TE OGH 1968/7/3 5Ob173/68

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.1968
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hammer, Dr. Sobalik, Dr. Gräf und Dr. Schneider als Richter in der Entschädigungssache nach dem EisenbEntG des Antragstellers August V*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Bauerreiß, Rechtsanwalt in Graz, wider den Antragsgegner Republik Österreich (Österreichische Bundesbahnen), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I., Rosenbursenstraße 1, wegen Feststellung einer Entschädigung von S 4,500.000, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 6. November 1967, GZ 1 R 494/67-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 24. September 1967, GZ 2 Nc 102/66-12, bestätigt wurde folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller betreibt auf dem ihm gehörigen Grundstück Nr. 453/1 der Landtafel ***** des Bezirksgerichtes Klagenfurt ein Ziegelwerk. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. 3. 1963 wurde ihm auf Grund der Bestimmung des § 39 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl 1957 Nr 60, jeder weitere Geländeabbau zur Lehmgewinnung auf diese in unmittelbarer Nähe der Eisenbahn gelegenen Grundstück wegen Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnbetriebes untersagt und ausgesprochen, dass er für eine geplante Fortsetzung des Lehmabbaus die Bewilligung der Eisenbahnbehörde einzuholen habe. Mit Bescheid derselben Behörde vom 4. 6. 1963 wurde gemäß § 39 Abs 3 des EisenbahnG 1957 die Bewilligung für den weiteren Geländeabbau zur Lehmgewinnung im Gefährdungsbereich der Bahn auf dem genannten Grundstück unter im einzelnen angeführten Bedingungen, insbesonders auch der Festsetzung von Abbaugrenzen, erteilt.

Der Antragsteller hat zu 23 Cg 10/65 des Landesgerichtes Klagenfurt gegen die Republik Österreich (Generaldirektion der Bundesbahnen) eine auf Zahlung von 500.000 S gerichtete Leistungsklage mit der Begründung eingebracht, durch die ihm mit den beiden obgenannten Bescheiden auferlegten Beschränkungen einen Schaden von rund 4,500.000 S erlitten zu haben, wovon er vorläufig den genannten Teilbetrag begehre. Das Klagebegehren wurde in allen drei Instanzen abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die nach der Bestimmung des § 39 EisenbahnG 1957 verfügte Eigentumsbeschränkung verpflichtete den Bahneigentümer nicht zur Leistung einer Entschädigung.

Mit dem vorliegenden, am 19. 11. 1966 beim Außerstreitrichter eingebrachten Antrag begehrt nun August V***** die Festsetzung der Entschädigung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz vom 18. 2. 1878, RGBl Nr 30, wieder verlautbart als Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl Nr 71/1954, mit dem Betrag von 4,500.000 S. Die ihm mit dem Verwaltungsbescheiden aufgetragenen Abbaubeschränkungen seien als Eigentumsbeschränkungen im Sinn des § 2 Abs 2 Z 3 und 4 des EisenbEntG 1954 anzusehen.

Die Antragsgegnerin beantragt, das Begehren wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens zurückzuweisen, allenfalls es als unbegründet abzuweisen.

Das Erstgericht wies den Antrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Weges zurück. Bei den durch den Verwaltungsbescheid vom 18. 3. 1963 angeordneten Abbaubeschränkungen handle es sich um eine Legalservitut, nicht aber um einen individuellen, deN Bezirksgerichten zur Entscheidung zugewiesenen Enteignungsfall nach dem EisenbEntG 1954.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und schloss sich im Wesentlichen den vom Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht im vorangegangenen Rechtsstreit zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Erwägungen an, wonach der Bescheid vom 18. 3. 1963 lediglich das im § 39 Abs 1 EisenbG 1957 enthaltene Verbot der Beeinträchtigung des Eisenbahnbetriebs und somit eine Legalservitut beinhalte, nicht aber Enteignungscharakter besitze. Der Bescheid vom 4. 6. 1963 enthalte dagegen überhaupt keine Beschränkung des Antragstellers, sondern erteile ihm entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 39 Abs 1 EisenbG 1957 Abbaurechte innerhalb bestimmter Grenzen. Der Antragsteller sei daher in seinen Rechten infolge der genannten Bescheide nicht durch eine Enteignung, sondern durch eine Legalservitut, gemildert durch einen Erlaubnisvorbehalt, beschränkt. Somit sei für eine Anwendung der Bestimmungen des EisenbEntG 1954 kein Raum.

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller erhebt Revisionsrekurs, der jedoch nicht zulässig ist.

