TE OGH 1968/11/13 6Ob301/68

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Veröffentlicht am 13.11.1968
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Nedjela, Dr. Greissinger, Dr. Wittmann und Dr. Sperl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****genossenschaft m.b.H. für Kärnten, *****, vertreten durch Dr. Erich Komers, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Cäcilia *****, vertreten durch Dr. Kuno Ther, Rechtsanwalt in Villach, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 4. September 1968, GZ 2 R 359/68-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 29. Mai 1968, GZ 3 C 79/68-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der Beklagten die mit S 474,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10.10.1967 verstorbene Theresia A***** war Mitglied der klagenden Genossenschaft und bewohnte als solches die aufgekündigte Wohnung Nr. 9 in dem der Klägerin gehörigen Hause in V*****. Die Beklagte ist die Erbin der Theresia A*****, hat aber mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt. Mit Schreiben vom 15. 12. 1967 teilte sie der klagenden Partei diesen Sachverhalt mit sowie dass sie die Wohnung für sich und ihre beiden Töchter benötige und um Übertragung der Mitgliedschaft ersuche. Die klagende Partei antwortete mit Schreiben vom 14. 2. 1968, dass ihr Vorstand die Übertragung der Mitgliedschaft wie auch die Überlassung der Wohnung wegen Nichterfüllung der notwendigen Bedingungen abgelehnt habe und dass die Beklagte die Wohnung bis 15. 3. 1968 räumen solle. Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren der Klägerin statt. Es führte hiezu aus:

Die zur Zeit der Vergebung der Wohnung an Theresia A***** geltende Satzung der klagenden Partei sei in der Folge geändert worden. Da diese Änderung richtig zustande gekommen sei, habe zur Zeit des Todes der Theresia A*****die neue Satzung gegolten, deren § 9 Abs 1 Folgendes bestimme:

"Stirbt ein Mitglied vor dem 30. September erlischt die Mitgliedschaft am Ende des laufenden, sonst am Ende des darauffolgenden Jahres. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Erben bei sonstigem Verlust der Mitgliedschaft des Erblassers bzw. der Verlassenschaft eine Person namhaft zu machen, welche an Stelle des Erblassers dessen Geschäftsanteil übernimmt und Mitglied wird. Dieser von den Erben bezeichnete Übernehmer tritt auf Grund einer schriftlich abgegebenen Übernahmserklärung in die Rechte und Pflichten des Erblassers, an dessen Stelle als Mitglied in die Genossenschaft ein, wenn der Vorstand ihn als Mitglied aufnimmt...". Nach dieser Bestimmung brauche im Gegensatz zur alten Satzung eine Ablehnung nicht mehr begründet zu werden. Selbst wenn die von der Beklagten behauptete Gefahr ihrer Obdachlosigkeit zuträfe, wäre die Ablehnung nicht sittenwidrig, da sie in der Satzung vorgesehen, die Klägerin der Beklagten vertraglich nicht verpflichtet sei und die Ablehnung nicht gegen oberste Rechtsgrundsätze verstoße, nicht offenbar rechtswidrig, sondern sachlich (etwa im Hinblick auf andere, nicht wohnversorgte Mitglieder oder auf § 19 Abs 2 Z 13 MietG) begründet sei.

Da der Vorstand somit die Aufnahme der Beklagten ohne nähere Begründung, nach freiem Ermessen ablehnen könne, brauche auf die Behauptung der Beklagten, eine ihrer Töchter wohne schon in der Wohnung und sie selbst werde die Wohnung in absehbarer Zeit benötigen, nicht eingegangen zu werden.

Zufolge Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies.

