TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/6 2003/04/0022

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Veröffentlicht am 06.04.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §40;
GewO 1994 §152 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der G in O, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Ernest-Thun-Straße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 2. Dezember 2002, Zl. 20501-1411/5-2002, betreffend Vorverlegung der Sperrstunde (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde O, Ustraße 25), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde O wurde für den von der beschwerdeführenden Partei betriebenen Gastgewerbebetrieb "Stille Nacht Stub'n" in O, ALstraße 42, die Sperrstunde mit 02.00 Uhr und die Aufsperrstunde mit 10.00 Uhr festgesetzt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, es bestehe in Ansehung des erwähnten Betriebes die Berechtigung zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart "Bar" mit einer Betriebszeit bis längstens 05.00 Uhr früh. Durch das von Gästen dieses Gewerbebetriebes außerhalb des Lokals gesetzte Verhalten (lautes Reden vor dem Lokal, Grölen und Streiten, An-die-Fenster-klopfen, Anläuten, Verschmutzung der Zu- und Einfahrtsbereiche etc.) seien insbesondere während der Nachtstunden mehrere Nachbarn - wie näher dargestellt - in unzumutbarer Weise belästigt worden. Im Einzelnen genannte Nachbarn hätten hierüber teils schriftlich, teils niederschriftlich vor der Behörde Klage geführt. Diese Schilderungen stünden im Einklang mit den im Rahmen von Anzeigen bzw. Beschwerden von Anrainern bei der Gendarmerie angegebenen Missständen und Übergriffen. Die beschwerdeführende Partei habe zwar eingewendet, die festgestellten Belästigungen seien nicht ausreichend konkret. Dem sei jedoch zu erwidern, dass die Feststellung, wann es zu welcher Belästigung durch welche Person gekommen sei, naturgemäß nicht getroffen werden könne, weil es ja um kein strafbares Verhalten gehe und daher auch keine behördliche Aufnahme bzw. Identitätsfeststellung erfolge. Die Angaben der Nachbarn seien jedoch plausibel und bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Darstellung der Nachbarn sei von einer Aversion gegen die beschwerdeführende Partei oder von einer besonderen Lärmempfindlichkeit getragen. Jedenfalls spreche der Umstand, dass Klagen über Belästigungen konzentriert aus der Umgebung des Betriebes der beschwerdeführenden Partei herrührten, dafür, dass zumindest der Großteil der festgestellten Belästigungen - entsprechend den Annahmen der Nachbarn - auf Gäste des Lokals der beschwerdeführenden Partei zurückzuführen seien. Dass im Zuge der im Ermittlungsverfahren vorgenommenen Befragungen einzelne Nachbarn erklärt hätten, sich durch Gäste des Lokals der beschwerdeführenden Partei nicht belästigt zu fühlen, besage zwar, dass es in Ansehung dieser Nachbarn zu keinen Belästigungen gekommen sei; dies besage allerdings nichts über das Vorliegen von Belästigungen, über die von den anderen Nachbarn Klage geführt worden sei. Es sprächen freilich die evidenten Sperrstundenüberschreitungen dafür, dass Gäste des Lokals der beschwerdeführenden Partei sich mehrfach undiszipliniert verhalten hätten und dass die beschwerdeführende Partei selbst keine Schritte gesetzt habe, um ein vorschriftsgemäßes Verhalten ihrer Gäste herbeizuführen. Die festgestellten Belästigungen durch (vielfach alkoholisierte) Gäste des Lokals der beschwerdeführenden Partei (wie erwähnt durch lautes Reden vor dem Lokal, Grölen und Streiten, An-die-Fenster-klopfen, Anläuten, Verschmutzen der Zu- und Einfahrtsbereiche usw.) sei für die Nachbarschaft jedenfalls unzumutbar. Durch die lange Öffnungszeit des Lokals würden Gäste, die zuvor andere Lokale besucht hätten, angezogen. Zudem steige mit fortgeschrittener Stunde der Grad der Alkoholbeeinträchtigung mit der Folge, dass die die Nachbarn belästigenden Verhaltensweisen der Gäste ein nicht mehr tolerierbares Ausmaß erreichten. Gegen die langen Öffnungszeiten bestünden aber auch sicherheitspolizeiliche Bedenken. So sei es in der Vergangenheit zu einer Reihe von Sachbeschädigungen in der Umgebung des Lokals der beschwerdeführenden Partei gekommen, deren Erscheinungsbild die Vermutung nahe gelegt habe, dass sie von alkoholisierten Tätern herrührten, die zuvor das Lokal der beschwerdeführenden Partei besucht hätten. Die Täter hätten allerdings regelmäßig nicht festgestellt werden können. Die Vorverlegung der Sperrstunde auf 02.00 Uhr scheine nach Auffassung der Gemeindevertretung geeignet, auch diesem Gefährdungspotenzial entgegenzuwirken.

Die von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 2. Dezember 2002 in Ansehung der Vorverlegung der Sperrstunde abgewiesen (Spruchpunkt I.); in Ansehung der Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde wurde der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit an die Gemeinde zur neuerlichen Entscheidung verwiesen (Spruchpunkt II.). Dies - soweit für das hg. Beschwerdeverfahren wesentlich - mit der Begründung, die Gemeinde habe das im Instanzenzug durch die Anrainerbefragung ergänzte Ermittlungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Eine der Befragung vorangegangene Belehrung der Nachbarn über die Rechtslage sei im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei nicht rechtswidrig. Dem Vorwurf, es hätte eine persönliche Befragung der Anrainer durch den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei durchgeführt werden müssen, sei zu entgegnen, dass dies gesetzlich nicht vorgesehen sei; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei von der Gemeindevertretung als nicht notwendig erachtet und von der beschwerdeführenden Partei auch nicht beantragt worden. Dass zwei gleich lautende Stellungnahmen von Nachbarn abgegeben worden seien, lasse nicht darauf schließen, dass diese Stellungnahme den Nachbarn von der Gemeinde vorgegeben worden sei. Vielmehr hätten die Nachbarn übereinstimmend und glaubwürdig sowohl in schriftlichen als auch in niederschriftlichen Stellungnahmen vor der Gemeinde von unzumutbaren Belästigungen durch Gäste des Lokals der beschwerdeführenden Partei berichtet. Die Vorverlegung der Sperrstunde sei auch geeignet, derartige Belästigungen hintanzuhalten und die Situation der Nachbarn zu verbessern.

Gegen diesen Bescheid, und zwar ausschließlich gegen dessen Spruchpunkt 1.) richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Beibehaltung und Nutzung der gewerbebehördlich genehmigten Sperrstunde von 05.00 Uhr" verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, sie habe mehrmals beantragt, die Anrainer mündlich zu vernehmen und die beschwerdeführende Partei dieser Vernehmung beizuziehen. Dies sei einem Antrag auf mündliche Verhandlung "gleich gekommen". Die Stellungnahmen seien nämlich teilweise wortident, sodass sich "der Verdacht aufdränge", sie seien den Nachbarn lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden. Auch habe ein ausreichender Bezug zum Lokal der beschwerdeführenden Partei nicht hergestellt werden können, zumal sich in unmittelbarer Umgebung eine Diskothek und eine weitere Bar befänden. Angesichts des Umstandes, dass einige Nachbarn erklärt hätten, sich nicht gestört zu fühlen, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die widersprüchlichen und undeutlichen Stellungnahmen der Nachbarn in einer mündlichen Verhandlung aufzuklären. Auch sei kein Kausalzusammenhang zwischen den Belästigungen der Nachbarn und den Gästen der beschwerdeführenden Partei hergestellt worden. Vielmehr bestünden in diesem Punkt lediglich Vermutungen. Nicht gefolgt werden könne auch der Auffassung der belangten Behörde, die den Nachbarn durch die Gemeinde gebotene Belehrung sei unbedenklich. Den Nachbarn wäre es zuzumuten gewesen, ihre persönlichen Eindrücke selbständig zu schildern. Durch die mit der Belehrung erfolgte Beeinflussung sei der Grundsatz eines fairen Verfahrens verletzt worden. Es sei wohl eindeutig, dass jedes Nachtlokal zusperren müsse, wenn man die Nachbarschaft entsprechend um ihre Meinung fragte. Überdies seien auch weit entfernt wohnende Personen befragt worden bzw. seien zum Nahebezug der einzelnen Personen keine Feststellungen getroffen worden. Feststellungen fehlten weiters zu den örtlichen Gegebenheiten, insbesondere zu den anderen dort befindlichen Lokalitäten, zu den früheren Verhältnissen und allfälligen Änderungen. Die belangte Behörde habe somit verkannt, dass es an einem ausreichenden Tatsachensubstrat und an Beweisergebnissen, die eine rechtliche Würdigung erst ermöglichten, fehle.

