TE OGH 1977/6/22 1Ob628/77

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Veröffentlicht am 22.06.1977
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma S*****, vertreten durch Dr. Josef Jamnigg, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, wider die beklagte Partei Othmar G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 120.245,29 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9. Februar 1975, GZ 4 R 31/77-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 16. November 1976, GZ 5 Cg 37/76-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.459,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 259,20 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Wiener Bauunternehmer Franz S***** war von Ing. Gerald F***** beauftragt, in der Siedlung „S*****" in Steinhaus am Semmering auf dem Grundstück ***** ein Einfamilienhaus zu errichten. Es musste hiebei auf dem Baugrundstück eine 0,5 m tiefe Künette gegraben werden. Auf einer in der Nähe befindlichen Baustelle war ein im Eigentum der Firma Othmar G***** stehender, vom Beklagten bedienter Bagger eingesetzt, der für die Errichtung der Künette geeignet war. Franz S***** erläuterte dem Beklagten den Verlauf und die Tiefe der Künette. Auf die Frage des Beklagten, ob beim Aufgraben besondere Vorsicht am Platze sei, ob etwas „drinnen" sei, erwiderte Franz S*****, es sei nur der Kanal in der Tiefe von 1,5 m „drinnen", was für den Beklagten unproblematisch war, da beim Graben der Künette höchstens eine Tiefe von 0,8 m erreicht werden sollte. Ein Vorarbeiter des Franz S***** markierte für den Beklagten die Trasse mit einem weißen Kalkstrich. Bei der Arbeit am 23. Oktober 1975 war ebenfalls ein Vorarbeiter des Baumeisters zugegen. Schon nach einer Strecke von 2 m schien es dem Beklagten, mit seinem Gerät auf ein Hindernis zu stoßen. Der Vorarbeiter ermunterte ihn, er solle noch etwas „nachputzen". Während er dies tat, beschädigte er ein 20-KV-Kabel der klagenden Partei, eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens, und verursachte damit einen Erdschluss mit Stromausfall in der Stadt Mürzzuschlag und in Hönigsberg. Am nächsten Tag traf der Beklagte mit Direktor Alfred Gr*****, dem Betriebsleiter der klagenden Partei, mit dem Betriebsassistenten Konrad R***** in den Räumen der klagenden Partei zusammen. Dem Beklagten wurde auseinandergesetzt, welch großer Schaden durch die Beschädigung des Kabels entstanden sei. Er war darüber sehr bestürzt und brachte zum Ausdruck, dass, wenn er den Schaden bezahlen müsse, sein Haus „draufgehe". Die Angestellten der klagenden Partei waren jedoch der festen Überzeugung, dass der Schaden von einer Versicherung der Firma Othmar G***** bezahlt werde. Dem Beklagten wurde eine schriftliche Verpflichtungserklärung vorgelegt, mit der er anerkannte, die Beschädigung des Kabels verursacht zu haben und die Schadenersatzleistung zu übernehmen; er verpflichtete sich, die Schadensrechnung unverzüglich nach ihrem Einlangen zu begleichen. Über Aufforderung unterfertigte der Beklagte dieses Schriftstück, war aber der Meinung, dass nicht er, sondern die Versicherung zur Zahlung herangezogen werde.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe den Schaden an ihrem Kabel grob fahrlässig herbeigeführt, seine Schadenersatzverpflichtung anerkannt und sich verpflichtet, den Schaden zu bezahlen, begehrt die klagende Partei vom Beklagten den Ersatz des von ihr behaupteten Schadens von 120.295,29 S sA. Der Beklagte bestritt sein Verschulden und die Schadenshöhe; seine schriftliche Erklärung sei zustandegekommen, weil man ihm erklärt habe, er bestätige nur, den Bagger beim Entstehen der Beschädigung bedient zu haben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe nicht fahrlässig genadelt, da der Bauunternehmer Franz S***** ihm genaue Anweisungen über den Verlauf der Künette gegeben und auf die Frage, ob etwas „drinnen" sei, verneinend geantwortet habe. Es wäre abwegig zu verlangen, dass der Baggerführer trotz genauer Anweisungen durch den Bauunternehmer noch verpflichtet wäre, selbst diverse Pläne einzusehen. Die Unterfertigung der schriftlichen Erklärung des Beklagten sei aber auf einen von den Angestellten der klagenden Partei veranlassten Irrtum zurückzuführen; er habe sich nicht schuldig fühlen können; alle Anwesenden seien überzeugt gewesen, dass der Schaden von einer Versicherung gedeckt werde.

Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren, obwohl die klagende Partei ua die Vernehmung der Zeugen Ing. Gerald F***** und Sigrid V***** beantragt hatte, als mängelfrei und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Zur Abwendung eines Schadens müssten nur jene Vorkehrungen getroffen werden, die vernünftigerweise nach Lage der Umstände und der Auffassung des Verkehrs zu gewärtigen seien. Wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines rechtswidrigen Erfolges so gering sei, dass sie auch einen pflichtgemäß Handelnden nicht von der Handlung abgehalten oder zu größere Vorsicht veranlasst hätte, sei Fahrlässigkeit zu verneinen. Als Baggerführer habe der Beklagte zwar wissen müssen, dass in der Erde auch Kabel vorhanden sein könnten; deswegen habe er sich auch bei seinem Auftraggeber, einem Bauunternehmer, erkundigt. Nach dessen Auskunft habe er nicht mit einem Kabel oder erst mit einem solchen in 1,5 m Tiefe rechnen können. Zusätzliche Erkundigungen habe er nicht anstellen müssen, sondern nur der Bauunternehmer. Ein konstitutives Anerkenntnis des Beklagten sei nicht anzunehmen. Ihm sei nicht vor Augen geführt worden, dass er auch zahlen müsse, wenn keine Versicherung für den Schaden aufkomme. Da niemand angenommen habe, die Versicherung werde nicht zahlen, sei eine ernstliche Forderung der klagenden Partei gegen den Beklagten nicht einmal gestellt worden. Er habe auch nur die Verursachung, nicht aber ein Verschulden anerkannt. Die Verpflichtungserklärung des Beklagten stelle nur das Geständnis der Tatsache der Beschädigung des Kabels der klagenden Partei dar. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei, die die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag geltend macht, das Urteil des Berufungsgerichtes seinem ganzen Inhalte nach abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als mangelhaft rügt die Revision die schon in der Berufung gerügte Unterlassung der Vernehmung der Zeugen Ing. Gerald F***** und Sigrid V*****. Ob jedoch die Feststellungen des Erstgerichtes unbedenklich scheinen oder es der Aufnahme weiterer Beweise bedarf, fällt in den Bereich der im Revisionsstadium nicht mehr angreifbaren Beweiswürdigung. Darüber hinaus ist es rechtlich ohnehin unerheblich, ob Ing. Gerald F***** dem Baumeister Franz S***** Weisungen erteilte, ebenso aber auch, ob dem Beklagten die Höhe des Schadens mitgeteilt wurde; welche Erklärung er abgegeben hat, ist aber unbestritten. In Bekämpfung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes vertritt die Revision weiterhin die Auffassung, es liege ein konstitutives Anerkenntnis des Beklagten vor. Von einem solchen wird gesprochen, wenn ohne beiderseitiges Nachgeben eine der Parteien erklärt, dass das von ihr bezweifelte Recht der anderen als tatsächlich bestehend angesehen werden soll. Der Gläubiger muss ein Recht ernstlich behaupten und der Schuldner die Unsicherheit der dadurch gegebenen Rechtslage mit seinem Anerkenntnis beseitigen; ein solcher Anerkenntnisvertrag schafft dann unabhängig von dem Bestehen des behaupteten Rechtes eine neue selbständige Verpflichtung und ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben sollte, ins Leben (JBl 1975, 206; EvBl 1974/4; SZ 41/122; SZ 36/24; SZ 24/162 uva; Ehrenzweig² I/1, 361, Koziol-Welser4 I 229). Es setzt die Absicht des Erklärenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbstständige Verpflichtung zu schaffen (EvBl 1974/4; RZ 1961, 166 ua). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass eine solche Absicht des Beklagten nicht angenommen werden kann, wenn er - ebenso wie die Angestellten der klagenden Partei - der Meinung war, dass gar nicht der Beklagte zu zahlen haben werde, sondern eine Versicherung. Selbst wenn man aber annehmen wollte, die immerhin deutlich erkennbare Zahlungsverpflichtung könnte doch als konstitutives Anerkenntnis angesehen werden, wäre der Beklagte zu dessen Anfechtung berechtigt. Auch ein konstitutives Anerkenntnis kann nämlich wegen eines Irrtums über die Vergleichsgrundlage bekämpft werden; wenn die Parteien gewisse Umstände beim Vergleichsabschluss als feststehend, als sicher, unzweifelhaft und unstrittig angenommen haben und daher nicht der Streitbereinigung unterwerfen