TE OGH 1978/8/11 9Os110/78 (9Os111/78, 9Os112/78)

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Veröffentlicht am 11.08.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A und andere wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Lembach vom 10. September 1976, GZ U 47/76-14

und 15 sowie vom 21. Oktober 1977, GZ U 47/76-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Lembach vom 10.September 1976, GZ U 47/76-14 und 15 sowie der Beschluß dieses Gerichtes vom 21. Oktober 1977, ON 20, letzterer jedoch nur im Ausspruch über die dem Verurteilten Franz A erteilte förmliche Mahnung im Sinne des § 53 Abs.3 StGB (und Setzung einer Nachfrist von 4 Monaten zur Erfüllung der ihm im oberwähnten Beschluß vom 10.September 1976, ON 14, erteilten Weisungen) verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der § 50 Abs.1, 51 und 53 Abs.3 StGB.

Die genannten Beschlüsse - jener vom 21.Oktober 1977, ON 20, jedoch nur im Umfang der aufgezeigten Gesetzesverletzung - werden aufgehoben.

In den Urkunden über die bedingte Strafnachsicht (S.63 und 65 d.A.) hat die sohin gegenstandslose Verweisung 'Siehe angeschlossenen Beschluß vom 10.9.1976, U 47/76-14 bzw. -15', im Protokolls- und Urteilsvermerk der ebensolche Hinweis auf 'zugleich ergangene Weisungen' zu entfallen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Lembach vom 10.September 1976, GZ U 47/76-13, wurden der am 5.April 1951 geborene Autotapezierer und damalige Einkäufer Franz A sowie der am 30.November 1957 geborene Fernmeldemonteurlehrling Wolfgang B des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB schuldig erkannt und zu Geldstrafen verurteilt, und zwar Franz A in der Höhe von 30 Tagessätzen zu je 120 S (im Nichteinbringlichkeitsfalle 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und Wolfgang B in der Höhe von 10 Tagessätzen zu je 60 S (im Nichteinbringlichkeitsfalle 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Beide Strafen wurden gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Erteilung von Weisungen i.S.

der § 50, 51 StGB bedingt nachgesehen; dies fand im Protokolls- und Urteilsvermerk (StPO Form. U 7), womit das Protokoll über die Hauptverhandlung und die (schriftliche) Ausfertigung des Urteils vom 10. September 1976 ersetzt wurden, durch die Aufnahme des Hinweises '§ 43/1, 50, 51 StGB; s. zugl. ergangene Weisung' in dem Abschnitt 'Anwendung weiterer gesetzlicher Bestimmungen:' seinen Niederschlag. Der Vermerk bezieht sich solcherart auf zwei am selben Tag gefaßte, inhaltlich gleichgehaltene Beschlüsse (ON 14 und 15), in denen - jedem Verurteilten getrennt - 'im Hinblick auf die mit dem (heutigen) Urteil bedingt bei Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs.1 Strafgesetzbuch nachgesehenen Geldstrafen (deren Höhe nach Tagessätzen wie auch im gesamten angeführt ist) die Weisung erteilt wird, binnen einem Jahr nach Verkündung dieses Beschlusses, spätestens aber nach Rechtskraft des zugrunde liegenden Urteiles und dieses Beschlusses, in einer öffentlichen oder privaten Sozialinstitution (Altersheim, Krankenhaus, Rehabilitationszentrum, Sanitätsdienst, etc.) unentgeltlich nachweislich an 10 Tagen (A), bzw. an 3 Tagen (B) 'a 8 Stunden Arbeiten aller Art zu verrichten. Die Verpflichtung entfällt, so heißt es nachfolgend, 'wenn der Verurteilte durch Beibringung von schriftlichen Absagen mindestens von zehn entsprechenden Institutionen nachweist, daß er sich nach Kräften bemüht hat, die Weisung zu erfüllen. Wird ihm vom Gericht aber eine bestimmte Institution mitgeteilt, welche bereit ist, angebotene Sozialleistungen anzunehmen, so hat er auch von dieser Institution eine schriftliche Ablehnung nachzuweisen. Dem Verurteilten wird weiters aufgetragen, über die geleisteten Arbeiten ein ausführliches Zeugnis zu begehren, damit die Erfüllung der Weisung auch entsprechend überprüft werden kann.

