TE OGH 1978/3/21 11Os26/78

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Veröffentlicht am 21.03.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1978

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr.Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter, Dr.Friedrich, Dr.Schneider und Dr.Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr.Fahrensteiner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den § 15, 144 Abs.1, 145 Abs.1 Z 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12.Juli 1977, GZ 7 c Vr 568/75- 29, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr.Fürst, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22. November 1955 geborene Student Peter A des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den § 15, 144 Abs.1, 145 Abs.1 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er in Mattersburg versucht hat, nachstehend genannte Personen durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu Handlungen, die sie am Vermögen schädigen sollten, nämlich zur übergabe von Geldbeträgen, zu nötigen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern;

1. am 9. und 13.Juni 1975 den Michael B zur Übergabe von einer Million Schilling durch die Übersendung von zwei Briefen, in denen er die Hinterlegung dieses Betrages forderte, widrigens Michael B seine Familie verlieren würde, und darauf hinwies, daß ein Einschalten der Polizei Gleiches zur Folge hätte;

2. am 8. und 15.Juli 1975 den Franz C zur übergabe von 1,5 Millionen Schilling durch die übersendung von zwei Briefen, in denen er die Hinterlegung dieses Betrages unter der Drohung forderte, sonst - wie auch beim Einschalten der Polizei - koste es der Tochter des Franz C das Leben;

3. am 10.Juli 1975 die Anna D, verehelichte E, zur übergabe von 250.000 S durch die übersendung eines Briefes, in dem er diesen Betrag unter der Ankündigung weiterer Weisungen mit der Drohung forderte, Anna D würde sonst ihre Kinder verlieren. Von einem weiteren Anklagepunkt wurde Peter A gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner auf die Z 4, 5, 9 lit.c und 10

des § 281 Abs.1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte seinen Schuldspruch.

Als Verfahrensmangel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer die Ablehnung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Beiziehung eines zweiten (Schrift-) Sachverständigen.

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Verfahrensmangel ist nicht gegeben.

Vom Gericht ist grundsätzlich nur ein Sachverständiger beizuziehen (§ 118 Abs.1 StPO).

Der Beiziehung eines zweiten Sachverständigen bedarf es nur dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung erforderlich ist (§ 118 Abs.2 StPO), wenn der Befund oder das Gutachten dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen sind oder wenn das Gutachten Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen folgerichtig nicht gezogen werden können, und die bezüglichen Bedenken sich auch durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen nicht beseitigen lassen (§ 125 und 126 Abs.1 StPO).

Derartige Umstände vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Der Sachverständige Univ.Prof.Dr.Roland F hat sowohl in seinem schriftlichen Gutachten (ON 20 d.A.) als auch in dem von ihm in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten (Seiten 4 bis 25/II.Band) ausführlich und an Hand umfangreichen Vergleichsmaterials schlüssig dargelegt, daß die an Michael B gerichteten Briefe (Punkt 1 des Schuldspruches) mit höchster Wahrscheinlichkeit, die an Franz C (Punkt 2 des Schuldspruches) und an Anna D gerichteten Briefe (Punkt 3 des Schuldspruches) aber ohne jeden Zweifel von Peter A geschrieben worden sind und auch denkgesetzmäßig begründet, weshalb es keiner neuerlichen Schriftprobe des Angeklagten bedurfte. Daß der Angeklagte auch nach Vorhalt dieses Gutachtens bei seiner leugnenden Verantwortung geblieben ist, stellt entgegen dem Beschwerdevorbringen keinen Grund für die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen dar.

Durch die Ablehnung des in Rede stehenden Beweisantrages sind daher Prozeßgrundsätze, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, nicht hintangesetzt worden.

Als Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs.1

Z 5 StPO werden vom Angeklagten Undeutlichkeit und Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen sowie Angabe nur offenbar unzureichender Gründe geltend gemacht.

Die Mängelrüge erweist sich jedoch ebenfalls als nicht zielführend. Beim Vorbringen des Beschwerdeführers, Erpresser seien in ihrer Mehrzahl harte, gemütlose Menschen, ihm hingegen als weichem, empfindsamem, leicht depressiv neurotischem und mit seinen psychischen Spannungen nur schwer fertigwerdendem Menschen könne ein Verbrechen, das Härte und Gemütlosigkeit erfordere, nicht zugemutet werden, handelt es sich seiner Zielrichtung nach um einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und somit unbeachtlichen Angriff auf die erstrichterliche Beweiswürdigung.