wollten, berechtigt ein Irrtum darüber bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Anfechtung (Koziol-Welser4 I 229 iVm 228; Ehrenzweig² I/1 363; vgl SZ 39/57; JBl 1964, 369 ua; Wolff in Klang² VI 280). Das Erstgericht hat richtig darauf hingewiesen, dass zumindest ein beiderseitiger Irrtum darüber vorlag, dass den Schaden die Versicherung des Dienstgebers des Beklagten decken werde; darüber hinaus ergibt sich aber schon aus der von den Angestellten der klagenden Partei selbst verfassten Erklärung, dass der Beklagte nur die Verursachung des Schadens, nicht aber seine Schuld daran anerkannte; in einem solchen Fall könnte geradezu von einer listigen Irreführung darüber gesprochen werden, dass der Beklagte auch ohne Verschulden haften müsste, was eine Anfechtung zuließe (SZ 45/20; SZ 39/73; SZ 25/279 ua); jedenfalls aber wurde ein Irrtum, der Grundlage des Anerkenntnisses war, von der klagenden Partei veranlasst. Sie kann daher aus dem Anerkenntnis allein keine Ansprüche gegen den Beklagten ableiten. Was das behauptete Verschulden des Beklagten betrifft, ist davon auszugehen, dass der Beklagte nur mit der Bedienung des Baggers beauftragt war, der wiederum einem anderen Unternehmer gehörte. Die Arbeiten wurden auf einem Grundstück durchgeführt, auf dem ein Haus errichtet wurde. Gemäß § 63 Abs 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl 1968/149, hat der Bauherr sich zur Durchführung bewilligungspflichtiger Bauarbeiten zu bedienen, der auch dafür zu sorgen hat, dass bei allen Bauarbeiten jede Gefährdung vermieden wird (§ 64 Abs 2). Der Bauführer hat insbesondere mit dem Vorhandensein von verlegten Kabeln zu rechnen und ist daher entsprechend den üblichen Regeln im Baugewerbe verpflichtet, vor Durchführung von Erdarbeiten Auskünfte über die Lage allfälliger Kabel einzuholen, insbesondere über die Trassenführung und die Tiefe, in der Kabel verlaufen (SZ 46/78; EvBl 1973/174; JBl 1973, 35 ua). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, hat er wegen Verletzung der ihm gemäß § 1299 ABGB obliegenden Pflichten dafür einzustehen. In diesem Sinne ist auch die Haftung eines Bauführers für die Beschädigung eines Starkstromkabels eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens zu bejahen (3 Ob 227/75 ua). Die dem Bauführer oder einem von ihm beauftragten örtlichen Bauleiter übertragene Verpflichtung zur Einholung von Auskünften hat aber auch zur Folge, dass sich die Untergebenen und Bedienstete anderer Unternehmen, die beim Bau eingesetzt werden, auf Auskünfte des Bauführers verlassen können und grundsätzlich nicht verpflichtet sind, selbstständig Erhebungen anzustellen. Wenn der Beklagte daher den Baumeister Franz S***** persönlich befragte, konnte er sich auf dessen Auskunft verlassen, schon gar, wenn der Baumeister ihm noch einen Vorarbeiter zur Verfügung stellte, der die Trassenführung anzeigte und auch sonst nähere Anweisungen gab. Schon allein aus diesem Grunde kann dem Beklagten kein Verschulden zur Last fallen, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, der Beklagte hätte aus eigenem erkennen können, dass die ihm erteilte Auskunft unrichtig war. Allein die Tatsache, dass sich in der Nähe ein Elektromast befand, verpflichtete den Beklagten nicht zu näheren Erhebungen. Ebensowenig ist es von Bedeutung, dass der Beklagte vor der Beschädigung einen merkbaren Widerstand verspürt hatte, wenn er nicht mit dem Vorhandensein eines Kabels rechnen musste. Dass sich aber in einer Tiefe von 1,50 m ein Kabel befinden konnte, war bedeutungslos, wenn die größte Grabungstiefe 0,8 m betragen sollte; dass der Beklagte tiefer gegraben hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Unrichtig ist auch der Hinweis der Revision, die Auskunft des Baumeisters Franz S***** sei zu oberflächlich gewesen. Sie war deutlich genug, um den Beklagte davon überzeugen zu können, bei den durchzuführenden Arbeiten nicht ein Kabel der klagenden Partei beschädigen zu können.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E79607 1Ob628.77

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00628.77.0622.000

Dokumentnummer

JJT_19770622_OGH0002_0010OB00628_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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