TE OGH 1978/8/10 12Os117/78

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Veröffentlicht am 10.08.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Müller und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach § l46, l47 Abs. 1 Z l, Abs. 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom l9. Mai l978, GZ. 2l Vr 2l78/77- 64, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am l6.l.

l923 geborene, zuletzt beschäftigungslose kaufmännische Angestellte Karl A des Vergehens des schweren Betruges nach § l46, l47 Abs. 1 Z l, Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 l/2 Jahren verurteilt. Zugleich wurde gemäß § 2l Abs. 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Ihm liegt zur Last, in der Zeit zwischen von 3.4.l977 und 8.6.l977 in verschiedenen Orten Österreichs in insgesamt 7 Fällen Personen mit dem Vorsatz, durch deren Verhalten als Getäuschte sich unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich vorwiegend zu Dienstleistungen, aber auch zu Entlehnungen, zum Teil mittels übergabe gefälschter (und ungedeckter) Schecks verleitet zu haben, wodurch sie an ihrem Vermögen in einem insgesamt S 5.000,-- übersteigenden Betrage geschädigt wurden.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte in einem Punkt den Schuldspruch aus dem Grunde der Z 8 des § 28l Abs. 1 StPO, des weiteren die Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus den Gründen der Z 4 und 5 der zitierten Gesetzesstelle; ebenfalls gegen den letztgenannten Ausspruch sowie gegen das Strafausmaß richtet sich seine Berufung. Eine überschreitung der Anklage im Sinne der Z 8 des § 28l Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Erstgericht ihm im Punkt 5 des Urteilsspruches (Betrug zum Nachteil des Eduard B) einen Schaden in der Höhe von S 650,-- zur Last legte (S 358), obwohl die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift diesbezüglich nur einen solchen in der Höhe von S 6l5,--

releviert hatte (siehe ON l6, S ll4 Punkt 6 des Anklagetenors). Abgesehen davon, daß hiedurch eine önderung der strafsatzerhöhenden Wertgrenze weder eingetreten ist noch eintreten konnte, berührt die Annahme eines höheren, als des von der Anklage angenommenen Schadens nicht die Identität von Anklage- und Urteilsfaktum, da sich die Schadenshöhe nur als ein Teil des Erscheinungsbildes ein und derselben Tat darstellt (siehe Gebert-Pallin-Pfeiffer, E.Nr. l40 und l4l zu § 262 und 267 StPO).

Im vorliegenden Fall ist das Erstgericht aber überdies zutreffend von der Annahme ausgegangen (S 363), daß sich der Bereicherungsvorsatz des (hiezu geständigen) Angeklagten bei der übergabe eines auf die Summe von S 650,-- ausgestellten ungedeckten und gefälschten Schecks auf diese Summe bezog, mag auch der darin enthaltene Betrag von S 35,-- für das Zimmermädchen (welchen die Anklagebehörde offenbar in Abzug brachte) als freiwillige Leistung anzusehen sein, welche aber im Zusammenhang mit den Täuschungshandlungen versprochen wurde.

Eine Nichtigkeit im Sinne der Z 8 des § 28l Abs. 1 StPO wird demnach nicht aufgezeigt.

Die Annahme einer geistigen Abnormität als Grundvoraussetzung für die Maßnahme nach § 2l Abs. 2 StGB bekämpft der Angeklagte in tatsächlicher Richtung (vgl. RZ l976/l22) mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 28l Abs. 1 StPO. Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt er als Verletzung seiner Verteidigungsrechte die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom l9. Mai l978 gestellten Antrages auf Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweise dafür, daß er zufolge seiner Persönlichkeitsstruktur im Hinblick auf den Widerspruch zwischen dem Gutachten des (dem Verfahren beigezogenen) Sachverständigen Dozent Dr. Werner C und jenem Gutachten das von dem Sachverständigen Prim. Dr. D in einem früheren Strafverfahren gegen ihn erstattet worden war, nicht die Voraussetzungen für eine Einweisung nach § 2l Abs. 2 StGB mit sich bringe (S 353).

Das die beantragte Beweisführung ablehnende Zwischenerkenntnis begründete das Erstgericht damit, daß das Gutachten des Sachverständigen Dozenten Dr. Werner C logisch, widerspruchsfrei und überzeugend sei und damit als unbedenklich angesehen werden müsse (S 354, 366).

Der Verfahrensrüge kommt keine Berechtigung zu.

Für die vom Beschwerdeführer verlangte Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wäre zufolge der § l25, l26 Abs. 1 StPO formell Voraussetzung gewesen, daß das erstattete Gutachten die in diesen Gesetzesstellen bezeichneten Widersprüche oder Mängel aufweist. Der in den Beschwerdeausführungen allein behauptete Widerspruch zwischen dem (Vor-)Gutachten des Sachverständigen Prim.

