TE OGH 1978/7/19 10Os27/78

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Veröffentlicht am 19.07.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Juli 1978 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Keller, Dr. Bernardini, Dr. Müller und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A wegen des Verbrechens nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengericht vom 6.Dezember 1977, GZ 14 Vr 1243/77-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lampelmayer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Günther A habe das Verbrechen nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. - Punkt I des Urteilssatzes - als Mitglied einer Bande begangen, gemäß § 290 Abs 1 StPO

überdies im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der in den Punkten II, III und IV des Urteilssatzes bezeichneten Taten und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Günther A hat durch die in den Punkten II, III und IV des Urteilssatzes bezeichneten Taten das teils vollendete, teils versuchte Vergehen nach § 9 Abs 1 Z. 1

und 2 SuchtgiftG. in Verbindung mit § 15 StGB begangen. Er wird hiefür und für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs zu Punkt I des Urteilssatzes zur Last fallende Verbrechen nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG.

gemäß dem ersten Strafsatz dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren sowie gemäß § 6 Abs 4 SuchtgiftG. zu einer Geldstrafe (Verfallsersatzstrafe) von 20.000 (zwanzigtausend) Schilling, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 2 StGB wird die Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 38 StGB wird die Vorhaft vom 4.September 1976, 10,30 Uhr, bis 25.November 1976, 10,30 Uhr, auf die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe angerechnet.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Juni 1952 geborene Vertreter Günther A im Punkt I des Urteilsspruchs des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. schuldig erkannt, weil er in der Zeit vom Oktober bis Dezember 1975 in Gmunden und an anderen Orten vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er mindestens 7,5 Kilogramm Haschisch an zwei unbekannte Suchtgifthändler aus Salzburg und mindestens 0,5 Kilogramm Haschisch an Hermann B veräußerte, wobei er dieses Verbrechen nach den Urteilsannahmen als Mitglied einer Bande beging.

Außerdem wurde dem Angeklagten in den Punkten II und III des Schuldspruchs das teils vollendete, teils versuchte Vergehen nach § 9 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. in Verbindung mit § 15 StGB zur Last gelegt, weil er von Ende 1975 bis Anfang August 1976 mehrmals geringere Mengen Haschisch, Morphium und Heroin unberechtigt erwarb und besaß, letzteres auch durch Vermittlung des gesondert verfolgten Friedrich C zu erwerben versuchte, sowie im Punkt IV des Schuldspruchs das Vergehen nach § 9 Abs 1 Z. 1 SuchtgiftG., weil er dem zum Suchtgiftbezug nicht berechtigten Othmar D um die Jahreswende 1975/76 Haschisch und im Sommer 1976 Heroin jeweils in geringerer Menge überließ.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich lediglich gegen den Ausspruch über die bandenmäßige Begehung des Suchtgiftverbrechens nach Abs 1 und gegen die Verurteilung zu einer Geldstrafe (Verfallsersatzstrafe) nach Abs 4 des § 6 SuchtgiftG.; sie wird auf Z. 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO , sachlich auf Z. 5, 10 und 11 dieser Gesetzesstelle gestützt.

Schon die sachlich aus § 281 Abs 1 Z. 10 StPO erhobene Rechtsrüge gegen die Urteilsannahme, daß das Verbrechen nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. vom Beschwerdeführer als Mitglied einer Bande begangen wurde, ist im Ergebnis berechtigt.

Zwar setzt das Bestehen einer Bande im Sinn der einschlägigen Gesetzesbestimmungen - so auch des § 6 Abs 1

SuchtgiftG. - keineswegs etwa einen besonderen Organisationsgrad voraus (SSt. 41/18 u.a.); es kommt daher nicht darauf an, ob das vereinbarte Zusammenwirken des Angeklagten mit Wolfgang E, von dem er Haschisch bezog, und den beiden Salzburger Suchtgifthändlern, die es ihm abnahmen, dem Begriff einer 'quasi handelsrechtlichen Verkaufsorganisation' (einer 'Vertriebsgesellschaft') entspricht, wie das Erstgericht meint. Auch eine bloße 'Vermittlertätigkeit' in bezug auf das nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. tatbildliche Inverkehrsetzen von Suchtgift kann bandenmäßig ausgeübt werden; hiefür genügt jede Art der Beteiligung am Verbrechen im Sinne des § 12 StGB durch ein Bandenmitglied (vgl. EvBl 1974/146). Stets muß aber - nach der allgemein gültigen Legaldefinition des Begriffs 'Bande' im § 278 StGB (LSK. 1976/368) - eine Verbindung mehrerer (mindestens dreier) Personen zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl gleichartiger, im einzelnen noch unbestimmter Straftaten vorliegen (LSK. 1975/107). Dabei ist unter 'fortgesetzter' Begehung nicht ein Fortsetzungszusammenhang, sondern die Begehung mehrerer selbständiger Straftaten zu verstehen; die Verbindung zu einer einzigen, wenn auch in Teilakten fortgesetzten Tat genügt nicht (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB S. 1121).

