TE OGH 1978/5/31 10Os69/78

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Veröffentlicht am 31.05.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Klumair als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 27. Jänner 1978, GZ. 6 b Vr 31/78-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Grohmann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.April 1928 geborene beschäftigungslose Rudolf A des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach den § 15, 127

Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und des Vergehens der versuchten Nötigung nach den § 15, 105 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilfeststellungen begab sich der Angeklagte am 11.Oktober 1977 gegen 14 Uhr zu der in Wien 9., X-straße 19/2/1/42 befindlichen Wohnung der Pensionistin Maria B, um durch Einbruch Geld oder andere verwertbare Gegenstände zu erbeuten. Da sich an dem an der Türfüllung befindlichen Briefkasten bereits eine größere Menge von Werbedrucksorten angesammelt hatte, entstand für jedermann, der die Wohnungstür von außen sah, der Eindruck, daß diese Wohnung längere Zeit nicht benützt worden ist. Auf eine nicht näher festgestellte Weise - etwa durch Eintreten der Tür mit dem Fuß - gelang es dem Angeklagten, die linke Türfüllung der Wohnungseingangstür im Ausmaß von 115 x 30 cm aus dem Holzrahmen zu drücken, sodaß eine entsprechend große Öffnung in der Tür entstand. Den hiebei verursachten schußähnlichen Knall vernahm der die Wohnungen Nr. 40 bis 45 dieses Hauses bewohnende Musiker Karl C, der sich gerade einige Minuten in der Wohnung Nr. 40 aufgehalten und zunächst nur durch die Glastür auf dem Gang einen Schatten bemerkt hatte. Er ging sofort auf den Gang hinaus und sah den Angeklagten, der sich etwa einen Schritt von der Wohnungstür der Maria B aufhielt, an der bereits das Loch in der Türfüllung sichtbar war. Zur Rede gestellt, behauptete der Angeklagte, er suche einen 'gewissen E', worauf C ihm vorhielt, er habe eben die Füllung der Wohnungstür Nr. 42

eingetreten. Als der Angeklagte dies bestritt, ersuchte C seine Gattin, die sich inzwischen auch auf den Gang begeben hatte, die Polizei zu verständigen. Nun trachtete der Angeklagte, zum Stiegenabgang zu gelangen, schob den sich ihm in den Weg stellenden C zur Seite und flüchtete.

Auf der Flucht stieß er gegen einen Flügel der in den Hof des Hauses führenden Glastür, zerschlug zwei Scheiben und zog sich eine blutende Verletzung an der rechten Hand zu. Er lief über den Hof in Richtung zum Hauseingang auf die X-straße weiter. Plötzlich drehte er sich zu dem ihn verfolgenden und allmählich näherkommenden C um und rief ihm zu: 'Wennst mir weiter nochrennst, schiaß i di nieder' Wegen dieser Worte befürchtete C tatsächlich, der Angeklagte könnte gegen ihn tätlich werden; er verfolgte ihn zwar weiter, ließ aber nun zwischen sich und diesem eine Distanz von vier bis fünf Metern. Schließlich gelang es der inzwischen verständigten Polizei, den Angeklagten festzunehmen.

Dieser verantwortete sich dahin, er habe nicht in der Wohnung der B einbrechen wollen, sondern nur einen gewissen 'D' oder 'E' gesucht, von dem er gesprächsweise gehört habe, daß er im gegenständlichen Haus eine Wohnung zu vergeben hätte. Er habe zwar einen lauten Knall gehört und dann auch die Beschädigung an der Türfüllung bemerkt, diese aber nicht verursacht.