Es begründete dies folgendermaßen:

Gemäß § 31 der Satzung könne die Generalversammlung Satzungsänderungen beschließen. Die neue Satzung gelte daher für alle Mitglieder, gleichgültig, ob sie dafür oder dagegen gestimmt haben. Die Bestimmung des § 6 der Satzung, dass die Mitgliedschaft durch den Tod erlösche, und jene des § 9 Abs 1, dass die Mitgliedschaft im Falle des Todes vor dem 30. September mit dem Ende des laufenden Jahres, sonst mit dem Ende des darauffolgenden Jahres erlösche, seien so zu vereinbaren, dass sich hieraus eine Mitgliedschaft über den Tod hinaus bis zum Ende des laufenden oder des nächsten Jahres ergebe. Hiedurch sei ein befristeter Schwebezustand geschaffen worden, um die allfällige Rechtsnachfolge herbeizuführen oder die finanzielle Abwicklung zu ermöglichen. Innerhalb dieser Frist könne der von den Erben namhaft gemachte Übernehmer - die Zustimmung des Vorstandes vorausgesetzt - an Stelle des verstorbenen Mitglieds in dessen Rechte und Pflichten eintreten, es wäre aber auch denkbar, dass im Falle der Ablehnung der von den Erben zunächst bezeichneten Person innerhalb der Frist weitere Eintrittswerber namhaft gemacht werden. Da Theresia A***** am 10. 10. 1967 gestorben ist, erlösche ihre Mitgliedschaft erst mit Ende 1968. Bis dahin gebe es keine Räumungsklage gegen die Verlassenschaft nach Theresia A*****, aber auch nicht gegen die an ihre Stelle getretene Universalerbin. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird von der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Beantragt wird, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wieder hergestellt werde. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die Statutenänderung, wenn sie - was gar nicht bestritten wurde - ordnungsgemäß zustande gekommen ist, auch auf früher begründete Mitgliedschaften anzuwenden ist und dass daher auch die Beziehung älterer Mitglieder zur Genossenschaft vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Statuten nach diesen zu beurteilen sind. Jedes Mitglied, das mit der Änderung nicht einverstanden ist, kann gemäß §§ 6 lit a, 7 der Satzung aus der Genossenschaft austreten; tut es dies nicht, so ist es den neuen Statuten unterworfen. Der Revision kann somit nicht darin gefolgt werden, dass bei der Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites auch die früheren Statuten zu berücksichtigen seien.

Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung ausschließlich auf der Auslegung des Verhältnisses zwischen § 6 lit d und § 9 Abs 1 der Satzung. Hierin ist dem Berufungsgericht vollinhaltlich zuzustimmen. Denn wenn tatsächlich - wie die Revisionswerberin meint - die Bestimmung des § 6 lit d der Satzung dahin zu verstehen wäre, dass mit dem Tode des Mitglieds die Mitgliedschaft sofort und endgültig endet, dann wäre es nicht verständlich, wieso im § 9 Abs 1 der Satzung von einem Erlöschen der Mitgliedschaft am Ende des laufenden bzw. des darauffolgenden Jahres, von einem Verlust der Mitgliedschaft des Erblassers bzw. der Verlassenschaft sowie davon die Rede wäre, dass der Übernehmer an Stelle des Verstorbenen Mitglied werde und in dessen Rechte und Pflichten als Mitglied eintrete.

Dass der Vorstand die Aufnahme der Beklagten als Mitglied bereits abgelehnt hat, ändert hieran nichts, weil die Erben innerhalb der Frist des § 9 Abs 1 der Genossenschaft weitere Übernahmswerber namhaft machen können, hinsichtlich welcher möglicherweise keine Ablehnungsgründe vorliegen. Dieses aus § 9 Abs 1 der Statuten hervorgehende Vorschlagsrecht der Erben kann nicht dadurch aus den Angeln gehoben werden, dass die Genossenschaft vor Ablauf der Frist eine Räumungsklage einbringt.

Da die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Statuten somit durchaus zutreffend ist, muss die dagegen gerichtete Rechtsrüge erfolglos bleiben.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E74466 6Ob301.68

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1968:0060OB00301.68.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19681113_OGH0002_0060OB00301_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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