TE OGH 1978/9/12 11Os119/78

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Veröffentlicht am 12.09.1978
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Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1978

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Josefine A wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.März 1978, GZ. 1 a Vr 2038/77-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Durch die in der Strafsache gegen Josefine A wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB, AZ 1 a Vr 2038/77 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, nach der von der Angeklagten gegen das Urteil des Schöffengerichtes vom 3.Februar 1978, GZ 1 a Vr 2038/77-28, vorgenommenen Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung vom Vorsitzenden eingehaltenen Vorgänge, insbesondere die am 28.März 1978 ergangene richterliche Verfügung auf Bestellung eines Verteidigers von Amts wegen zur Ausführung der von der Angeklagten angemeldeten Rechtsmittel sowie durch die zu diesem Zweck unter einem verfügte und tatsächlich vorgenommene Urteilszustellung an den Amtsverteidiger wurde das Gesetz in den Bestimmungen der § 41 Abs. 3 und 284 Abs. 4 (285 a Z 3) StPO verletzt.

Die richterliche Verfügung auf Bestellung eines Verteidigers nach

dem § 41 Abs. 3 StPO vom 28.März 1978

und sämtliche damit in Zusammenhang stehende Beschlüsse, Verfügungen und Anordnungen, insbesondere der Beschluß des Vorsitzenden vom 24. April 1978 (ON 35), werden aufgehoben, womit die vom Amtsverteidiger erklärte Rechtsmittelrückziehung gegenstandslos wird, und es wird dem Erstgericht aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Mit ihrer Beschwerde gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 24. April 1978, GZ 1 a Vr 2038/77-35, wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 1 a Vr 2038/77, ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Februar 1978, GZ 1 a Vr 2038/77-28, wurde die am 7.Jänner 1937 geborene Altwarenhändlerin Josefine A nach durchgeführter Hauptverhandlung (ON 27) - in der die Angeklagte durch Rechtsanwalt Dr. Hermann Gaigg als Wahlverteidiger (ON 25) verteidigt worden war - des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach Urteilsverkündung meldete die Angeklagte gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (S 106 d. A). Noch vor der Zustellung des Urteils an den ausgewiesenen Wahlverteidiger gaben dieser (siehe ON 30) und die Angeklagte (siehe ON 31) dem Gericht die erfolgte Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt. Die bezügliche Mitteilung Dris. Gaigg nahm der Vorsitzende am 28.März 1978 zum Anlaß, für die Angeklagte (zur Ausführung der von dieser angemeldeten Rechtsmittel) einen 'Verteidiger gemäß § 41 Abs. 3 StPO zu bestellen' und die Zustellung einer Urteilsausfertigung an diesen zu verfügen (siehe S 119 d. A).

Dieser richterlichen Verfügung wurde dadurch entsprochen, daß der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland am 6.April 1978 den Rechtsanwalt Dr. Dieter B im Rahmen der Beigebung zum (Amts-)Verteidiger der Angeklagten bestellte (S 124 d. A), dem dann am 7.April 1978 eine Urteilsausfertigung zugestellt wurde (siehe RS /-versehentlich/- bei S 120 d. A). Am 21.April 1978 langten beim Landesgericht für Strafsachen Wien eine als 'Berufung' bezeichnete (handschriftliche) Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten (ON 33) und ein Schriftsatz des bestellten Amtsverteidigers ein, in dem dieser die Rückziehung der (von der Angeklagten angemeldeten) Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erklärt (ON 34). Mit dem am 26.April 1978 dem genannten Amtsverteidiger zugestellten Beschluß vom 24.April 1978, GZ 1 a Vr 2038/77-35, wies der Vorsitzende die von der Angeklagten eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 a Z 1

und Z 3 StPO zurück und erklärte am 5.Juni 1978 (siehe ON 37) das Urteil unter Hinweis auf die die Rechtsmittelrückziehung durch den Amtsverteidiger enthaltende ON 34

'für rechtskräftig am 21.4.1978'.

