TE OGH 1978/2/16 13Os14/78

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Veröffentlicht am 16.02.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Feber 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sulyok als Schriftführers in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Zell am See vom 20.April 1976, GZ. U 457/76-3, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Helmut A wegen § 88 Abs. 1 StGB., AZ. U 457/76 des Bezirksgerichtes Zell am See, verletzt die Strafverfügung dieses Gerichtes vom 20.April 1976, GZ. U 457/76-3, mit der Helmut A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen des § 88 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 StGB.

Diese Strafverfügung und alle darauf beruhenden Verfügungen werden

aufgehoben und es wird gemäß den § 288 Abs. 1 Z. 3, 292 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Der Antrag des öffentlichen Anklägers vom 23.März 1976 auf Bestrafung des Helmut A wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1

StGB. wird abgewiesen und das Verfahren eingestellt.

Text

Gründe:

Aus dem Akt AZ. U 457/76 des Bezirksgerichtes Zell am See ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

In den Vormittagsstunden des 26.Februar 1976 fuhr Helmut A, ein in Bad Reichenhall wohnhafter Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, im Schattberggebiet (Gemeinde Saalbach, Salzburg) als Schifahrer talwärts. Als er vier Schifahrer überholen wollte, setzte aus dieser Gruppe Walter B aus Wien zu einer größeren Rechtsschleife an; A konnte weder ausweichen noch bremsen, fuhr B von hinten nieder und kam auch selbst zum Sturz. Beide wurden hiebei verletzt. B trug Abschürfungen am linken Unterarm und eine Prellung des linken Oberschenkels davon; die Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit betrug weniger als drei Tage.

Der öffentliche Ankläger beim Bezirksgericht Zell am See stellte am 23. März 1976 Antrag auf Bestrafung des Helmut A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB.; zu Walter B gab er die Erklärung nach dem § 90 StPO. ab. Mit Strafverfügung vom 20.April 1976, GZ. U 457/76-3, verhängte das Bezirksgericht Zell am See über Helmut A wegen des genannten Vergehens nach dem § 88 Abs. 1 StGB. eine Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 170 S, im Nichteinbringlichkeitsfall fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe; die Verfahrenskosten wurden mit 300 S bestimmt. Die Strafverfügung wurde Helmut A im Rechtshilfeweg durch das Amtsgericht Laufen am 15.Juli 1976 zu eigenen Handen zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Die Strafverfügung vom 20.April 1976, GZ. U 457/76-3, steht mit der Bestimmung des § 88 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4

StGB. nicht im Einklang. Denn nach der letztzitierten Gesetzesstelle ist der Täter wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinn des § 88 Abs. 1 StGB. dann nicht zu bestrafen, wenn ihn 'kein schweres Verschulden (trifft)' und 'aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt'.

Rechtliche Beurteilung

Daß aus der inkriminierten Tat keine drei Tage übersteigende Gesundheitsstörung oder Berufsunfähigkeit des Walter B entstand, ergibt sich bereits aus der Gendarmerieanzeige, insbesondere der angeschlossenen Verletzungsanzeige des Dr. Ulf C vom 26.Februar 1976 (S. 11), weiters aus der Aussage des Verletzten (ONr. 13). Schweres Verschulden ist nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. ZVR. 1972/58, 1973/75, 119) nur dann zu bejahen, wenn dem Täter eine ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit zur Last liegt und der Eintritt des schädigenden Ereignisses als wahrscheinlich und nicht etwa bloß als entfernt möglich vorhersehbar war. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor:

Der Zusammenstoß der beiden Schifahrer ist nach den Gendarmerieerhebungen vor allem darauf zurückzuführen, daß Walter B gerade in jenem Augenblick weiter nach rechts ausschwang, als er von Helmut A überholt wurde. In der Fahrweise des Helmut A kann daher eine auffallende Sorglosigkeit nicht erblickt werden. Durch die Verurteilung des Helmut A wurde demnach das Gesetz in den Bestimmungen des § 88 Abs. 1

und Abs. 2 Z. 4 StGB. zu seinem Nachteil verletzt. Es hätte das Bezirksgericht Zell am See nach Lagerung des Falles von vornherein die Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn mit (gemäß § 481 StPO. anfechtbarem) Beschluß ablehnen müssen.

Aus diesen Erwägungen war über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu befinden.

Anmerkung

E01012

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00014.78.0216.000

Dokumentnummer

JJT_19780216_OGH0002_0130OS00014_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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