In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige Dr.Rudolf G zudem bekundet, daß es kein allgemeines Bild eines Erpressers gibt (S.486/I.Band), was auch der forensischen Erfahrung entspricht. Mit der Verantwortung des Angeklagten, vor seiner am 16.Juli 1975 um ein Uhr nachts erfolgten Festnahme auf dem Weg zu seinem Freund Antonio H gewesen zu sein, bei Verrichtung seiner Notdurft zufällig das hinter dem zweiten Viaduktpfeiler hinterlegte Päckchen wahrgenommen und dasselbe nur aus Neugierde aufgehoben zu haben, setzt sich das Erstgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils ohnehin auseinander, lehnt diese Verantwortung aber mit der schlüssigen Begründung ab, daß der Angeklagte in diesem Fall nach Ansichnahme des Päckchens statt umzukehren zu seinem angeblichen Ziel weitergegangen wäre (Seiten 41-42/ II.Band). Davon abgesehen wäre das vom Angeklagten behauptete Vorhaben, sich zum Haus seines Freundes zu begeben, um dessen Fahrrad zu zerlegen, mit der Absicht, unterwegs an der im Erpresserbrief angegebenen Stelle nach hinterlegtem Geld Ausschau zu halten, ohneweiters vereinbar.

Einen Subsumtionsirrtum im Sinne des § 281

Abs.1 Z 10 StPO erblickt der Angeklagte darin, daß die ihm zur Last gelegten Handlungen zu Unrecht als (versuchte) schwere Erpressung nach dem § 145 Abs.1

Z 1 StGB qualifiziert worden seien, und vermeint, der Inhalt der inkriminierten Schreiben reiche nicht aus, um die Annahme einer 'Drohung mit dem Tod' zu begründen.

Auch die Rechtsrüge versagt.

Einer schweren Erpressung nach den § 144 Abs.1, 145 Abs.1 Z 1 StGB macht sich u.a. schuldig, wer jemanden durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, wenn er mit dem Vorsatz gehandelt hat, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern.

Unter gefährlicher Drohung ist eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen zu verstehen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen, ohne Unterschied, ob das angedrohte übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist (§ 74 Z 5 StGB). Die Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist objektiv zu beurteilen; maßgeblich ist, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten übels erwarten, d.h. den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, die angedrohten Folgen tatsächlich herbeizuführen; daß eine solche Besorgnis auch wirklich erweckt wurde, ist nicht erforderlich (ÖJZ-LSK 1976/192). Gefährliche Drohung mit dem Tod liegt sohin vor, wenn der Täter in dem Bedrohten wirklich Furcht vor einem Anschlag auf sein Leben oder das Leben seiner Angehörigen oder anderer unter seinen Schutz gestellter oder ihm persönlich nahestehender Personen hervorrufen wollte und die Drohung auch objektiv geeignet war, dem Bedrohten solche Besorgnis einzuflößen (vgl. ÖJZ-LSK 1977/97). Daß schriftliche Drohungen wie 'Ansonsten verlieren Sie Ihre Familie', '.... kostet Ihrer Tochter das Leben' und '.... sonst verlieren Sie Ihre Kinder' als Morddrohungen aufzufassen sind und von den Bedrohten auch als solche verstanden werden sollten, konnte das Erstgericht schon auf Grund des - zumal in Verbindung mit den gleichzeitig gestellten Geldforderungen - klaren Wortsinns als erwiesen ansehen. Desgleichen erübrigten sich besondere Erörterungen über die auf der Hand liegende objektive Eignung solcher von unbekannter Seite kommender, gegen die nächsten Familienangehörigen gerichteter Morddrohungen, deren Adressaten eine Verwirklichung des angedrohten übels besorgen zu lassen, in welchem Zusammenhang vom Erstgericht - in Einklang mit den Verfahrensergebnissen (Seiten 27- 29, 31, 59, 66 und 73/I.Band) - festgestellt wurde, daß Michael B, Drohungen durchaus ernst g Drohungen durchaus ernst genommen und mit Angriffen auf ihre Angehörigen gerechnet haben (Seiten 32-34/ II.Band).