Nach den Urteilsfeststellungen zum Faktum I kam der Beschwerdeführer mit den beiden Salzburger Suchtgifthändlern beim zweiten, verabredungsgemäß eine Woche nach dem ersten stattgefundenen Zusammentreffen überein, daß die Salzburger - wie schon bei den bisherigen Zusammenkünften jeweils etwa ein Kilogramm - in der nächsten Zeit noch ungefähr zehn Kilogramm Haschisch in regelmäßigen Zeitabständen partieweise von ihm übernehmen würden. Eine solche Zusage konnte der Angeklagte machen, weil ihm Wolfgang E schon beim ersten Bezug angedeutet hatte, daß noch mehr Haschisch vorhanden sei. Tatsächlich verfügte der gesondert verfolgte Herbert F seit einer Schmuggelfahrt über einen Vorrat von elf Kilogramm Haschisch, von dem er fünf Kilogramm an E - der es seinerseits dem Beschwerdeführer zur Weitergabe überließ -

und später drei Kilogramm dem unter Umgehung E direkt an ihn herangetretenen Beschwerdeführer abgab;

letzterer veräußerte sohin 7,5 Kilogramm in sieben Partien wie vereinbart an die Salzburger, die übrigen 0,5 Kilogramm überließ er (mit Ausnahme eines geringen selbst verbrauchten Restes) an Hermann

B.

Unter den festgestellten Umständen kann von einer Verbindung des Beschwerdeführers mit anderen Beteiligten zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl im einzelnen noch unbestimmter Suchtgiftdelikte nicht gesprochen werden. Seine Verabredungen mit den Salzburger Suchtgifthändlern gingen in keinem Stadium des Tatgeschehens über das geplante Verhandeln einer von vornherein (annähernd) bestimmt begrenzten Menge Haschisch hinaus, welches Geschäft in gleichfalls nach den wesentlichen Modalitäten (annähernd) vorausbestimmten Teilakten - nach der Art eines fortgesetzten Delikts - abgewickelt werden sollte.

Dem Beschwerdeführer wurde daher nach dem Gesagten rechtsirrig die Begehung des Verbrechens nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. als Mitglied einer Bande zugerechnet. Da dem Urteil der in dieser Richtung sachlich relevierte Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO ) anhaftet, war dieser Ausspruch in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben.

Das Urteil ist aber auch in den Punkten II, III und IV des Schuldspruchs insoferne nichtig nach § 281 Abs 1 Z. 10 StPO , als dem Angeklagten in den Punkten II und III das Vergehen nach § 9 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG., teils in Verbindung mit § 15 StGB und - gesondert - im Punkt IV das Vergehen nach § 9 Abs 1 Z. 1 SuchtgiftG. zur Last gelegt wird. Es handelt sich nämlich in Z. 1 und 2 des § 9 Abs 1 SuchtgiftG., welche Bestimmungen das überlassen eines Suchtgifts an einen anderen (Z. 1) und gewisse andere suchtfördernde Handlungen, nämlich das Herstellen, Verarbeiten, Erwerben oder Besitzen eines Suchtgifts (Z. 2) mit Strafe bedrohen, um bloße Modifikationen (Deliktsfälle, Spiel- oder Begehungsarten) eines und desselben Deliktstypus. Darnach fällt dem Angeklagten lediglich ein Vergehen nach § 9 Abs 1 SuchtgiftG. (in Verbindung mit § 15 StGB ), und zwar nach Z. 1 und Z. 2 der zitierten Gesetzesstelle, zur Last (LSK. 1977/169 u.a.). Da er den in der rechtsirrigen Verurteilung wegen zweier Vergehen gelegenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht hat, war dieser gemäß § 290 Abs 1 StPO

von Amts wegen aufzugreifen und der Schuldspruch entsprechend zu korrigieren.

Schon die sohin erforderlichen Teilaufhebungen des Schuldspruchs nötigen zur Aufhebung auch des (gesamten) Strafausspruchs (§ 289 StPO ; vgl. 9 Os 40/75), mag dies in der Nichtigkeitsbeschwerde auch nur hinsichtlich der Geldstrafe (Verfallsersatzstrafe) angestrebt werden. Auf die in dieser Richtung aus den Nichtigkeitsgründen der Z. 5 und (sachlich) Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Einwände ist daher erst anläßlich der Neubemessung der Strafen einzugehen. Gemäß § 289 StPO wurde der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung gleichfalls aufgehoben und mit nunmehr richtigen Jahreszahlen und Uhrzeiten neu gefaßt.

