TE OGH 1978/5/31 10Os61/78

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Veröffentlicht am 31.05.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Klumair als Schriftführer in der Strafsache gegen Roland A wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs. 1 StGB. über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Jänner 1978, GZ. 1 d Vr 9595/77-15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schmid und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Roland A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 23. Juni 1977 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Karl Rudolf B durch die Drohung, er werde die Militärstreife verständigen und ihn anzeigen, falls er nicht 'einige Tausender' bezahle, sohin durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, die ihn am Vermögen schädigen sollte, nämlich der Zahlung eines der Höhe nach nicht genau bestimmten Geldbetrages, zu nötigen versucht und habe hiedurch das Verbrechen der versuchten Erpressung nach den § 15, 144 Abs. 1 StGB. begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.April 1957 geborene Buchdrucker Roland A abweichend von der auf das Verbrechen der versuchten Erpressung nach den § 15, 144 Abs. 1 StGB. lautenden Anklage des Vergehens der versuchten Nötigung nach den § 15, 105 Abs. 1

StGB. schuldig erkannt, weil er am 23.Juni 1977 in Wien versucht habe, den Karl Rudolf B durch gefährliche Drohung, indem er ihm mit einer Anzeige drohte, zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen der Wohnung der Margarete C, zu nötigen.

Gemäß den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte Roland A der frühere Lebensgefährte der Margarete C und hat im Tatzeitpunkt noch in der auf Margarete C geschriebenen Wohnung, für deren Erwerb er finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hatte, gewohnt. Am Abend des 23.Juni 1977 kam Margarete C mit ihrem neuen Freund, dem Bundesheerangehörigen Karl Rudolf B, in die Wohnung, in der sich gerade der Angeklagte und dessen Freund Gerhard D befanden. Bei dieser Gelegenheit sagte der Angeklagte zu Karl Rudolf B - auf den er eifersüchtig war - wenn er sich nicht 'schleiche', werde er die Anzeige erstatten, und warf ihm vor, beim Bundesheer Patronen gestohlen zu haben, die er (Beschwerdeführer) in der Wohnung gefunden habe. In der Hauptverhandlung verantwortete sich der Angeklagte ebenso wie im Vorverfahren damit, Karl Rudolf B tatsächlich für den Dieb gehalten und angenommen zu haben, daß dieser die Munition in die Wohnung gebracht hatte. Die Darstellung des Angeklagten, ganz davon überzeugt gewesen zu sein, nur B sei als Täter des Munitionsdiebstahls in Frage gekommen, konnte nach Auffassung des Schöffensenats nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, weil der Freund des Angeklagten Gerhard D ebenfalls Gelegenheit gehabt hätte, zu solcher Munition zu kommen; das Erstgericht hielt es durchaus für möglich, daß B 'hereingelegt' werden sollte.

In rechtlicher Beziehung vertrat das Gericht die Auffassung, daß dem Angeklagten der Rechtfertigungsgrund des § 105 Abs. 2 StGB. nicht zugute komme, weil er kein Recht gehabt habe, jemanden, der mit Margarete C gekommen war, aus deren Wohnung zu weisen, weil es zudem gar nicht feststehe, daß Karl Rudolf B die Patronen tatsächlich in die Wohnung gebracht hatte, und weil die (angedrohte) Anzeige mit dem geforderten Verhalten in keinerlei Relevanz - gemeint in keinem inneren Zusammenhang - gestanden sei.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Roland A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5

und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er unter Anrufung des letzteren - materiellrechtlichen - Nichtigkeitsgrundes geltend macht, den Urteilsfeststellungen zufolge zwar nicht Mieter, wohl aber rechtmäßiger Besitzer und Mitbenützer der Wohnung gewesen zu sein, dem das Recht zugestanden werden müsse, in Ausübung des Hausrechts einen Fremden, der Diebsgut in die von ihm benützte Wohnung gebracht hatte, notfalls auch unter Androhung einer Anzeige aus dieser Wohnung zu weisen. Zu einer solchen Anzeige sei er nicht nur berechtigt gewesen, wenn er die Täterschaft des Angezeigten für erwiesen hielt, sondern bereits dann, wenn ein begründeter Verdacht bestand.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Einer Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. macht sich schuldig, wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Die Tat ist jedoch nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet (§ 105 Abs. 2 StGB.).