Die Rekursmeinung, die Anfechtungsbeschränkungen des § 16 AußStrG gelten nicht für das Verfahren nach dem EisenbEntG, trifft nicht zu. Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung nach dem EisenbEntG 1954 sind, soweit es nicht besondere Vorschriften enthält, gemäß § 24 dieses Gesetzes die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden. Dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren. § 30 enthält für die Anfechtung und das Rekursverfahren nur die von den Vorschriften des Außerstreitgesetzes abweichende Bestimmung, dass der Rekurs in doppelter Ausfertigung zu überreichen und eine Ausfertigung dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen ist, dass sich dieser binnen 14 Tagen zu den Rekursausführungen äußern kann und dass diese Vorschrift auch für den Revisionsrekurs zu gelten hat. Von einer über den Rahmen des § 16 AußStrG hinausgehenden Anfechtbarkeit eines bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes ist im § 30 nicht die Rede (SZ XXIII 10, XXX 47 ua). Die Anfechtbarkeit des bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes ist daher nur unter den im § 16 AußStrG genannten Voraussetzungen gegeben.

Von den dort erschöpfend aufgezählten Anfechtungsgründen wird nur die offenbare Gesetzwidrigkeit geltend gemacht und diese auch nur sofern das Rekursgericht den Artikel I des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht angewendet hat. In allen anderen Belangen wird gegen den angefochtenen Beschluss nur der Vorwurf der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhoben.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine offenbare Gesetzeswidrigkeit nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird; daher bildet nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (JBl 1955 S 205, EvBl 1968 Nr 48 uva).

Der Antragsteller vertritt nun den Standpunkt aus der Bestimmung des Art I Abs 1 des Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention vom 20. 3. 1952, BGBl Nr 210/1958, ergebe sich, dass eine Entziehung des Eigentums nur zulässig sei, wenn es das öffentliche Interesse verlange und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen, wobei unter diesen die Entschädigungsleistung zu verstehen sei. Absatz 2 des Artikels I bestätige das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuordnen, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums in Übereinstimmung mit dem Allgemeinintresse für erforderlich halte. Die durch die Verwaltungsbescheide auferlegten Abbaubeschränkungen seien aber nicht in Übereinstimmung mit dem Allgemeininteresse, sondern ausschließlich im Interesse der Eisenbahnunternehmung verfügt worden. Nicht nur die Frage aber, ob die im § 39 Abs 1 EisenbahnG 1957 vorgesehene Legalservitut dem Begriff des Eigentumsentzugs entspricht, ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt, auch die Frage, ob eine solche Verfügung, die der Hintanhaltung einer Gefährdung des Betriebes einer der Beförderungspflicht unterliegenden Eisenbahn dient, in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Interesse steht, kann nicht auf Grund der bestehenden Gesetze eindeutig verneint werden. Wenn daher das Rekursgericht den Sachverhalt nicht der Bestimmung des Artikels I des Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention unterstellt hat, unterlief ihm damit keine offenbare Gesetzeswidrigkeit.

Alle weiteren Einwendungen des Revisionsrekurses gegen den angefochtenen Beschluss werden, wie oben bereits erwähnt, nicht unter dem Gesichtspunkt der offenbaren Gesetzwidrigkeit erhoben. Gleichwohl erscheint es dem Obersten Gerichtshof erforderlich, auch diese Ausführungen einer Prüfung in der Richtung zu unterziehen, ob sie ihrem Inhalt nach eine etwa unterlaufene offenbare Gesetzwidrigkeit aufzuzeigen vermögen.

Der Rekurswerber gibt zunächst zu, dass das EisenbahnG 1957 in seinem § 39 für die dort vorgesehenen Beschränkungen einen Entschädigungsanspruch nicht gewähre, will einen solchen aber aus dem Hofkanzleidekret vom 29. 8. 1844 ableiten, dessen § 4 den Eigentümern und Nutznießern von Gründen, die durch die ihnen aufgetragene Beschränkung in der Benützung einen wirklichen und nachweisbaren Schaden erleiden sollten, einen Entschädigungsanspruch vorbehält. Dieses Hofkanzleidekret sei bisher nicht aufgehoben worden. Es trifft zwar zu, dass das Hofdekret 1844 nicht namentlich aufgehoben wurde, auf Grund des Wortlautes des § 46 Abs 1 des Gesetzes vom 18. 2. 1878, RGBl Nr 30, das erstmalig die gesamte Enteignungsmaterie für den Bereich von Eisenbahnen regelte, kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass das Hofdekret vom 29. 8. 1844 schon damals seine Wirksamkeit verloren hat; diese Gesetzesstelle bestimmt nämlich, dass alle Anordnungen außer Wirksamkeit gesetzt werden, soweit sie Gegenstände dieses Gesetzes betreffen oder durch sie geregelt sind. In der Nichtanwendung des Hofdekrets 1844 kann daher dem Rekursgericht ebenfalls keine offenbare Gesetzwidrigkeit unterlaufen sein.