Bei Nichtbefolgung, nur teilweiser, nicht rechtzeitiger oder auffallend nachlässiger Befolgung dieser Weisung hat der Verurteilte mit dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht ungeachtet seines sonstigen Verhaltens zu rechnen.' Es folgt eine fünf Absätze umfassende Begründung, in welcher der Zweck dieser Weisung erläutert wird. Die Beschlüsse enthalten schließlich noch den Beisatz:

'Hinweis: Folgende Institutionen sind nach Kenntnis des Gerichtes bereit, die aufgetragenen Arbeiten entgegenzunehmen: Altersheim Gneisenau, Kleinzell'.

Die genannten Beschlüsse wurden den Beschuldigten am 21.September 1976 zugestellt und sind - ebenso wie das Urteil - in Rechtskraft erwachsen (S.62). In den beiden zugestellten Urkunden über die bedingte Strafnachsicht ('zu ON 16') wird ausdrücklich auf diese Beschlüsse verwiesen. Wie sich aus den Akten ferner ergibt, leistete Wolfgang B bei der 'Kolpingsfamilie Wien-Zentral' dreimal 8 Stunden Sozialdienst ab (vgl. Bestätigung vom 25.Feber 1977, ON 17), während Franz A keinen Nachweis über die ihm aufgetragenen Leistungen erbrachte, worauf der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Lembach am 6. Oktober 1977 den Widerruf der bedingten Strafnachsicht bezüglich dieses Verurteilten beantragte (ON 18). Nach dessen Vernehmung hiezu (ON 19) wies das Bezirksgericht Lembach mit Beschluß vom 21.Oktober 1977, ON 20, den Widerrufsantrag des öffentlichen Anklägers jedoch mit der (zutreffenden) Begründung ab, daß der Verurteilte zwar der erwähnten Weisung nicht nachgekommen sei, gemäß § 53 Abs.3 StGB ein Widerruf wegen Nichtbefolgung der erteilten Weisung aber eine vorhergehende förmliche Mahnung des Rechtsbrechers durch das Gericht voraussetzte, die vorliegendenfalls nicht erfolgt sei. Gleichzeitig sprach es mit diesem Beschluß aber nunmehr eine solche förmliche Mahnung (dahin) aus, die im Beschluß vom 10.September 1976 aufgetragene Weisung auf Verrichtung von unentgeltlicher Sozialarbeit an 10 Tagen binnen einer Nachfrist von 4 Monaten ab Rechtskraft (dieses Beschlusses) zu erfüllen, widrigenfalls der Verurteilte mit dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu rechnen habe. Dieser Beschluß wurde Franz A im Wege der Ersatzzustellung am 25. Oktober 1977 mitgeteilt. Franz A hat schließlich im Februar 1978 die genannte Geldstrafe bezahlt, obgleich ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht nie erfolgt ist (vgl. den am Aktenumschlag innen angehefteten Erlagschein).

Rechtliche Beurteilung

Es stehen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Lembach vom 10. September 1976, ON 14 und 15, sowie der Beschluß dieses Gerichtes vom 21.Oktober 1977, ON 20, soweit der Verurteilte Franz A damit über die Abweisung des Widerrufsantrages hinaus im dargelegten Sinn formell ermahnt wird, aus folgenden Erwägungen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

§ 50 Abs.1 StGB bestimmt, daß das Gericht u.a. einem Rechtsbrecher, dem die Strafe bedingt nachgesehen wird, Weisungen zu erteilen und einen Bewährungshelfer zu bestellen hat, 'soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten'. Welche Art von Ge- und Verboten als Weisungen in Betracht kommen, sagt § 51 StGB, dessen Abs.2 auch eine allerdings nur beispielsweise (arg. 'insbesondere......') Aufzählung derartiger Weisungen enthält. Von grundsätzlicher Bedeutung ist hiebei jedoch die im 2.Satz des § 51 Abs.1 StGB zum Ausdruck gebrachte Generalklausel, wonach Weisungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Rechtsbrechers darstellen würden, unzulässig sind. Gegen eben diese Bestimmung verstoßen aber die vorliegendenfalls den Verurteilten seitens des Bezirksgerichtes Lembach erteilten Weisungen. Schon der zentrale Inhalt derselben, Arbeiten 'aller Art' zu verrichten, erscheint im Zusammenhang mit dem besonderen Charakter der Institutionen, in denen derartige Arbeiten geleistet werden sollen, völlig unvertretbar. Die Verurteilten, welche an sich eher geringfügige Straftaten zu verantworten hatten, wären demnach verpflichtet, je nach Willkür ihres 'Arbeitgebers' tagelang nicht nur Arbeiten niederer, sondern allenfalls auch solche ekelerregender Art auszuführen, wenn sie nicht der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht verlustig gehen wollen.