Rechtliche Beurteilung

Von der Rechtsprechung (SSt. 21/43) wurde schon zum § 98 StG. die Rechtswidrigkeit einer Willensbeugung durch Gewalt oder gefährliche Drohung zur Erzwingung einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verneint, wenn der Handelnde (1.) ein Recht auf das geforderte Verhalten hatte, (2.) ein rechtlich zulässiges Mittel anwandte und

(3.) ein innerer Zusammenhang (Konnexität) zwischen dem Verlangten und dem angewendeten Mittel (SSt. 17/89) bestand. Von dieser Auffassung geht auch die Bestimmung des § 105 Abs. 2 StGB. aus, die auf den allgemeinen Wertmaßstab der guten Sitten zurückgreift und der zufolge nicht gesetzwidrig handelt, wer sich zur Durchsetzung eines berechtigten oder vermeintlichen Anspruches eines sittlich erlaubten Mittels bedient (vgl. Foregger-Serini, StGB.2, Seite 196; Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, Seite 530). Den Gründen des angefochtenen Urteils ist nun zu entnehmen, daß der Angeklagte Roland A, der nach der Aktenlage als Untermieter polizeilich gemeldet war (S. 21), rechtmäßiger Mitbenützer der Wohnung gewesen ist.

Des weiteren geht aus den Entscheidungsgründen hervor, daß das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten, Karl Rudolf B für den Dieb gehalten zu haben und überzeugt gewesen zu sein, jener habe die gestohlene Munition in die Wohnung gebracht, zumindest nicht als widerlegt angesehen hat (S. 57).

Da jedoch im Zweifelsfall, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, stets von der dem Angeklagten günstigeren Annahme auszugehen ist (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Entscheidung Nr. 42 zu § 258 StPO.;

Foregger-Serini, StPO. 1975, S. 252), ist unbeschadet der in den Entscheidungsgründen aufgezeigten möglichen Varianten (Seite 58) der rechtlichen Beurteilung die Annahme zugrunde zu legen, daß der Angeklagten den Karl Rudolf B für den Dieb gehalten hat und davon überzeugt gewesen ist, daß die Munition vom Genannten in die Wohnung gebracht worden war.

Die vom Erstgericht vertretene Auffassung, daß nur ein erwiesener Sachverhalt zur Erstattung einer Anzeige berechtige, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Zur Erstattung einer Strafanzeige ist jedermann berechtigt, der von einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat Kenntnis erlangt (§ 86 Abs. 1 StPO.).

Strafgesetzlicher Ahndung unterliegt der Anzeiger nur, wenn er dabei wider besseres Wissen vorgegangen ist (SSt. 26/70 u.v.a.), sonst nicht einmal dann, wenn die auf Grund der Anzeige durchgeführten Erhebungen zu einem anderen Ergebnis führen, weil man von einer einen Verdacht schöpfenden Privatperson nicht schon jenen Grad von Gewißheit voraussetzen darf, dessen Erzielung erst jene Untersuchungshandlungen dienen, zu deren Einleitung die betreffende Strafanzeige Anlaß gegeben hat (vgl. Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozeßrecht, Seite 343).

Schließlich ist dem Beschwerdeführer auch darin beizupflichten, daß es dem rechtmäßigen Benützer einer Wohnung nicht verwehrt sein kann, einen tatsächlichen oder vermeintlichen Dieb, der Diebsgut in die Wohnung gebracht und dort aufbewahrt hatte, aus der Wohnung zu weisen, wobei es keine Rolle spielt, ob der Angeklagte ein solches Verlangen gegen den Willen der Wohnungsinhaberin hätte durchsetzen können und wieweit er sich dazu von seiner Eifersucht auf Karl Rudolf B bestimmen ließ.

Da unter diesen Umständen auch ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verlangen des Angeklagten und der von ihm gebrauchten Drohung zu bejahen ist, zumal die von ihm angekündigte Anzeigeerstattung zur Aufklärung der Herkunft der in Rede stehenden Munition hätte führen können, kommt dem Angeklagten der Auffassung des Erstgerichtes zuwider der Rechtfertigungsgrund nach § 105 Abs. 2 StGB. zustatten.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das

angefochtene Urteil aufzuheben und der Beschwerdeführer von der

wider ihn erhobenen Anklage gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freizusprechen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte sohin auf die vorstehende Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01304

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00061.78.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19780531_OGH0002_0100OS00061_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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