TE OGH 1978/8/4 13Os109/78 (13Os110/78)

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Veröffentlicht am 04.08.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. August l978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführers in der Strafsache gegen Berta A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § l98 Abs. 1 StGB, AZ. 4 U 299/77 des Bezirksgerichtes Linz-Land, über die von der Generalprokuratur gegen eine Amtshandlung des Bezirksgerichtes Linz-Land und den Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 2. September l977, AZ. 25 Bl 2l/77, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Berta A wegen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht, AZ. 4 U 299/77

des Bezirksgerichtes Linz-Land, ist das Gesetz infolge Vorlage der Berufung der Angeklagten Berta A durch das Bezirksgericht Linz-Land, ohne zuvor über den Einspruch der Angeklagten gegen das gemäß § 459 StPO erlassene Abwesenheitsurteil dieses Gerichtes vom 24. Mai l977, GZ. 4 U 299/77-8, erkannt zu haben, in der Bestimmung des ersten Satzes des § 478 Abs. 2 StPO, und durch den Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 2. September l977, AZ. 25 Bl 2l/77 (ON ll der Akten 4 U 299/77

des Bezirksgerichtes Linz-Land), womit die Berufung der Angeklagten Berta A gemäß § 470 Z l StPO als verspätet und daher unzulässig zurückgewiesen wurde, in den Bestimmungen der § 470 Z l, 478 Abs. 1 und Abs. 2 letzter Satz StPO verletzt.

Der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 2. September l977, AZ. 25 Bl 2l/77, sowie die nachfolgenden, die Rechtskraft des Urteiles des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 24. Mai l977, GZ. 4 U 299/77-8, zugrundelegenden Beschlüsse und richterlichen Verfügungen werden aufgehoben.

Dem Bezirksgericht Linz-Land wird aufgetragen, zunächst über den Einspruch der Angeklagten Berta A (ON 9) zu erkennen und im Fall einer Verwerfung die Berufung der Angeklagten neuerlich dem Landesgericht Linz vorzulegen.

Text

Gründe:

Aus den angeschlossenen Strafakten AZ. 4 U 299/77

des Bezirksgerichtes Linz-Land ergibt sich nachstehender

Sachverhalt:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 24. Mai l977, GZ. 4 U 299/77-8, wurde Berta A gemäß dem § 459 StPO in ihrer Abwesenheit des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § l98 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ihr liegt zur Last, als Mutter der Minderjährigen Günther, Markus und Thomas A seit l5. Juli l965

(soll heißen: l976) und als Mutter der Minderjährigen Elke, Leopold und Wolfgang A seit l2. August l972

keinen Unterhalt geleistet und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt der Kinder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Eine Urteilsabschrift wurde Berta A am 2l. Juni l977 zugestellt. Am 30. Juni l977 gab die Beschuldigte einen mit 29. Juni l977 datierten 'Einspruch' zur Post, worin sie ausführt, deshalb Einspruch zu erheben, weil ihr vorgeworfen werde, seit l2. August l976 keinen Unterhalt für die Kinder geleistet zu haben, und sie sich keiner Schuld bewußt sei; ihr Ehemann Leopold A sei vom 5. Februar bis 5. August l976 in Haft gewesen, sie selbst habe, durch die Kinder behindert, keiner Arbeit nachgehen können.

Vom Bezirksanwalt wurde am l4. Juli l977 die Verwerfung dieses Einspruches und Behandlung als Berufung beantragt. Am l2. August l977 langten jedoch die Strafakten beim Landesgericht Linz als Berufungsgericht ein, ohne daß über den Einspruch der Beschuldigten erkannt und der mit 8. August l977 datierte Vorlagebericht StPOForm. RM 2 (Vorlage einer Berufung) vom Richter unterfertigt worden wäre. Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 2. September l977, AZ. 25 Bl 2l/77 (ON ll der Akten AZ. 4 U 299/77 des Bezirksgerichtes Linz-Land), wurde sodannn die Berufung der Berta A wegen (offenbar) Schuld gemäß § 470 Z l StPO als verspätet und daher unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung wird ausgeführt, daß der als 'Einspruch' bezeichnete Schriftsatz der Angeklagten inhaltlich als Schuldberufung anzusehen sei; Einspruchsgründe im Sinn des § 478 Abs. 1 StPO seien nicht geltend gemacht worden. Da die dreitägige Frist für die Anmeldung der Berufung (§ 466 Abs. 2 StPO) bereits am 24. Juni l977 abgelaufen und der Ausnahmetatbestand des § 478 Abs. 1 StPO nicht erfüllt sei, weil die Angeklagte inhaltlich nur Berufung, aber keinen Einspruch erhoben habe, müsse die Berufung wegen verspäteter Anmeldung gemäß § 470 Z l StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückgewiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Weder die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Linz-Land, die Akten dem Berufungsgericht vorzulegen, bevor über den Einspruch der Beschuldigten Berta A erkannt worden war, noch die Entscheidung des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2. September l977 steht mit dem Gesetz in Einklang.

Gemäß § 466 Abs. 1 StPO ist im bezirksgerichtlichen Verfahren die Berufung binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteils beim Bezirksgericht anzumelden. War der Angeklagte bei der Urteilsverkündung nicht anwesend, so ist die Berufung binnen drei Tagen anzumelden, nachdem er vom Urteil verständigt wurde (§ 466 Abs. 2

StPO).

Gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes, das gemäß § 459 StPO über Ausbleiben des Angeklagten erlassen wurde, kann dieser binnen vierzehn Tagen von der Zustellung des Urteils beim erkennenden Bezirksgericht Einspruch erheben, wenn ihm die Vorladung nicht gehörig zugestellt worden ist oder er nachweisen kann, daß er durch ein unabwendbares Hindernis abgehalten worden sei (§ 478 Abs. 1 StPO). Mit dem Einspruch kann auch die Berufung verbunden werden, in welchem Fall die Frist für die Anmeldung der Berufung die gleiche wie für die Erhebung des Einspruches ist (SSt. XXXI/l05; EvBl. l970/l88, Foregger-Serini, StPO l975, Erläuterung II zu § 478). über den Einspruch hat nach vorläufiger Vernehmung des Anklägers das Bezirksgericht zu erkennen. Verwirft es den Einspruch, so steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz binnen vierzehn Tagen zu. Der Angeklagte ist (auch) hier berechtigt, mit der Beschwerde für den Fall der Verwerfung die Berufung zu verbinden, mit der nach den Bestimmungen der § 469 bis 472 StPO zu verfahren wäre (§ 478 Abs. 2 StPO).

Im vorliegenden Fall erhob die anwaltlich nicht vertretene Angeklagte Berta A nach Ablauf der dreitägigen Frist des § 466 Abs. 2 StPO, aber innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 478 Abs. 1 StPO gegen das in ihrer Abwesenheit ergangene Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 24. Mai l977 ausdrücklich Einspruch und inhaltlich ihres Vorbringens auch Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld.

Wenn es die rechtsunkundige Angeklagte unterlassen hatte, in ihrer Eingabe Einspruchsgründe im Sinn des § 478 Abs. 1 StPO anzuführen, vermag dieser Umstand weder an der Tatsache der Einspruchserhebung noch an den gesetzlichen Folgen der Verbindung von Einspruch und Berufung etwas zu ändern.

Gemäß § 478 Abs. 2 StPO hätte daher das Bezirkgsgericht Linz-Land - im Sinn des Antrages des Bezirksanwaltes vom l4. Juli l977 (S. 29 d. A) - zunächst über den Einspruch der Berta A erkennen und erst im Fall einer Verwerfung die mit dem Einspruch verbundene Berufung der Angeklagten dem Landesgericht Linz als dem zuständigen Berufungsgericht vorlegen müssen.

Dem Landesgericht Linz aber wäre es oblegen, vorerst ein Erkenntnis des Bezirksgerichtes Linz-Land über den Einspruch der Angeklagten herbeizuführen und im Fall einer Verwerfung über die innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 478 Abs. 1 StPO - sohin rechtzeitig - überreichte (mit dem Einspruch verbundene) Schuldberufung, die von der Angeklagten auch noch mit einer Beschwerde gegen die Verwerfung ihres Einspruches hätte verbunden werden können (§ 478 Abs. 1 letzter Satz StPO), meritorisch zu entscheiden.

Die Vorlage der Berufungsschrift durch das Bezirksgericht Linz-Land, ohne zuvor über den Einspruch der Angeklagten erkannt zu haben, verstößt daher gegen die Bestimmung des ersten Satzes des § 478 Abs. 2 StPO, die Zurückweisung der Berufung der Angeklagten durch das Landesgericht Linz aber gegen die Vorschriften der § 470 Z l, 478 Abs. 1 und Abs. 2 letzter Satz StPO, wobei die Gesetzesverletzungen der Angeklagten Berta A zum Nachteil gereichten.

Aus diesen Erwägungen war über die von der Generalprokuratur ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E01422

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00109.78.0804.000

Dokumentnummer

JJT_19780804_OGH0002_0130OS00109_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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