TE OGH 1978/10/5 13Os133/78

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Veröffentlicht am 05.10.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Oktober 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführers in der Strafsache gegen Harald A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 2 StGB über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 23. Juni 1978, GZ. 25 Vr 597/78-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Mold und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.12. 1963 geborene Sonderschüler Harald A des Vergehens des schweren

Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128

Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 20.1.1978 in Linz in einem der Religionsübung dienenden Raum, nämlich der Kirche 'Guter Hirte', eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Opferstock im Werte von S 200,-- mit ca. S 40,-- Bargeld Verfügungsberechtigten der Pfarrgemeinde 'Guter Hirte' mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er dem Jugendschöffengericht zum Vorwurf macht, zu Unrecht nicht das Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes nach dem § 10 JGG 1961 angenommen zu haben. Die Beschwerde räumt hiebei zwar das Vorhandensein der Fähigkeit des jugendlichen Angeklagten ein, das Unrechtmäßige der von ihm gesetzten Tat einzusehen, bestreitet aber insbesondere unter Hinweis auf das Alter von bloß 14 Jahren und 20 Tagen zur Tatzeit, die unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung und die besonders verlockenden Tatumstände (Vorfinden eines nicht wirksam befestigten Opferstockes in einer menschenleeren Kirche), daß dieser zum Zeitpunkt der Tat auch reif genug war, dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Das Erstgericht habe daher die Rechtsfrage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 JGG 1961 unrichtig gelöst.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist nicht begründet.

Denn das Erstgericht ging bei der bekämpften Beurteilung des Reifegrades des Angeklagten nicht allein von dessen persönlichem Eindruck in der Hauptverhandlung aus, wo er einen normalen geistigen Eindruck machte und keinerlei Auffälligkeiten zeigte - für welchen Eindruck entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch nicht ausschlaggebend ins Gewicht fallen konnte, daß der Angeklagte inzwischen gegenüber der Tatzeit um etwa fünf Monate älter geworden war und sein besonderes Bemühen um eine 'ordentliche Verhaltensweise' vor Gericht vorausgesetzt werden kann - , sondern vermochte sich hiebei in schlüssiger Weise (vgl. S. 42 ff d. A) auch auf den (in der Hauptverhandlung verlesenen: S. 36 d. A) Inhalt der Jugenderhebungen und Schulnachrichten (ON 5 und 7 d. A) zu stützen, wonach der Angeklagte in der von ihm besuchten Sonderschulklasse mit durchschnittlichen Gesamtleistungen aufwartete, er ein überdurchschnittliches Begabungsniveau aufweist, keine Hinweise auf eine von der Norm abweichende, verzögerte Entwicklung in geistiger und/oder körperlicher Beziehung gegeben sind und der Jugendliche in seinem Elternhaus in geordneten Verhältnissen lebt. Angesichts dessen hat das Erstgericht zu Recht das Vorhandensein 'besonderer Gründe' im Sinne von Entwicklungshemmungen außergewöhnlichen Grades, welche die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten gemäß § 10 JGG 1961 ausschließen würden, verneint und ist in der zutreffenden Erwägung, daß gerade die Unerlaubtheit der Wegnahme fremder Sachen jedem Schulkind geläufig gemacht wird und sohin keiner komplizierteren Einsichten bedarf, davon ausgegangen, daß der Angeklagte auch schon zur Tatzeit - und nicht etwa erst in der Hauptverhandlung, in der er ein volles Geständnis ablegte - nicht bloß die intellektuelle und sittliche Reife besaß, sein unrechtmäßiges und sozialschädliches Verhalten als solches zu erkennen, sondern auch in der Lage war, den diesbezüglichen Pflichtgeboten zu gehorchen und sohin dieser Einsicht gemäß zu handeln (S. 44). Es hat daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht bloß dessen Diskretionsfähigkeit, sondern auch seine Dispositionsfähigkeit zu Recht bejaht und sohin ohne Rechtsirrtum das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Schuldausschließungsgrundes nach dem § 10

JGG 1961 verneint.

Die Rüge erweist sich daher als unbegründet, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen war. Das Erstgericht hat den festgestellten Sachverhalt insoweit teilweise einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterzogen, als der Angeklagte nur in Ansehung des Inhaltes des Opferstockes (ca. S 40,-- Bargeld) des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 2 StGB, hinsichtlich der Wegnahme des Opferstockes selbst hingegen des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB schuldig zu erkennen gewesen wäre. Es konstatierte nämlich - im Einklang mit dem gesamten äußeren Tatablauf - daß der Angeklagte den Opferstock deshalb aus seiner Verankerung gehoben hat, um sich seines Inhaltes zu bemächtigen, was er dann auch tat. Hingegen hat es einen Bereicherungsvorsatz des Angeklagten in bezug auf das Behältnis (den Opferstock) weder festgestellt, noch hätten die Verfahrensergebnisse eine derartige Feststellung gerechtfertigt, da der Angeklagte den Opferstock - nach Herausschütteln des Geldes - in der Nähe der Kirche bei einer Baustelle liegen ließ, wo er zufolge Planierung derselben später nicht mehr gefunden werden konnte (S. 15, 16). Daraus erhellt aber, daß der (zumindest bedingte) Vorsatz des Angeklagten insoweit ersichtlich bloß darauf gerichtet war, die Verfügungsberechtigten der Pfarrgemeinde 'Guter Hirte' dadurch zu schädigen, daß er den Opferstock aus deren Gewahrsam dauernd - da auf eine Art, die nach dem gewöhnlichen Gang der Dinge keine Wiedererlangung durch den Berechtigten erwarten ließ - entzog, ohne jedoch die Sache sich oder einem Dritten zueignen zu wollen (vgl. 12

Os 56/75 = ÖJZ-LSK 1975/175, 12 Os 173/75 = ÖJZ-LSK 1976/

109, und 9 Os 171/75 = ÖJZ-LSK 1976/190). Diese den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklichende Gesetzesverletzung wurde vom Beschwerdeführer nicht aufgegriffen. Dem Oberste Gerichtshof erscheint aber kein Erfordernis für eine Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO in dieser Richtung gegeben, weil sich die Gesetzesverletzung im Ergebnis nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Denn eine Unterstellung der Opferstockwegnahme unter den § 135 Abs. 1 StGB würde an der Beurteilung des Diebstahles des Geldes als Vergehen des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 2 StGB, somit an Qualifikation und anzuwendendem Strafsatz in bezug auf den Diebstahl, nichts ändern und müßte im Gegenteil, was die Strafzumessungsgründe anlangt, - vom Erstgericht wurde ohnehin nur mit einer bedingten Verurteilung nach dem § 13

JGG 1961 vorgegangen - zur Annahme des Erschwerungsgrundes des § 33 Z 1 StGB (§ 28 StGB) führen, welcher dadurch kaum aufgewogen würde, daß sich anderseits der Wert des gestohlenen Gutes von ohnedies nur ca. S 240,-- auf ca. S 40,-- verringert (vgl. hiezu auch 11 Os 16/77 sowie 11 Os 79/77 = ÖJZ-LSK 1977/358).

Anmerkung

E01562

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00133.78.1005.000

Dokumentnummer

JJT_19781005_OGH0002_0130OS00133_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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