Der Rekurswerber vertritt ferner die Rechtsansicht, die ihm auferlegten Abbaubeschränkungen gehören zu den im § 2 Abs 2 Z 3 und 4 EisenbEntG 1954 angeführten Enteignungstatbeständen. In diesem Zusammenhang kann auf die vom Rekurs selbst bezogenen Ausführungen Klangs in seinem Kommentar² II S 190 verwiesen werden, wonach gesetzliche Eigentumsbeschränkungen, die die Ausübung des nur begrifflich unbeschränkten Eigentums an bestimmte Gruppen von Gegenständen regeln, keinen Eingriff in das Eigentum bedeuten und dass ihre Abgrenzung von der Enteignung Schwierigkeiten bereite. Als eine im großen Ganzen brauchbare Grundregel möge zwischen allgemeinen Beschränkungen des Eigentums, die alle Eigentümer oder doch jene einer bestimmten Gruppe treffen, und solchen Eingriffen gelten, die bloß einem einzelnen Eigentümer oder einer geringen Zahl von solchen ein besonderes Opfer auferlegen; einzelne Fälle bleiben jedoch zweifelhaft. Auch Adamovich-Spanner weisen im Handbuch des österr. Verfassungsrecht5 S 460 auf die Schwierigkeiten einer einwandfreien Abgrenzung des Begriffs der Enteignung von den Legalservituten hin. Jedenfalls ist vom Gesetz selbst nicht ausdrücklich und klar gelöst, unter welchen Voraussetzungen eine Eigentumsbeschränkung als Enteignung zu beurteilen ist. Daraus ergibt sich, dass die von den Unterinstanzen ihren Entscheidungen zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, ein auf Grund des § 39 EisenbahnG 1957 getroffenes Verbot eines Verhaltens, durch das der Bestand der Eisenbahn oder deren sichere Betriebsführung gefährdet werde, stelle eine Legalservitut dar, sei jedoch nicht dem Begriff der Enteignung zuzuordnen, keine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellt, dies um so weniger, als durch § 39 EisenbahnG 1957 für alle Liegenschaftseigentümer im Gefährdungsbereich der Bahnanlage ein Verbot erlassen wird, während § 2 Abs 2 Z 3 und 4 EisenbahnEntG 1954 nicht auf den Gefährdungsbereich beschränkt ist und die Anordnung von Servituten und Vorkehrungen durch einen individuellen Verwaltungsakt vorsieht.

Dass für eine Maßnahme nach § 39 EisenbahnG 1957 keine Entschädigungsleistungen erbracht werden müssen, hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1966 im vorangegangenen Rechtsstreit ausgesprochen. Aus der Tatsache, dass das EisenbahnG 1957 eine Reihe von anderen Bestimmungen enthält, in welchen für bestimmte, hier aber nicht vorliegende Fälle Entschädigungsleistungen vorgesehen werden, lässt sich ebensowenig eine offenbare Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses ableiten wie aus der Tatsache, dass die Untergerichte bei ihren Entscheidungen dem deutschen Enteignungsrecht angehörenden Rechtsgedanken nicht heranzogen. Alle weiteren Ausführungen, mit denen der Rekurswerber nachweisen will, dass eine Verfügung nach § 39 Abs 1 EisenbahnG 1957 schließlich doch eine Entschädigungspflicht nach sich ziehe und dass insbesondere eine entschädigungslose gesetzliche Eigentumsbeschränkung grundsätzlich nur dann angenommen werden könnte, wenn es sich um unwesentliche, dem Betroffenen kein besonderes Opfer auferlegende Eingriffe in das Eigentumsrecht handle, stellen sich als nichts anderes dar, als einen Versuch, die im vorangegangenen Rechtsstreit zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs zu bekämpfen, von der abzugehen im vorliegendem Fall jedoch kein Anlass besteht.

Somit vermag der Revisionsrekurs auch mit jenen Ausführungen, die sich gegen die rechtliche Beurteilung der Unterinstanzen wenden, keine offenbare Gesetzwidrigkeit aufzuzeigen. Eine Nichtigkeit oder eine Aktenwidrigkeit wird nicht behauptet; für das Vorliegen dieser Anfechtungsgründe ergibt die Aktenlage keine Anhaltspunkte. Der Revisionsrekurs war demnach mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG erschöpfend aufgezählten Anfechtungsgründe als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E74442 5Ob173.68

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0050OB00173.68.0703.000

Dokumentnummer

JJT_19680703_OGH0002_0050OB00173_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten