TE OGH 1975/4/22 3Ob80/75 (3Ob78/75, 3Ob79/75, 3Ob82/75, 3Ob81/75)

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Veröffentlicht am 22.04.1975
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Norm

ZPO §14
ZPO §163
ZPO §168
ZPO §396

Kopf

SZ 48/46

Spruch

Wohnungseigentümer bilden keine einheitliche Streitpartei im Sinne § 14 ZPO, wenn freie Disposition der einzelnen Wohnungseigentümer über den nur auf Rückzahlung eines Geldbetrages gerichteten Streitgegenstand besteht

Unterläßt der Kläger den Antrag auf Versäumungsurteil gemäß §§ 396, 442 ZPO tritt ex lege Ruhen des Verfahrens ein, sofern ein derartiger Antrag nicht zufolge § 402 ZPO zurückzuweisen wäre. Ein dennoch gefälltes Urteil kann während der Fortdauer des Ruhens nur mit einer diesen Fehler als Beschwerdegrund geltend machenden Berufung bekämpft werden

Infolge des Ruhens unwirksame Rechtsmittel sind zurückzuweisen

OGH 22. April 1975, 3 Ob 78 - 82/75 (LG Innsbruck 2 R 743/74; BG Innsbruck 5 C 996/74)

Text

Die Klägerin begehrte mit fünf gesondert eingebrachten Klagen die Verurteilung jeder beklagten Partei zur Zahlung eines Betrages von je 2990.08 S samt Anhang mit der Begründung, die Beklagten seien zu je 128/4088 Anteilen Miteigentümer der "Wohnungseigentumsgemeinschaft" B, die Klägerin habe für die Einräumung der Berechtigung einer von ihr beabsichtigten Kanalzuleitung der genannten Wohnungseigentumsgemeinschaft einen Betrag von 93.000 S bezahlt, in der Folge habe sich dieser Plan als undurchführbar erwiesen und sei daher die Geschäftsgrundlage der seinerzeitigen Vereinbarung weggefallen; die Beklagten seien daher zur Rückzahlung des auf sie entfallenden Anteiles des seinerzeit bezahlten Betrages verpflichtet.

In der ersten Tagsatzung wurden die Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, die Beklagten meldeten die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes an. Sie erstatteten hiezu auch einen vorbereiteten Schriftsatz, in welchem sie vorbrachten, daß sämtliche Wohnungseigentümer einheitliche Streitgenossen im Sinn des § 14 ZPO seien und der Streitwert in Wahrheit 93.000 S betrage. Bei der zur Vornahme der mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung erschien für die beklagten Parteien niemand; die Klägerin unterließ es jedoch, die Fällung eines Versäumungsurteiles zu beantragen; sie ergänzte vielmehr (im Hinblick auf den vorbereiteten Schriftsatz der Beklagten, der verlesen wurde) ihr Sachvorbringen.

Das Erstgericht schloß ohne Beweisaufnahmen die Verhandlung und wies die verbundenen Klagebegehren mit der Begründung ab, die Beklagten seien mit den übrigen Wohnungseigentümern als einheitliche Streitpartei anzusehen, es fehle daher den einzelnen Beklagten die Passivlegitimation.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat nach Darstellung der zu § 14 ZPO von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze die Auffassung, daß hier keine einheitliche Streitpartei im Sinne dieser Gesetzesstelle vorliege, weil der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages nicht notwendigerweise eine gemeinsame Verfügung aller Miteigentümer (Wohnungseigentümer) über die gemeinschaftliche Sache bedinge.

Der Oberste Gerichtshof wies den Rekurs der Beklagten zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Falls im bezirksgerichtlichen Verfahren die beklagte Partei nach vorausgegangener erster Tagsatzung der ersten zur Vornahme der mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung fernbleibt, ist gegen sie auf Antrag der klagenden Partei gemäß § 396 ZPO ein Versäumungsurteil zu fällen (§ 442 Abs. 1 ZPO). Unterläßt die klagende Partei diesen Antrag, so tritt Ruhen des Verfahrens ein (ebenso Fasching II, 694; III, 160, 623 und 631; Petschek - Stagel, 344; SZ 27/253 u. a.), ausgenommen in jenen Fällen, in welchen ein derartiger Antrag zufolge § 402 ZPO zurückzuweisen wäre (die Unterlassung eines Antrages, der gemäß § 402 Abs. 1 oder 2 ZPO zurückzuweisen wäre, bewirkt nicht das Ruhen, die Tagsatzung ist vielmehr in einem solchen Fall gemäß § 402 Abs. 3 ZPO von Amts wegen zu erstrecken).

Der vorerwähnte Ausnahmefall liegt hier nicht vor, weil selbst bei Richtigkeit der Auffassung des Erstgerichtes ein Antrag der Klägerin auf Fällung eines Versäumungsurteiles nicht etwa zurückzuweisen, sondern ein Versäumungsurteil, allerdings im Sinne einer Klagsabweisung, zu erlassen gewesen wäre (vgl. SZ 34/186; JBl. 1965, 89 u. a.). Tatsächlich wäre jedoch auf Antrag der Klägerin hier - unter gleichzeitiger Zurückweisung der wegen verzichtbarer Unzuständigkeit angemeldeten Prozeßeinrede (Fasching III, 857) - ein den verbundenen Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil zu fällen gewesen, da nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes hier keine einheitliche Streitgenossenschaft im Sinn des § 14 ZPO vorliegt (die von den Beklagten hervorgehobene Gemeinsamkeit des Sachverhaltes verhindert keineswegs die Disposition der einzelnen Beklagten über den auf Rückzahlung eines Geldbetrages gerichteten Streitgegenstand, vgl. Fasching II, 196; EvBl. 1961/222, 1973/234; JBl. 1960, 78 u. a.).

Infolge Unterlassung des Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles seitens der erschienenen Klägerin trat daher hier ex lege Ruhen des Verfahrens mit den durch die §§ 163, 168 ZPO umschriebenen Wirkungen ein. Da dieses Ruhen nicht erst nach Schluß der Verhandlung eingetreten ist (vgl. § 163 Abs. 3 ZPO), hätte das Erstgericht kein Urteil fällen dürfen. Dieses Urteil hätte während der Fortdauer des Ruhens wirksam nur durch eine Berufung bekämpft werden können, in welcher dieser Fehler - man mag darin eine Nichtigkeit oder nur einen Verfahrensverstoß erblicken, vgl. hiezu Fasching II, 795 und 807; Neumann, 749 und 754; Petschek, Streitfragen, 91 u. a. einerseits einerseits bzw. Fasching II, 623; Sperl I, 288 u. a. andererseits - als Beschwerdegrund geltend gemacht worden wäre. Dies entspricht im Falle der Unterbrechung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ebenso SZ 43/158, 45/19 u. a.) und muß nach Auffassung des erkennenden Senates auch für den Fall des Prozeßstillstandes durch Ruhen gelten, für welchen § 168 ZPO nur insoweit eine Abweichung normiert, als die im Zeitpunkt des Ruhens bereits begonnenen Notfristen weiterlaufen (ebenso Neumann, 754; Sperl I, 287, insbesondere Mat. I, 257, worin als Motiv für diese Abweichung angeführt ist, man wolle verhindern, daß die Parteien durch eine Ruhensvereinbarung bereits im Lauf befindliche Notfristen faktisch verlängern könnten). Soweit Fasching (III, 807) und Pollak (445) aus § 163 Abs. 3 ZPO - der auch für den Unterbrechungsfall gilt - ableiten, daß Rechtsmittelfristen auch während des Ruhens beginnen können, so trifft dies nur auf "solche Entscheidungen" (so wörtlich Fasching, 807), also auf gemäß § 163 Abs. 3 ZPO zulässige Entscheidungen bzw. jene Entscheidungen zu, die im Zusammenhang mit dem Ruhen und seinen Wirkungen ergehen (vgl. Fasching, 807). Die Formulierung der Entscheidung SZ 39/49, daß während des Ruhens des Verfahrens Rechtsmittelfristen schlechthin beginnen und ablaufen, ist daher zu allgemein und weitgehend.

Die hier von der Klägerin erhobene Berufung, in welcher der aufgezeigte Fehler der erstgerichtlichen Entscheidung nicht geltend gemacht wurde, wäre daher als eine infolge der Ruhenswirkung unwirksame Prozeßhandlung zurückzuweisen gewesen (ebenso im gleichgelagerten Unterbrechungsfall SZ 41/93, 43/158, 44/63, 45/19 u. a.). Dasselbe gilt auch für den von den Beklagten erhobenen Rekurs, der ebenfalls keinen die Ruhenswirkungen betreffenden Hinweis enthält und in dem auch kein Antrag auf Aufnahme des Verfahrens im Sinn des § 169 ZPO erblickt werden kann (ebenso für den Fall einer Revision SZ 41/93, 43/158 und 45/19). Der Rekurs der Beklagten war daher im Sinne der zum gleichgelagerten Unterbrechungsfall entwickelten, vorstehend zitierten Rechtsprechung zurückzuweisen.

Anmerkung

Z48046

Schlagworte

Einheitliche Streitpartei, keine -, wenn freie Disposition der einzelnen, Wohnungseigentümer über den nur auf Rückzahlung eines Geldbetrages, gerichteten Streitgegenstand besteht, Rechtsmittel, infolge Ruhens des Verfahrens unwirksame - sind, zurückzuweisen, Ruhen des Verfahrens, bei Unterlassung des Antrages des VU durch den, Kläger tritt ex lege - ein,infolge - unwirksame Rechtsmittel sind, zurückzuweisen, Unwirksame Rechtsmittel, infolge Ruhens des Verfahrens - sind, zurückzuweisen, Wohnungseigentümer, keine einheitliche Streitpartei, wenn freie, Disposition der einzelnen - über den nur auf Rückzahlung eines, Geldbetrages gerichteten Streitgegenstand besteht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00080.75.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19750422_OGH0002_0030OB00080_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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