Dr. Heinrich D (ON 72 in AZ 3 d Vr 728/74 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) und dem Gutachten des im gegenständlichen Verfahren vernommenen Sachverständigen Dozent Dr. Werner C liegt in Wahrheit aber nicht vor.

Beide Sachverständige verneinen das Bestehen einer Zurechnungsunfähigkeit im Sinne der § 2 StG bzw. ll StGB, stimmen aber im Ergebnis darin überein, daß es sich beim Angeklagten um eine psychopathische, abnorme Persönlichkeit handelt (S 267 in ON 72 des erwähnten Vorstrafaktes bzw. S 249, 35l der gegenständlichen Akten). Die nach § 2l Abs. 2 StGB entscheidungswesentliche Frage, ob die Straftat(en) unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, welche aber die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließt, begangen wurde(n), stellte sich nach der damaligen Rechtslage für den (Vor-)Gutachter Prim. Dr. D gar nicht (S 353). Insoweit übersieht der Beschwerdeführer, daß mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches der Aufgabenbereich des psychiatrischen Sachverständigen im Hinblick auf die in den § 2l, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen eine wesentliche Erweiterung insofern erfahren hat, als nunmehr auch geistige Abartigkeiten, welche keine Geistes- und Gemütskrankheit im engeren Sinne darstellen, begutachtet werden müssen; solche Zustände wurden nach der früheren Rechtslage forensisch allenfalls als eine verminderte Zurechnungsfähigkeit beurteilt oder konnten nach Lage des Falles auch vernachlässigt werden.

So gesehen fehlt es mangels Vorliegens widerstreitender Gutachten an den formellen Voraussetzungen für die begehrte Beweisaufnahme, sodaß der diesbezügliche Antrag im Ergebnis mit Recht vom Erstgericht abgewiesen werden konnte, ohne hiedurch Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers zu verletzen.

In Ausführung der Mängelrüge bezeichnet der Angeklagte die Urteilsannahme, er habe die strafbaren Handlungen unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades begangen, als unvollständig und widerspruchsvoll begründet bzw. mit einer Aktenwidrigkeit behaftet. Worin letztere gelegen sein soll, ist nicht erkennbar, denn die (angebliche) Nichterwähnung eines Teils des Gutachtens des Prim. Dr. Heinrich D im bereits erwähnten Vorstrafakt würde der Sache nach keine Aktenwidrigkeit, sondern gegebenenfalls wieder nur eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung bedeuten. Allein eine solche auch hinsichtlich des behaupteten Widerspruches erblickt der Sache nach die Beschwerde in der Nichterörterung des Umstandes, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D das (gemeint: deliktische) Verhalten des Angeklagten nur eine Reaktion auf die gegenwärtigen mißlichen Lebensumstände darstelle und keinesfalls eine Geistes- oder Gemütskrankheit indiziere, zumal (nach dem Vorgutachten) keine Anzeichen für irgendwelche Defektsymptome vorlägen. Auch die Mängelrüge versagt.

Die im Vorgutachten angenommene Neigung des Angeklagten zu depressiven Reaktionen unter bestimmten Belastungen (S 265, 269 der Akten 3 d Vr 728/74 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) bezog sich ersichtlich auf dessen damals durch suizidale Handlungen manifestierte temporäre Verhandlungsunfähigkeit. Da - wie bereits bei Behandlung der Verfahrensrüge - beide Sachverständigen übereinstimmend davon ausgehen, daß beim Angeklagten eine Geistes- oder Gemütskrankheit im engeren Sinne nicht vorliegt, bedurfte es keiner Erörterung oder Erwähnung durch das Erstgericht, daß nach dem früheren Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. D auch keine restweisen Defektsymptome einer erst kürzlich oder schon vor längerer Zeit abgelaufenen, bisher unbekannt gebliebenen Geisteskrankheit festgestellt werden konnten (S 26l der oben zitierten Vorstrafakten).

Die erwähnten, zum Teil aus dem Zusammenhang gerissenen Passagen des Vorgutachtens sprechen, ausgehend von der hier nicht in Frage stehenden Prämisse der Zurechnungsfähigkeit, in ihrer Gesamtheit nicht gegen die vom Erstgericht auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Doz. Dr. C und des persönlichen Eindrucks des Angeklagten angenommene geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades, sodaß ihre Vernachlässigung keine Nichtigkeit im Sinne der Z 5 des § 28l Abs. 1 StPO zu begründen vermag; der Vollständigkeit halber sei aber noch erwähnt, daß das Erstgericht das vom Beschwerdeführer für seine Argumentation herangezogene Vorgutachten keineswegs übergangen, sondern auch dieses erörtert und seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat (S 36l d. A).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten konnte daher gemäß § 285 lit. d Abs. 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurück--

gewiesen werden.

Zur Erledigung der Berufung wird ein Gerichtstag zur öffentlichen

Verhandlung anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E01518

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00117.78.0810.000

Dokumentnummer

JJT_19780810_OGH0002_0120OS00117_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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