Abgesehen davon ist aber auch gar nicht erkennbar, inwiefern derartige Weisungen unter Berücksichtigung der spezifischen Art von Verfehlungen, welche die Verurteilten vorliegend begangen haben, im Sinne des § 51 Abs.1, 1.Satz StGB geeignet sein sollten, diese von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten (Leukauf-Steininger S.307). Denn nur diesen Zweck haben die im Gesetz vorgesehenen Weisungen;

sie dürfen kein Ersatz für das nicht vollzogene Strafübel sein (EvBl. 1975/284 = ÖJZ-LSK 1975/66).

Eine unentgeltliche Arbeitsleistung, wie sie vorliegend von den Verurteilten verlangt wurde, kommt aber in ihrer Auswirkung der Bezahlung einer Geldstrafe sehr nahe. In der für die aufgetragenen Arbeiten verwendeten Zeit hätten die Verurteilten nämlich unter Umständen auch gegen Entgelt einer Beschäftigung nachgehen können. Unzumutbar ist aber auch die weiters den Verurteilten auferlegte Verpflichtung, sich allenfalls zu nicht weniger als zehn der vom Gericht genannten Institutionen zu bemühen, sich dort - in naturgemäß schon demütigender Weise - als strafgerichtlich zu unentgeltlicher Arbeit bestimmte Rechtsbrecher zu erkennen zu geben und von allen diesen Stellen schriftliche Absagen einzuholen, ehe ihre fruchtlose Bemühung in Erfüllung der erteilten Weisungen als solche anerkannt wird.

Der weitere Auftrag, über die geleisteten Arbeiten ein ausführliches Zeugnis zur Veranschaulichung des Erziehungserfolges zu 'begehren', ist in keiner Weise sinnvoll und entspricht so besehen daher ebenfalls nicht den Intentionen des Gesetzes. Denn für das Gericht ist letztlich nicht wichtig, ob der Verurteilte ein solches Zeugnis begehrt hat - was es offenbar auch gar nicht überwacht -, sondern ob er es tatsächlich bekommt. Dies liegt aber letztlich außerhalb des Einflußbereiches des Verurteilten und kann gegenüber dem 'Arbeitgeber' weder von ihm, noch auch vom Gericht erzwungen werden. Im gegenständlichen Falle entspricht etwa das von Wolfgang B beigebrachte Zeugnis über die Ableistung der vorgeschriebenen Arbeit (ON 17) sicher nicht der erteilten Weisung, da es nur die Tatsache der erfolgten Arbeitsleistung im Ausmaß von dreimal 8 Stunden bestätigt.

Vollends gesetzwidrig ist schließlich aber der letzte Absatz der erteilten Weisungen des Inhalts, der Verurteilte habe bei Nichtbefolgung, nur teilweiser, nicht rechtzeitiger oder 'auffallend nachlässiger Befolgung' dieser Weisung mit dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht ungeachtet seines sonstigen Verhaltens zu rechnen.

Er widerspricht der Anordnung des § 53 Abs.3 StGB, wonach ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht wegen Nichterfüllung von Weisungen nur dann zulässig ist, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichts trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluß des Bewährungshelfers entzieht. Ein Widerruf schon wegen fahrlässiger ('nachlässiger') Nichtbefolgung von Weisungen kommt demnach nicht in Betracht und durfte sohin auch nicht angedroht werden. Abschließend sei nur illustrativ auf das auffallende Mißverhältnis verwiesen, welches vorliegend zwischen der Höhe der bedingt nachgesehenen Geldstrafen und dem Wert jener Arbeitszeit besteht, welche den Verurteilten bei Befolgung der Weisungen entgeht, und das sohin nur geringen Anreiz für eine Erfüllung der Weisungen bietet. Dementsprechend hat es auch der Verurteilte Franz A schließlich vorgezogen, die bedingt nachgGsehene Geldstrafe zu bezahlen, obwohl gar kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgt war. Es war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E01434

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00110.78.0811.000

Dokumentnummer

JJT_19780811_OGH0002_0090OS00110_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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