Die inkriminierte Drohung stellte er gleichfalls in Abrede. Diese Verantwortung erachtete das Erstgericht auf Grund der Verfahrensergebnisse, insbesonders der als glaubwürdig und widerspruchsfrei beurteilten Aussage des Zeugen C, als widerlegt, und es gelangte sohin zu den eingangs erwähnten Schuldsprüchen. Diese bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Unter Anrufung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrunds macht der Beschwerdeführer geltend, das angefochtene Urteil sei in Ansehung des Diebstahlsfaktums mangelhaft begründet. Das Erstgericht stütze diesen Schuldspruch allein auf die Aussage des Zeugen C, lasse hiebei aber unberücksichtigt, daß er, folge man dieser Aussage, in einem Zeitraum von nur einigen Sekunden - und nicht, wie das Erstgericht aktenwidrig festgestellt habe, von drei Minuten - an der Wohnungstür Nr. 40 vorbeigegangen, eine Strecke von acht bis zehn Metern zur Wohnungstür der B zurückgelegt, die Einbruchsmöglichkeit abschätzt und die Füllung dieser (nur mit einem Zylinderschloß versehenen, durch einen an der Innenseite befindlichen Drehknopf zu öffnenden) Tür eingedrückt haben müßte.

Da überdies nicht auszuschließen sei, daß eine Beschädigung dieser Wohnungstür bereits vor seinem Eintritt in das Haus vorhanden gewesen und dies dem Zeugen C nur zunächst nicht aufgefallen sei, sei die vom Erstgericht für die Annahme seiner Täterschaft gegebene Begründung nicht überzeugend.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge versagt.

Den Beschwerdeausführungen zuwider hat sich das Erstgericht mit allen wesentlichen Verfahrensergebnissen ausführlich auseinandergesetzt, in denkgesetzlich einwandfreier Weise dargetan, warum es der Aussage des Zeugen C Glauben schenkte und, dessen Darstellung folgend, zur überzeugung gelangte, daß die Möglichkeit, jemand anderer als der Angeklagte könnte die Beschädigung der Wohnungstüre der B verursacht haben, auszuschließen ist. Die in diesem Zusammenhang wesentliche Feststellung, daß vom Zeitpunkt, als sich C von der Wohnung Nr. 45 in die Wohnung Nr. 40 begab, ohne hiebei Wahrnehmungen betreffend eine Beschädigung der Wohnungstür Nr. 42 oder die Anwesenheit einer anderen Person am Gang zu machen, bis zu jenem Moment, in dem er von der Wohnung Nr. 40 aus einen Schatten auf dem Gang bemerkte und - einige Sekunden später - einen Knall hörte, etwa drei Minuten vergingen und dem Angeklagten demnach ein hinreichender Zeitraum zur Vorbereitung und begonnenen Ausführung seines Einbruchs zur Verfügung stand, ist durch die Aussage des genannten Zeugen gedeckt (S. 27, 102). Die Annahme der Täterschaft des Angeklagten findet damit in den vom Erstgericht dargelegten Umständen eine den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende, zureichende Begründung. Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber die Beweiskraft der Aussage des Zeugen C in Zweifel zieht, bekämpft er daher nur in unzulässiger und sohin unbeachtlicher Weise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wegen versuchter Nötigung zunächst mit dem Einwand, eine Nötigung durch gefährliche Drohung zur Duldung seiner Flucht stelle keinen Eingriff in subjektive Rechte des Zeugen C dar; dieser sei nicht berechtigt gewesen, ihn an seinem Vorhaben, eine Konfrontation mit der Polizei zu vermeiden und den Ort des Geschehens zu verlassen, zu hindern und durch Anwendung physischer Gewalt festzuhalten. Hiebei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß unter dem Gesichtspunkt des § 105 StGB. das abgenötigte bzw. erst abzunötigende Verhalten keine besondere rechtliche Relevanz haben muß. Zudem bestanden für C hinreichende Gründe, anzunehmen, A werde eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung ausführen, weshalb der Zeuge gemäß dem § 86 Abs. 2 StPO. berechtigt war, A auf angemessene Weise anzuhalten. Der Zeuge C hat sonach in Ausübung seines ihm nach dem Gesetz zustehenden Anhaltungsrechts gehandelt und dieses auch nicht überschritten; der Versuch des Angeklagten, ihn durch gefährliche Drohung zur Duldung der Flucht und zur Aufgabe einer weiteren Verfolgung zu nötigen, stellt daher ein nach den § 15, 105 Abs. 1 StGB. tatbestandsmäßiges und auch rechtswidriges (§ 105 Abs. 2 StGB.) Verhalten dar.