Am 8.Mai 1978 langte beim Präsidium des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eine gegen diesen Zurückweisungsbeschluß und gegen den Vorsitzenden gerichtete Beschwerde der Angeklagten Josefine A ein (S 161 ff d. A), die an den Vorsitzenden weitergeleitet, von letzterem unter Aktenanschluß dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt (ON 38), von diesem aber mit dem Hinweis auf den § 285 b Abs. 2 StPO dem Erstgericht zur Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof zurückgestellt wurde. Am 14.Juni 1978 wurden schließlich die Akten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt (ON 39).

II./ Die geschilderte, vom Vorsitzenden des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eingehaltene Vorgangsweise steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Wird ein Angeklagter vom Schöffengericht verurteilt und erhebt er gegen dieses Urteil (rechtzeitig) das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde, so muß zwar gemäß dem § 285 a Z 3 StPO die (nicht zu Protokoll gegebene) Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde von einem Verteidiger unterschrieben sein - wobei zur Beseitigung eines allfälligen diesbezüglichen (formalen) Mangels im Sinne des Schlußsatzes der zitierten Gesetzesbestimmung vorzugehen ist -, doch sieht das Gesetz hiezu die Bestellung eines Amtsverteidigers im Sinne des § 41 Abs. 3 StPO nicht vor (vgl. SSt 35/65 und EvBl. 1973/128). Im vorliegenden Fall lehnte übrigens die Angeklagte selbst die Beigabe eines Amtsverteidigers oder eines Verteidigers nach dem § 41 Abs. 2 StPO ab (siehe S 161 d. A), sie beantragte vielmehr schon am 7.Februar 1978 die Zustellung einer Urteilsausfertigung samt Protokollabschriften an sie persönlich (siehe S 121 d. A).

Im Anlaßfall wäre daher richtigerweise auf Grund der Rechtsmittelanmeldung der Angeklagten in der Hauptverhandlung und der noch vor der Urteilszustellung an den ausgewiesenen Wahlverteidiger dem Gericht bekanntgewordenen Vollmachtskündigung desselben der Angeklagten persönlich, unter Anschluß einer vollständigen (vgl. insbes. § 285 a Z 3 StPO) Rechtsmittelbelehrung, eine Urteilsabschrift (Urteilsausfertigung) zuzustellen (§ 284 Abs. 4 StPO) gewesen.

Im übrigen wäre es der Angeklagten selbst überlassen geblieben, zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel einen Verteidiger zu wählen (§ 39 Abs. 1 StPO), oder die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt (unter Hinweis auf die Tatumstände, welche die Nichtigkeitsgründe bilden sollen) zu Protokoll zu geben (§ 285 a Z 3 StPO), oder aber, im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen nach dem § 41 Abs. 2 StPO die Beigabe eines Verteidigers nach dieser Gesetzesstelle für die Ausführung der Rechtsmittel und für das anschließende Rechtsmittelverfahrens zu beantragen. Dies wurde vorliegend unterlassen. Die demgegenüber zwecks Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel erfolgte Beigabe eines Amtsverteidigers gemäß dem § 41 Abs. 3 StPO widersprach nach dem Gesagten dem Gesetz, die Rechtsmittelrückziehung durch diesen Amtsverteidiger war daher wirkungslos und der auf diese Rückziehungserklärung gestützte Beschluß des Vorsitzenden vom 24. April 1978 (auf Zurückweisung der von der Angeklagten eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde) verfehlt. Diese Beschlüsse und Verfügungen wirkten sich - als Beschränkung der Rechte der Angeklagten auf Rechtsmittelausführung - zu deren Nachteil aus. Wegen des Unterbleibens einer (ordnungsgemäßen) Urteilszustellung an die Angeklagte persönlich (vgl. § 79 Abs. 3 StPO), ist das gegenständliche Urteil - entgegen der vorerwähnten Beurkundung des Vorsitzenden - noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

Aus den aufgezeigten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E01525

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00119.78.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19780912_OGH0002_0110OS00119_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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