Gemäß § 152 Abs. 6 GewO 1994, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 2002, hat die Gemeinde eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Die Ermächtigung der Gemeinde zur Vorverlegung der Sperrstunde hat somit zur Voraussetzung, dass entweder das von Gästen, die einer bestimmten Betriebsanlage zuzurechnen sind, außerhalb dieser Betriebsanlage gesetzte Verhalten wiederholt zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn geführt hat, oder dass sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003), S. 908 f, dargestellte hg. Judikatur).

Nach Auffassung der belangten Behörde ist eine wiederholte unzumutbare Belästigung der Nachbarn des Lokals der beschwerdeführenden Partei als Folge des von den Gästen dieses Lokals vor dem Lokal gesetzten Verhaltens auf Grund von Gendarmerieberichten und zahlreichen Nachbarbeschwerden erwiesen.

Die beschwerdeführende Partei hält zunächst dagegen, es sei kein ausreichender Bezug zu ihrem Lokal hergestellt worden, ein solcher sei aber umso notwendiger, als sich in der unmittelbaren Umgebung eine Diskothek und eine Bar befänden.

Sie übersieht dabei, dass sowohl in den im Verwaltungsakt erliegenden Gendarmerieberichten als auch in den Stellungnahmen der Nachbarn (deren Nahebeziehung zum Lokal der beschwerdeführenden Partei sich schon aus der Angabe der Wohnadresse ergibt) Gäste der beschwerdeführenden Partei zum Teil explizit als Urheber der Belästigung genannt werden und zum anderen Teil diese Urheberschaft als geradezu selbstverständlich vorausgesetzt wird, wobei allerdings anzumerken ist, dass für die Annahme, es kämen für die wiederholten Belästigungen der Nachbarschaft im fraglichen Bereich noch andere Urheber in Betracht, keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Soweit die beschwerdeführende Partei nämlich in der Beschwerde behauptet, es bestünden im unmittelbaren Umgebungsbereich ihres Lokals noch andere Lokale, hat sie ein entsprechendes Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht erstattet und es auch in der Beschwerde unterlassen, konkret darzulegen, welche wo gelegenen Lokale bei gesetzmäßiger Ermittlung des Sachverhaltes berücksichtigt hätten werden müssen. Mit diesem Vorbringen fällt die Beschwerde daher unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG.

Dass die den Gästen des Lokals der beschwerdeführenden Partei zugeschriebenen Verhaltensweisen ihrer Art nach geeignet sind, die Nachbarschaft unzumutbar zu belästigen, zieht die beschwerdeführende Partei nicht in Zweifel. Ihrem Vorbringen, es hätten sich dadurch nicht sämtliche Nachbarn belästigt gefühlt, ist allerdings zu entgegnen, dass die Ermächtigung der Behörde, die Sperrstunde vorzuverlegen, nicht davon abhängt, dass sich sämtliche Nachbarn belästigt fühlen. Die Erklärung einzelner Nachbarn, nicht belästigt worden zu sein, steht einer Vorverlegung der Sperrstunde daher nicht hindernd im Wege. Eine entsprechende Verfügung bedurfte auch keiner vorgängigen mündlichen Verhandlung.

Mit ihrem Vorbringen, es bestehe der Verdacht, die zur Begründung der Vorverlegung der Sperrstunde herangezogenen Stellungnahmen seien den Nachbarn von der Gemeinde "nur zur Unterschriftsleistung vorgelegt" worden, wendet sich die beschwerdeführende Partei zwar offenbar gegen die Richtigkeit der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, ohne allerdings konkret zu behaupten, die von den Nachbarn erstatteten Stellungnahmen hätten nicht ihren Wahrnehmungen entsprochen. Die behördliche Belehrung eines Einschreiters über die Rechtslage ist jedenfalls kein Grund, der geeignet wäre, Zweifel an der Richtigkeit der daraufhin erstatteten Stellungnahme zu wecken. Auch der Umstand, dass einzelne Stellungnahmen zum Teil wortidente Formulierungen enthalten, lässt den von der beschwerdeführenden Partei gezogenen Schluss (noch) nicht zu.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG abzuweisen, weil diese nicht anwaltlich vertreten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/05/0760, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Wien, am 6. April 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003040022.X00

Im RIS seit

06.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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