TE OGH 1978/9/7 12Os81/78

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Veröffentlicht am 07.09.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Keller, Dr.Kral, Dr.Schneider und Dr.Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr.Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A und andere wegen des Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Angeklagten Renate B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 30.Jänner 1978, GZ 20 qu Vr 8791/77-51, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr.Schaller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Renate B wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen in Ansehung dieser Angeklagten, welcher im übrigen unberührt bleibt, in bezug auf die Hauptfrage II sowie das angefochtene, sonst ebenfalls unberührt bleibende Urteil in dem auf diesem Teil des Wahrspruchs beruhenden Schuldspruch der Angeklagten Renate B wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB (Punkt II des Tenors) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 349 Abs 1

und 2 StPO die Sache im Umfang der Aufhebung zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen, welches den die Angeklagte betreffenden, unberührt bleibenden Wahrspruch in bezug auf die Hauptfrage III und den auf diesem Wahrspruch basierenden Schuldspruch Punkt III der Entscheidung mit zugrundezulegen haben wird.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihr auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden neben einem weiteren Angeklagten

1.) der am 19.Oktober 1940 geborene (zuletzt beschäftigungslose) Hilfsarbeiter Johann A des Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 und 15 StGB (Punkt I und II des Spruches) und 2.) die am 18.September 1955 geborene (zuletzt beschäftigungslose) Serviererin Renate B des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB sowie des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 3 StGB (Punkt II und III des Spruches) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 6, 8, 9, 11 lit a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Renate B, mit welcher sie lediglich den Schuldspruch wegen des in Gesellschaft des Mitangeklagten Johann A versuchten schweren Raubes (Punkt II) bekämpft.

Der Mitangeklagte Johann A ließ das Urteil unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Renate B ist begründet.

Dem bekämpften Schuldspruch liegt als Wahrspruch der Geschwornen die - in Ansehung des Angeklagten A einstimmig und hinsichtlich der Angeklagten B im Verhältnis 7 : 1 erfolgte - Bejahung der Hauptfrage II zugrunde. Diese Hauptfrage hatte folgenden Wortlaut:

'II./ Hauptfrage:

Sind Johann A und Renate B schuldig, am 13.10.1977 in Wien in Gesellschaft als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Trafikantin Martha C Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht (zu haben), sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern?' Mit Recht wendet sich die Beschwerdeführerin aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO zunächst gegen die in Ansehung beider Angeklagten erfolgte gemeinsame Stellung der Hauptfrage II. Im Sinne der §§ 312 Abs 1 und 317 Abs 1 und Abs 2 StPO sind die Hauptfragen grundsätzlich für jeden Angeklagten getrennt zu stellen. Eine gemeinsame Frage, ob zwei oder mehrere Angeklagten eine ihnen angelastete Tat begangen haben, wäre nur dann als zulässig anzusehen, wenn die Beweisergebnisse für alle Angeklagten völlig gleich sind und die betreffende Frage daher für alle gleich beantwortet werden kann (SSt.28/67 u.a.).

