TE OGH 1978/11/29 10Os148/78

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Veröffentlicht am 29.11.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c des Bundesgesetzes vom 31.März 1950, BGBl. Nr. 97, über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 17.April 1978, GZ. 1 b Vr 1268/76-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lenneis und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Geldstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von 2 (zwei) Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. wird das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Vorhaft aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Gemäß § 38 StGB. wird dem Angeklagten die Vorhaft vom 19.November 1976, 10,40 Uhr, bis 11.Jänner 1977, 15,20 Uhr, für den Fall des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht auf die Strafe angerechnet. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.März 1921 geborene kaufmännische Angestellte Josef A im zweiten Rechtsgang neuerlich des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c des Bundesgesetzes vom 31.März 1950, BGBl. Nr. 97 (Pornographiegesetz), schuldig erkannt, weil er von Mitte Juli bis 21. August 1976 und von Anfang November bis 18.November 1976 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht unzüchtige Schriften, Abbildungen, Laufbilder und andere unzüchtige Gegenstände, nämlich die im Spruch des erstinstanzlichen Urteils angeführten Bücher, Taschenbücher, Magazine, Filme, Bildbände und Tonbandkassetten, zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten hat. Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In der Beschwerde vertritt der Angeklagte unter Bezug auf die in den Gründen des angefochtenen Urteils enthaltene Feststellung, wonach er sicher nicht jedes der inkriminierten Exemplare Zeile für Zeile und Bild für Bild zur Kenntnis genommen habe (S. 157), die Auffassung, daß ihm, berücksichtige man die zahlreichen ursprünglich beschlagnahmt gewesenen Exemplare, bei allen denen von harter Pornographie keine Rede sein konnte, bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht einmal der sogenannte bedingte böse Vorsatz nachgewiesen sei und daher mit einem Freispruch vorzugehen gewesen wäre. Zudem habe das Erstgericht seiner Verpflichtung nicht entsprochen, hinsichtlich jeglichen Druckwerks, Films usw., bezüglich dessen ein Schuldspruch ergangen ist, konkret anzuführen, worin im betreffenden Fall die sogenannte harte Pornographie erblickt werde. Da vorliegend der zu schützende Kreis der Jugendlichen weder angesprochen worden sei noch angesprochen werden sollte, könne tatbildlich nur das sein, was unmittelbar der harten Pornographie zu unterstellen ist.

Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund ist nicht gegeben.

Was zunächst die subjektive Tatseite anlangt, so gesteht das Erstgericht dem Angeklagten zwar zu, nicht jedes Exemplar Zeile für Zeile und Bild für Bild zur Kenntnis genommen zu haben, hat aber dennoch die überzeugung gewonnen, daß der Angeklagte davon wußte, daß es sich tatsächlich um harte Pornographie handelte, was auf Grund der äußeren Aufmachung und des Bildinhalts der inkriminierten Gegenstände schon bei nur flüchtiger Besichtigung und nur flüchtigem Durchblättern eindeutig festzustellen ist, und daß der Angeklagte sich somit vollkommen im klaren darüber war, mit verbotenem Material zu handeln.

In diesem Zusammenhang wird in den Entscheidungsgründen darauf hingewiesen, daß der Angeklagte über Anraten seines später verhafteten Vorgängers Taschenbücher und Magazine erst ab 15 Uhr zum Verkauf aufgelegt hatte und daß er vor dem Untersuchungsrichter bekundet hat, die beschlagnahmten Bücher und Zeitschriften einer stichprobenartigen oberflächlichen Prüfung unterzogen zu haben; eine genaue Prüfung sei aber gar nicht notwendig gewesen, um eindeutig auf den der harten Pornographie zuzuzählenden Gesamtinhalt der inkriminierten Gegenstände schließen zu können (Seiten 157-159). Daß der Angeklagte jede einzelne als sogenannte harte Pornographie im Sinn der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 6.Juni 1977, 13 Os 39/77, LSK. 1977/254, 255 =