Daß die Bedrohten dabei auch für das Leben ihrer Angehörigen gefürchtet haben, wie Franz C und Anna D ausdrücklich angaben (Seiten 59 und 65/I.Band), bedurfte insofern keiner besonderen Feststellung, als die Eignung von Morddrohungen als solche ebenfalls nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist.

Die Ernstlichkeit der vom Angeklagten gebrauchten Drohungen ergibt sich zwangsläufig schon aus dem vom Erstgericht mit schlüssiger Begründung festgestellten Bereicherungsvorsatz des Angeklagten (Seiten 42-43/II.Band); konnte doch der Angeklagte, der auch in dem von ihm genannten Versteck Nachschau hielt, die von ihm verfolgten finanziellen Ziele nur erreichen, wenn seine Drohungen von den Adressaten auch ernst genommen wurden.

Schließlich rügt der Angeklagte unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit.c des § 281

Abs.1 StPO noch, daß bei der Hauptverhandlung als Vertreter der Staatsanwaltschaft ein Richteramtsanwärter eingeschritten und die Anklage sohin nicht in der erforderlichen Form vertreten worden sei. Dabei verkennt der Beschwerdeführer jedoch das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes, welcher lediglich das Verhältnis der öffentlichen zur Privatanklage betrifft und dann gegeben ist, wenn das Urteil infolge unrichtiger Beurteilung der Anklagetat rechtsirrig eine öffentliche oder eine private Anklage für notwendig oder nicht notwendig hält oder dem Ankläger rechtsirrig das Strafanklagerecht zu- oder aberkannt wird (Foregger-Serini, Strafprozeßordnung2, S.294;

ÖJZ-LSK 1976/134).

Daß die Anklageerhebung im vorliegenden Fall zu Recht durch den öffentlichen Ankläger erfolgte, wird vom Beschwerdeführer nicht bezweifelt. In dem Umstand, daß sich der Staatsanwalt (§ 29 StPO) in der Hauptverhandlung von einem der Staatsanwaltschaft zugeteilten Richteramtsanwärter vertreten ließ, ist weder der angerufene noch sonst ein Nichtigkeitsgrund zu ersehen.

Da sich somit auch diese Rüge als unbegründet erweist, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter A zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 145 Abs.1 StGB, unter Anwendung des § 28 StGB, eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 Jahr.

Bei der Strafbemessung wertete es die Wiederholung der Erpressungsversuche sowie den beabsichtigten hohen Schaden als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, dessen Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit, das Teilgeständnis vor der Gendarmerie sowie den Umstand als mildernd, daß es beim Versuch geblieben ist.

Peter A strebt mit seiner Berufung die Herabsetzung des Strafausmaßes unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes sowie die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig

festgestellt und auch zutreffend gewürdigt.

Es fand somit ein Strafmaß, das sowohl dem Unrechtsgehalt der Tathandlungen als auch dem Verschulden und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten durchaus gerecht wird. Der Berufung ist zwar zuzugeben, daß der Angeklagte zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, psychisch labil und unbescholten war; dennoch darf nicht übersehen werden, daß er durch seine Todesdrohungen 3 Familien in begründete Angst und Sorge versetzt und seine auf die Herbeiführung beträchtlicher Vermögensschädigungen gerichteten Absichten durch rund fünf Wochen hindurch mit Konsequenz und Hartnäckigkeit verfolgt hat. Selbst durch die im Zusammenhang mit seiner ersten Erpressung an Michael B erfolgte Festnahme zweier unbeteiligter Personen ließ er sich nicht von der Begehung weiterer Erpressungen abhalten und versuchte auch noch nach seiner vorübergehenden eigenen Festnahme sich durch die an den evangelischen Pfarrer von Pöttelsdorf gerichteten anonymen Schreiben, in denen er seinen Selbstmord androhte, zu bereichern. Bei dieser Sachlage war, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, für die Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe im Wege der außerordentlichen Strafmilderung kein Raum.

Der erhebliche Mangel des Angeklagten an Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten und damit der Grad der Vorwerfbarkeit seines deliktischen Verhaltens, die Schwere der versuchten Rechtsgutbeeinträchtigungen und deren artbedingter hoher sozialer Störwert ließen auch die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht nicht vertretbar erscheinen.

Der in jeder Richtung unbegründeten Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01054

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00026.78.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19780321_OGH0002_0110OS00026_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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