TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/6 2004/09/0122

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Veröffentlicht am 06.04.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
MRK Art6 Abs3 litd;
VStG §24;
VStG §51i;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/09/0157 E 6. April 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des K in M, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 7. Juni 2004, Zl. UVS-11/10371/9-2004, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der C GmbH als Arbeitgeber mit Sitz in S zu verantworten, dass von dieser

a) die bulgarische Staatsangehörige Z vom 6. Juni 2001 bis zum 9. Juni 2001 als Animierdame/Prostituierte,

b) die tschechische Staatsangehörige B vom 8. Juni 2001 bis zum 9. Juni 2001 als Animierdame,

c) die slowakische Staatsangehörige M vom 7. Juni 2001 bis zum 9. Juni 2001 als Animierdame/Prostituierte und

d) die tschechische Staatsangehörige R vom 7. Juni 2001 bis zum 9. Juni 2001 als Bardame

in S, Nachtlokal C, beschäftigt worden seien, ohne dass eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine Anzeigenbestätigung, "ein EU-Entsendebewilligung", eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein vorgelegen habe.

Er habe Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) begangen. Es wurden jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.800,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, die belangte Behörde habe "nicht einmal versucht", die unter a) bis d) genannten Frauen als Zeugen zu laden, sondern sei "ohne weiteres davon ausgegangen ..., dass diese wohl nicht verfügbar seien und deren Aussagen daher verlesen werden könnten".

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen im Recht:

Die unter a) bis d) genannten Frauen wurden jeweils am 11. Juni 2001 vor der Bundespolizeidirektion Salzburg, Fremdenpolizeiliches Referat, in dem jeweils sie selbst betreffenden fremdenpolizeilichen Verfahren niederschriftlich unter Beiziehung eines Dolmetsch für ihre Muttersprache tschechisch und slowakisch (mit Ausnahme der Bulgarin Z, die in der ihr geläufigen Sprache Russisch befragt wurde) - die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers erweist sich demnach als aktenwidrig - einvernommen. In den darüber aufgenommenen Protokollen ist jeweils eine Heimatadresse vermerkt.

In der Berufung gegen das von der Behörde erster Instanz erlassene Straferkenntnis wurde der von dieser Behörde festgestellte Sachverhalt vom Beschwerdeführer bestritten und unter anderem die Einvernahme der unter a) bis d) genannten Frauen beantragt.

Im Protokoll über die vor der belangten Behörde durchgeführte mündliche Verhandlung ist vermerkt, dass die Parteien auf die Verlesung des Aktes "verzichten, da er nach erfolgter Akteneinsicht bekannt" sei. Der Vertreter des Beschwerdeführers erklärte über Aufforderung, "ladungsfähige Anschriften der vier im Spruch genannten ausländischen Staatsangehörigen im Inland bekannt zu geben", dazu nicht in der Lage zu sein. Es seien ihm nur die Adressen, die in den "Strafanzeigen" enthalten seien, bekannt.

Die belangte Behörde unternahm keinen Versuch, mit den unter a) bis d) genannten Frauen in Kontakt zu treten. Beim einzigen in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen handelt es sich um jenen Beamten, der die Niederschriften vom 11. Juni 2001 aufgenommen hatte. Er konnte keine eigenen Wahrnehmungen über die Ausgestaltung der Tätigkeit der unter a) bis d) genannten Frauen im Nachtlokal C berichten.

Die belangte Behörde stützte sich im angefochtenen Bescheid zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes fast ausschließlich auf die in den Niederschriften vom 11. Juni 2001 enthaltenen Angaben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen (siehe dazu das Erkenntnis vom 29. April 2004, Zl. 2001/09/0174, mwN), dass aus dem Umstand allein, dass ein Zeuge in das Ausland abgeschoben wurde, bzw. dort aufhältig ist, nicht geschlossen werde dürfe, es handle sich bei seiner Aussage um ein nicht greifbares Beweismittel, weshalb eine Verurteilung ohne jeden Versuch, eine relevante Aussage des im Ausland aufhältigen Zeugen zu erlangen, eine Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK darstellen würde. Die belangte Behörde hat daher auf geeignete Weise den Versuch zu machen, den Aufenthalt auch von im Ausland aufhältigen Zeugen, deren Aussagen relevant sein könnten, zu ermitteln, und auf geeignete Weise mit ihnen in Kontakt zu treten, um ihre grundsätzlich gemäß § 51i VStG gebotene unmittelbare Aussage vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu ermöglichen oder zumindest eine schriftliche Erklärung zu erwirken.

Diesen Grundsätzen hat das Vorgehen der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Die belangte Behörde hat keinen Versuch unternommen, mit den in der Slowakei, Tschechien bzw. Bulgarien aufhältigen Zeuginnen unter deren aktenkundigen Anschriften Kontakt aufzunehmen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Zeuginnen nicht (ohne Androhung von Zwangsfolgen für den Fall ihres Fernbleibens, also freiwillig) bereit gewesen wären, zu einem von der belangten Behörde festgesetzten Verhandlungstermin zu kommen und eine unmittelbare Aussage vor der belangten Behörde abzulegen, oder zumindest eine schriftliche Erklärung an die belangte Behörde zu übermitteln. Die belangte Behörde hat hiezu keinen Versuch angestellt, sodass fallbezogen nicht feststeht, ob derartige Bemühungen fehlgeschlagen wären. Die Verwertung der Niederschriften vom 11. Juni 2001 war der belangten Behörde nach dem zuvor Gesagten verwehrt.

Überdies rügt der Beschwerdeführer des Weiteren zutreffend, dass die der Beurteilung der Tätigkeit der unter a) bis d) genannten Frauen zugrundezulegenden Sachverhaltselemente im angefochtenen Bescheid so dürftig festgestellt wurden, dass die Begründung zur rechtlichen Abgrenzung zwischen Beschäftigung (im Sinne des AuslBG) und selbständiger Tätigkeit (etwa Ausübung selbständiger Prostitution) nicht nachvollziehbar ist. Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin diesbezüglich auch mit einem Begründungsmangel behaftet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. April 2005

Schlagworte

Beweise Beweismittel Zeugen Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090122.X00

Im RIS seit

02.05.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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