Unstichhältig ist ferner der in der Rechtsrüge erhobene Beschwerdeeinwand, der Zeuge C habe die inkriminierte Drohung nicht ernst genommen, weil er von einer weiteren Verfolgung nicht abgelassen habe. Eine gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Z. 5 StGB. setzt nur voraus, daß die Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen objektiv geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder auf die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen;

daß durch die Drohung wirklich Besorgnis erweckt wurde, ist nicht erforderlich. Vorliegend hat nun das Erstgericht festgestellt, daß der Bedrohte nach dem Wortlaut der Drohung und nach der gesamten Situation den Eindruck haben mußte, der Angeklagte sei willens und in der Lage, wenn schon nicht von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, so doch (gleichfalls Verletzungen nahelegende) Tätlichkeiten zu setzen (S. 121) und damit das Vorliegen der objektiven Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, frei von Rechtsirrtum bejaht.

Im übrigen hat das Erstgericht mit mängelfreier Begründung angenommen, daß der Zeuge C wirklich Tätlichkeiten des Angeklagten gegen ihn befürchtete (S. 113 f.);

dem im Urteil dargelegten Umstand, daß er deshalb bei der Verfolgung des Angeklagten einen gewissen Abstand einzuhalten trachtete, steht nicht entgegen, daß infolge körperlichen Kontakts mit dem Täter während der Verfolgung - möglicherweise schon bei dem der Drohung vorangegangenen Anhaltungsversuch - auf die Kleidung des Zeugen Blutspuren gelangten (vgl. S. 27 f., 101).

Dem angefochtenen Urteil haftet demnach auch im Schuldspruch Punkt 2 weder ein Rechtsirrtum noch ein den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. verwirklichender Begründungsmangel an. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Rudolf A gemäß § 129 StGB. unter Bedachtnahme des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Hiebei waren die zahlreichen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen des Angeklagten, dessen rascher Rückfall nach der letzten Strafverbüßung (am 2.Juli 1976) und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (§ 28 StGB.) erschwerend; als mildernd wurden die, durch die Krankheit des Täters bedingte Notlage (beschränkte Arbeitsfähigkeit) und der Umstand berücksichtigt, daß es in beiden Fällen beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt Rudolf A eine Strafermäßigung an. Die Berufung ist unbegründet.

Die in der Berufungsschrift als zusätzlicher Milderungsgrund geltend gemachte 'gewisse Unbesonnenheit' kann bei der urteilsmäßig festgestellten Vorgangsweise des Diebstahlversuchs nicht angenommen werden und tritt bei der versuchten Nötigung hinter die Bedeutung der genügend bekannten verbrecherischen Typizität der ausgestoßenen Drohung zurück. Sein, vom Berufungswerber weiters ins Treffen geführter angegriffener Gesundheitszustand, ist ohnedies schon in erster Instanz in der Form der krankheitsbedingten eingeschränkten Arbeitsfähigkeit als mildernd berücksichtigt worden. Die aus acht Vorverurteilungen resultierende bisherige Gesamtstrafsumme des Berufungswerbers von bisher siebzehn Jahren, neun Monaten, einer Woche und fünf Tagen weist ihn als eine schwer kriminell geprägte Persönlichkeit aus. Zieht man dazu in Betracht, daß sämtliche Vorstrafen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen und daß dem Berufungswerber auch ein verhältnismäßig rascher Rückfall zur Last fällt, so ist die verhängte Strafe eher als mild bemessen anzusehen. Für eine Strafherabsetzung bleibt daher kein Raum.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01303

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00069.78.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19780531_OGH0002_0100OS00069_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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