstellung der auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Baukosten gehört hätte. Er durfte nicht darauf warten, dass ihm ein bestimmter Geldbetrag bekannt gegeben wird. Entgegen der Meinung des Beklagten handelt es sich nicht um eine einem Zahlungsrückstand iSd § 21 Abs 2 MietG vergleichbare, reine Geldverpflichtung. Im Hinblick auf die vom Anfang an vorhanden gewesene Absicht, das Haus mit Fondsmitteln zu errichten, stand die Mitwirkung an der Erreichung dieses Zweckes im Vordergrund und nicht die Beistellung einer bestimmten Geldleistung. Es hätte dem Beklagten ohne weiteres möglich sein müssen, in Erfahrung zu bringen, welcher Kostenanteil auf seinem Miteigentumsanteil entfällt. Dem Umstand, dass die Kläger nicht von sich aus dem Beklagten eine bestimmte Geldsumme genannt haben, kommt daher nicht die Bedeutung zu, die ihr der Beklagte beilegen will. Es kann aus den angeführten Gründen auch nicht von der Verletzung einer Nachschusspflicht iSd § 1189 ABGB gesprochen werden, weshalb auch nicht das für diesen Fall vorgesehene außerstreitige Verfahren Platz zu greifen hat und der in diesem Belange geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

Der Revision war demnach der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E74468 8Ob301.65

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0080OB00301.65.1026.000

Dokumentnummer

JJT_19651026_OGH0002_0080OB00301_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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