TE OGH 1978/6/29 12Os85/78

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Veröffentlicht am 29.06.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Haindl als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz - Land vom 23.Jänner 1978, AZ. 3 U 1630/77, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Alois A wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 StGB, AZ. 3 U 1630/77

des Bezirksgerichtes Linz-Land, ist durch den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 23.Jänner 1978, mit welchem dem Subsidiarantrag der Privatbeteiligten Ernestine A Folge gegeben und der Akt gemäß dem § 450 StPO der Staatsanwaltschaft Linz abgetreten wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 449 StPO verletzt. Der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 23.Jänner 1978 sowie die auf diesem Beschluß beruhenden richterlichen Verfügungen werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Der Subsidiarantrag der Privatbeteiligten Ernestine A vom 27. Dezember 1977 wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Vom Gendarmeriepostenkommando Ansfelden wurde am 3.November 1977 gegen die Eheleute Alois und Ernestine A Strafanzeige wegen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 StGB erstattet. Dieser am 7.November 1977 bei Gericht eingelangten Anzeige zufolge haben Alois und Ernestine A am 15.August 1977 in ihrer Wohnung in Ansfelden einander mit den Händen geschlagen, gestoßen und gebissen, wobei Alois A laut ärztlicher Bestätigung einen Bluterguß und Bißverletzungen am Oberarm sowie einen Kratzeffekt am Ellbogen und Ernestine A laut Verletzungsanzeige des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz eine Commotio cerebri sowie eine Excoreation des rechten Ringfingers erlitt; der Grad ihrer Verletzungen wird als leicht bezeichnet. Auf der Gendarmerie hat Ernestine A am 8.September 1977 angegeben, sie hätte auf Anraten des Arztes einige Tage im Krankenhaus bleiben sollen, habe aber einen Revers unterschrieben und anschließend zu Hause drei Tage im Bett bleiben müssen; nach den drei Tagen habe sie nur die leichteste Hausarbeit verrichten können, da sie noch immer leicht benommen gewesen sei, welcher Zustand insgesamt ca. eine Woche gedauert habe. Auf Grund dieses aus der Anzeige ON 2 der Akten 3 U 1630/77 des Bezirksgerichtes Linz-Land ergebenden Sachverhalts wurde vom Bezirksanwalt am 5.Dezember 1977 beantragt, das Gericht möge feststellen, daß bei Alois und Ernestine A die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen, worauf das Strafverfahren vom Bezirksgericht Linz-Land mit Beschluß vom 5.Dezember 1977 hinsichtlich beider Beschuldigten gemäß dem § 451 Abs. 2 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB eingestellt worden ist.

Dieser Beschluß ist unangefochten rechtskräftig geworden. Am 29.Dezember 1977 langte beim Bezirksgericht Linz-Land eine als 'Antrag gemäß § 48 StPO' bezeichnete und mit 27.Dezember 1977 datierte Eingabe der Ernestine A ein, die sich dem Strafverfahren gegen ihren Ehegatten als Privatbeteiligte angeschlossen hatte und nunmehr unter Hinweis auf den Akteninhalt, insbesondere die Verletzungsanzeige des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz vom 16.August 1977 und ihre seinerzeitige Aussage, die Einleitung der Voruntersuchung gegen Alois A beantragte. Diesem Subsidiarantrag der Privatbeteiligten Ernestine A wurde vom Bezirksgericht Linz -Land mit Beschluß vom 23.Jänner 1978 Folge gegeben und der Akt unter Hinweis auf die im Subsidiarantrag angeführten Verletzungen der Ernestine A gemäß § 450 StPO der Staatsanwaltschaft Linz abgetreten.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 23.Jänner 1978 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Im Verfahren vor den Bezirksgerichten kann der Privatbeteiligte den Antrag auf gesetzliche Bestrafung des Beschuldigten wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung stellen, wenn der zu den Verrichtungen der Staatsanwaltschaft berufene Beamte die Verfolgung verweigert hat (§ 449 StPO).

Von einer Verweigerung der Verfolgung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der öffentliche Ankläger von einer prozessual noch zulässigen Verfolgung des Beschuldigten Abstand nimmt - mit anderen Worten: auf eine mögliche Verfolgung des Beschuldigten verzichtet. Dies ist jedoch bei einer gerichtlichen Beschlußfassung nach § 451 Abs. 2 StPO nicht der Fall.

Gemäß § 42 Abs. 2 StGB ist die Entscheidung, ob die Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 StGB vorliegen, dem Gericht vorbehalten und das Verfahren gegebenenfalls unabhängig von der Lage, in der es sich befindet, zu beenden. Für das bezirksgerichtliche Verfahren bestimmt § 451 Abs. 2 StPO, daß der Richter, wenn er sich vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB überzeugt, das Verfahren mit Beschluß einzustellen hat, und zwar unbeschadet des Umstandes, ob der öffentliche Ankläger einen Verfolgungsantrag gestellt, bzw. eine Einstellungserklärung abgegeben hat (RZ 1977/127).

Hat aber das Gericht die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) rechtskräftig festgestellt, so ist damit nicht nur die Verfolgbarkeit der betreffenden Tat durch den öffentlichen Ankläger aufgehoben, sondern auch das (subsidiäre) Verfolgungsrecht des Privatbeteiligten erloschen. Eine (ordentliche) Wiederaufnahme des Strafverfahrens käme nur - auf Antrag - unter den Voraussetzungen des § 352 (480 Abs. 1) StPO in Betracht.

Der Subsidiarantrag der Privatbeteiligten Ernestine A war unzulässig, sodaß der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 23. Jänner 1978 gegen die Bestimmungen des § 449 StPO verstößt. Die Gesetzesverletzung gereicht dem Beschuldigten Alois A zum Nachteil. über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber kann noch bemerkt werden, daß es nach der Aktenlage auch an Anhaltspunkten dafür fehlt, daß zur Durchführung des Strafverfahrens gegen Alois A der Gerichtshof erster Instanz zuständig gewesen wäre.

Anmerkung

E01351

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00085.78.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19780629_OGH0002_0120OS00085_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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