Bei der notwendigen - nunmehr nach dem ersten Strafsatz des § 6 Abs 1 SuchtgiftG. vorzunehmenden - Neubemessung der Freiheitsstrafe waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall und die Wiederholung erschwerend; mildernd waren das Geständnis und das längere Zurückliegen der Straftaten.

Unter Zugrundelegung dieser Strafzumessungsgründe erscheint ungeachtet des Wegfalls der Bandenqualifikation und des nur formale Bedeutung aufweisenden Wegfalls einer zweifachen Vergehensannahme gemäß § 9 SuchtgiftG. abermals eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren gerecht.

Die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 2 StGB

wurde im Hinblick auf die nunmehrige Eingliederung des Angeklagten in ein geordnetes Berufsleben als Dachdecker (siehe den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vom 12.Juni 1978) und auf die gewiß seltene Besserung eines dem Suchtmittel bereits Verfallenen aus eigener Kraft ausnahmsweise gewährt.

Gemäß § 6 Abs 4 SuchtgiftG. war eine Geldstrafe (als Wertersatzstrafe) auszusprechen, weil weder das gegenständliche Suchtgift noch dessen Erlös ergriffen werden konnte. Hiebei war davon auszugehen, daß nach den Verfahrensergebnissen, die auch in den Urteilskonstatierungen ihren Niederschlag finden, mit der Weitergabe derselben Suchtgiftmengen durch F und E an den Angeklagten und durch diesen an die Salzburger Händler keine nacheinander verübten selbständigen Straftaten zu beurteilen sind (RZ. 1977 Nr. 129). Vielmehr war der Angeklagte nicht nur beim ersten Verkauf bloß ein Vermittler, der E und die Salzburger zur Abwicklung des Handels zusammenführte;

er brachte auch in der Folge jeweils wie ein Bote das ihm von den Käufern eingehändigte Geld zu dem jeweiligen Lieferanten (erst E, dann F direkt), übernahm von diesem das Suchtgift und brachte es unmittelbar darauf den auf ihn wartenden Käufern (S. 185 bis 189). Es handelt sich daher jedesmal um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang, an dem E bzw. F und der Angeklagte im Sinn des § 12 StGB beteiligt waren. Der dabei erzielte Erlös war ihnen und sohin auch dem Angeklagten aufzuerlegen.

Der in SSt. 43/37 ausgesprochene Rechtssatz, daß die Verfallsersatzstrafe nur jenen treffen könne, der durch den Verfall der Sache selbst berührt worden wäre, findet im Gesetz keine wörtliche Deckung: § 6 Abs 4 SuchtgiftG.

ordnet undifferenziert an, daß, wenn die Sachen oder ihr Erlös nicht ergriffen werden und nicht auf Verfall erkannt wird, auf eine Geldstrafe in der Höhe des Werts dieser Sachen oder ihres Erlöses zu erkennen ist. Damit ist im Gesetz nur eine Maxime aufgestellt:

welche Höhe der Verfallsersatz erreichen muß, aber auch nicht überschreiten darf. Eine Rücksichtnahme darauf, inwieweit der Verfall von Sachen die Beteiligten getroffen hätte, ist von der Feststellung des Eigentums an den Sachen abhängig; dieses kann von den Erlösanteilen verschieden sein und selbst eine Bedachtnahme auf die Anteile des Erlöses ist bei der Bemessung der Geldstrafe nach § 6 Abs 4 SuchtgiftG. dann oft nicht möglich, wenn die Tatbeteiligten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden.

Letzteres ist hier der Fall: Es liegen bereits ein rechtskräftiges Urteil betreffend F (zu 14 Vr 1241/77 des Kreisgerichts Wels) und ein noch nicht rechtskräftiges, sondern angefochtenes Urteil betreffend E (zu 14 Vr 1238/77 des Kreisgerichts Wels) vor; beide Urteile enthalten schon Aussprüche nach § 6 Abs 4 SuchtgiftG., wobei im Fall E die dort dem Schuldspruch und sonach dem Verfallsersatz zugrundeliegende Suchtmittelmenge eine Teilmenge der hier gegenständlichen ist. Mangels Rechtskraft des Urteils gegen E kann die dort verhängte Ersatzstrafe von 75.000 S hier nicht zum Ausgangspunkt der vorzunehmenden Strafbemessung genommen werden. Es erscheint aber auf der Grundlage eines Gesamtwerts von 97.500 S die Verhängung einer Verfallsersatzstrafe von 20.000 S über den Angeklagten A der Sachlage entsprechend.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01406

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00027.78.0719.000

Dokumentnummer

JJT_19780719_OGH0002_0100OS00027_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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