Gegenständlich hat die Angeklagte B nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sich zwar zur Tatzeit am Tatort aufgehalten, selbst aber keine Ausführungshandlungen zum Raub (Bedrohung der Zeugin C mit dem Erschießen unter Benützung einer Pistolenimitation sowie gewaltsames körperliches Erfassen der Zeugin) gesetzt, sondern wurde - dem behaupteten ursprünglichen Tatplan gemäß - vom Angeklagten A - wenn auch nur zum Schein -, zwecks Täuschung der Zeugin C, um diese zur Herausgabe von Geld zu veranlassen - ebenfalls mit der Pistolenimitation bedroht (Zeugin C S.25 f, 33, 252 ff). Somit liegen aber in Ansehung der Frage der (Gesellschafts-) Täterschaft der, den Raubvorsatz leugnenden, Angeklagten B und des, geständigen (S.257), Angeklagten A verschiedene Beweisergebnisse vor, die eine Zusammenfassung der Hauptfrage II unzulässig machten. Daran ändert auch nichts, daß die Geschwornen die Hauptfrage II getrennt beantwortet und für diesen getrennten Wahrspruch auch in der Niederschrift gesondert ihre Erwägungen abgegeben haben, weil im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der Sachverhaltskomponenten und den Umstand, daß die Geschwornen ihren Erwägungen in der Niederschrift zufolge den einhelligen Wahrspruch hinsichtlich des Angeklagten A auf dessen Geständnis und die Aussagen der Zeugin C, den stimmenmehrheitlich gefaßten Wahrspruch in Ansehung der, die Raubbeteiligung leugnenden, Angeklagten B hingegen auf das 'Beweisverfahren' (ohne eine Bedachtnahme auf die Verschiedenheit dessen Ergebnisse) gestützt haben, die Möglichkeit einer - den Beweisergebnissen zuwiderlaufenden - bloß pauschalen Beurteilung beider Angeklagter nicht ausgeschlossen werden kann (SSt. 28/67). Lediglich eine getrennte Fragestellung zum Sachverhalt würde die Geschwornen in die Lage versetzt haben, die Schuld auch der Angeklagten B nach den für und gegen sie vorgebrachten Beweismitteln gesondert zu prüfen und auch gesondert darüber abzusprechen. Eine Subsumtion des Verhaltens der Beschwerdeführerin unter das Tatbild des versuchten (Gesellschafts-) Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1, 143 (1.Fall) StGB käme nur dann in Betracht, wenn - abgesehen von ihrer gleichzeitigen Anwesenheit zur Tatzeit am Tatort und einem (zumindest stillschweigenden) Einverständnis mit dem unmittelbaren Täter - ihr eine die Raubausführung fördernde (kausale) Tätigkeit im Sinne eines sonstigen Tatbeitrages (§ 12, 3.Alternative StGB) anzulasten wäre, wobei es genügen würde, wenn durch diese Anwesenheit am Tatort die Begehung der Tat in irgendeiner Weise ermöglicht oder erleichtert werden soll (EvBl 1978/141). Zufolge verfehlter gemeinsamer Fragestellung ist schon deshalb der Wahrspruch und der darauf beruhende Schuldspruch Punkt II in Ansehung der Beschwerdeführerin mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO behaftet.

Zuzustimmen ist auch dem weiteren auf diesen Nichtigkeitsgrund gestützten Beschwerdevorbringen, welches die mangelnde Individualisierung der Tat in der Hauptfrage II rügt. Gemäß dem § 312 Abs 1 StPO sind in die Hauptfrage alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw. soweit beizufügen, als es zur deutlichen Kennzeichnung der Tat (oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche) notwendig ist. Da das Urteil im geschwornengerichtlichen Verfahren regelmäßig in den Entscheidungsgründen zur Tatund Rechtsfrage nichts Wesentliches aussagt, kommt der Abfassung des Urteilsspruches und dessen Basis, dem Wahrspruch der Geschwornen - in welchem eben wiederum die Fragestellung steckt - besondere Bedeutung zu.

Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes (als gesetzliche Merkmale der Tat) genügt nicht; vielmehr sind die konkreten Umstände des jeweiligen Falles - soweit sie für die strafrechtliche Subsumtion und die bestimmte Tatkennzeichnung von Bedeutung sind - in die Frage aufzunehmen. Fehlen wesentliche Tatsachenfeststellungen im fragekonformen Wahrspruch, dann ist das Urteil ebenfalls nichtig im Sinne des § 345 Abs 1 Z 6 StPO (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr.27 zu § 312 StPO, III/3 Nr.3 zu § 345 Z 11 lit a StPO).

Dies trifft vorliegend auf die Hauptfrage II in Ansehung der Beschwerdeführerin zu, weil diese Hauptfrage außer der Angabe der Tatzeit, des Tatortes und des Namens des Opfers keine konkreten Tatsachen enthält, insbesondere vermissen läßt, worin die Gewalt und die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr gegen Leib und Leben bestanden hat, sondern lediglich den Gesetzestext wiedergibt. Auch hier ergibt sich aus dem Geständnis des Angeklagten A (S.257), welches, wie erwähnt, von den Geschwornen neben der Zeugenaussage C ihrem Wahrspruch hinsichtlich dieses Angeklagten zugrunde gelegt wurde, daß sich die mangelhafte Fragestellung nicht zu dessen Nachteil ausgewirkt hat (vgl. auch Gebert-Pallin-Pfeiffer III/3 Anm. zu Nr.3 zu § 345 Z 11 lit a StPO). Anders verhält es sich aber im Hinblick auf ihre den Raubvorsatz leugnende Verantwortung und die dargestellte Verschiedenartigkeit der Verfahrensergebnisse in Ansehung der Beschwerdeführerin (§ 345 Abs 3 StPO).

Zufolge der somit erforderlichen Aufhebung des Wahrspruches in bezug auf die Hauptfrage II hinsichtlich der Beschwerdeführerin sowie deren darauf beruhenden Schuldspruches und der Rückverweisung der Sache im Umfang des aufzuhebenden Teiles des Wahrspruches und des Urteils an das Geschwornengericht erübrigt sich ein Eingehen auf die übrigen Beschwerdeausführungen der Angeklagten B.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Im zu erneuernden Verfahren wird, abgesehen von der Stellung einer entsprechenden Schuldfrage für die Angeklagte B zum Sachverhalt der bisherigen Hauptfrage II mit der dem Gesetz entsprechenden Individualisierung durch Anführung der für die rechtliche Subsumtion bedeutsamen tatsächlichen Umstände, zu prüfen sein, ob die Verfahrensergebnisse (vgl. bisher insbesondere die, durch die Darstellung des Mitangeklagten und in objektiver Hinsicht auch durch die Zeugin C gestützte, Verantwortung der Beschwerdeführerin, wonach ihr Vorsatz lediglich darauf gerichtet gewesen sei, durch eine Art vorgetäuschter 'Geiselnahme' von der Trafikantin Geld zu erlangen), die Stellung von Eventualfragen (§ 314 Abs 1 StPO) - in der Richtung des versuchten Betruges nach den §§ 15, 146 (147 Abs 2) StGB sowie der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 286 Abs 1

StGB (mit Zusatzfrage /§ 313 StPO/ nach dem Vorliegen des Straflosigkeitsgrundes der Z 1 des zweiten Absatzes des § 286 StGB) - als Alternativen zur Hauptfrage indizierten. Die Vortäuschung einer Geiselnahme (durch Sichbemächtigen) im Sinne des § 102 Abs 1 StGB (vgl. auch Kienapfel I S.123) zum Zwecke der Beeinflussung des Willens der Zeugin C, Geld herauszugeben, könnte nämlich versuchten Betrug darstellen (vgl. EvBl 1977/119 = ÖJZ-LSK 1976/385, 386). Die Unterlassung der Hinderung ihres Komplizen, entgegen dem (behaupteten) ursprünglichen Tatplan, durch Drohung und Gewalt gegen die Zeugin C selbst vorzugehen, könnte die Beschwerdeführerin, wie sie selbst in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde einräumt, nach dem § 286 Abs 1 StGB verantwortlich machen.

Der Schwurgerichtshof ist zur Stellung einer Eventualfrage verpflichtet, wenn eine von der Anklage abweichende rechtliche Deutung der einem Angeklagten zur Last gelegten Tat nach den tatsächlichen Behauptungen (Vorbringen) und den Beweisergebnissen möglich ist (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr.35 zu § 314 StPO; SSt.39/50; ÖJZ-LSK 1978/139 u. a.). Gegenständlich könnten die erwähnten Eventualfragen nicht zu einer Anklageüberschreitung führen, weil der Beschwerdeführerin in der Anklageschrift (ON 35) ja ein Angriff auf das Vermögen der Zeugin C (bzw. deren Dienstgebern) angelastet wird. Die zu erweiternde Rechtsbelehrung hätte in Beachtung der Verantwortung der Beschwerdeführerin schließlich auch Darlegungen zur Frage der selbständigen Strafbarkeit der Beteiligten im Sinne des § 13 StGB, einschließlich des Einflusses des sogenannten excessus mandati (vgl. Leukauf-Steininger 131 f), zu enthalten.

Anmerkung

E01428

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00081.78.0907.000

Dokumentnummer

JJT_19780907_OGH0002_0120OS00081_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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