RZ. 1977 S. 178, generell als unzüchtig anzusehende Abbildung und jede einzelne derartige Textstelle gekannt hat, war zur Annahme seines vorsätzlichen Handelns nicht erforderlich. Denn für die Erfüllung der subjektiven Tatseite würde sogar ein vorsätzliches Unterlassen jeglicher überprüfung einschlägiger Ware genügen, falls der Täter deren unzüchtigen Inhalt zumindest ernstlich für möglich hält und, sich mit dieser Möglichkeit abfindend (§ 5 Abs. 1, zweiter Halbsatz, StGB.), die betreffenden Gegenstände dennoch in gewinnsüchtiger Absicht zum Zweck der Verbreitung vorrätig hält und anderen anbietet (vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, Entscheidungen 34 und 35 zu § 1 PornG.), wie dies dem Angeklagten zur Last fällt. Mit dem Einwand, daß ursprünglich noch mehr Gegenstände beschlagnahmt worden waren, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil der Unzüchtigkeitsbegriff des § 1 des Pornographiegesetzes damals noch strenger ausgelegt worden war (siehe die Ausführungen in den Gründen der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 30.November 1977, 10 Os 37/77) und zudem die überwiegende Mehrzahl der seinerzeit beschlagnahmten Gegenstände ohnehin auch dem in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 6.Juni 1977, 13 Os 39/77, dargelegten Begriff der - generell als unzüchtig zu beurteilenden - harten Pornographie zuzuordnen war.

Einer detaillierten Anführung jener Bilder und Textstellen, die im einzelnen die Unzüchtigkeit der vom Schuldspruch erfaßten Bücher, Magazine usw. begründen, welche in der Hauptverhandlung geprüft worden sind, wobei es dem Angeklagten und seinem Verteidiger unbenommen gewesen wäre, entsprechende Hinweise zu geben und Einwendungen vorzubringen, hat es nach Lage des Falls nicht bedurft. Aus den Gründen des vom Angeklagten insoweit gar nicht angefochtenen Urteils ergibt sich, daß der harten Pornographie alle im Schuldspruch aufgezählten Gegenstände angehören, in denen überwiegend lesbische Beziehungen sehr ausführlich in Bild und Text, aber auch Unzuchtshandlungen mit Kindern, sadomasochistische Betätigungen und Vergewaltigungsszenen geschildert werden (S. 156). Bei dieser Sachlage geht der - an sich zutreffende - Hinweis des Beschwerdeführers, daß im vorliegenden Fall mangels einer Konfrontation der inkriminierten Gegenstände mit der Allgemeinheit und des durch die Art ihrer Präsentation (in einem sogenannten Sex-Shop) begründeten Ausschlusses auch der abstrakten Möglichkeit einer Erregung öffentlichen örgernisses oder der Gefährdung Jugendlicher (vgl. LSK. 1977/255) nur harte Pornographie tatbildlich sein konnte, ins Leere.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Entgegen der im Gerichtstag von der Verteidigung vorgetragenen Ansicht hat der Oberste Gerichtshof keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Pornographiegesetzes.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde vermochte der Oberste Gerichtshof sich jedoch davon zu überzeugen, daß Grund zu einer Maßnahme gemäß dem § 290 Abs. 1 (zweiter Satz, erster Fall) StPO. besteht, weil das Strafgesetz insofern zum Nachteil des Angeklagten Josef A unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs. 1 Z. 11 StPO.), als dem Genannten die in der Zeit vom 19.November 1976, 10 Uhr 45, bis 11.Jänner 1977, 15 Uhr 20, erlittene Vorhaft (nur) für den Fall des Vollzugs der bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe bloß auf die Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet worden ist.

Dies steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil § 38 StGB. die Anrechnung der Vorhaft auf Freiheitsstrafen und Geldstrafen vorsieht. Eine Vorhaft ist daher im Urteil auf die Strafe an sich anzurechnen; welche Strafe dann aktuell durch die Anrechnung verkürzt wird, entscheidet sich erst bei der Veranlassung des Strafvollzugs.

Es war daher gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. das erstinstanzliche Urteil im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aufzuheben und insoweit (mit berichtigter Uhrzeit: 19. November 1976, 10 Uhr 40: siehe S. 55 in ON. 10) wie im Spruch zu erkennen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 1 Abs. 2 PornG. unter Anwendung des § 37 StGB.

zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 120 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Hiebei wertete es als erschwerend den Umfang der pornographischen Sachen, als mildernd die Sicherstellung eines erheblichen Teils der pornographischen Schriften.

Mit seiner Berufung strebt Josef A die bedingte Strafnachsicht an. Die Berufung ist berechtigt.

Das Erstgericht hat bei der Strafzumessung den Mangel einschlägiger Vorstrafen offenbar nicht zum Tragen gebracht.

Auch die vom Berufungswerber ins Treffen geführte Tatsache, daß er trotz seines vorgerückten Alters den Beruf gewechselt hat und eine neue, sozial integrierte Funktion innerhalb der Gemeinschaft zu erfüllen trachtet, läßt ein künftiges Wohlverhalten des Angeklagten erwarten. Dazu kommt noch, daß der Angeklagte die Ersatzfreiheitsstrafe bis auf wenige Tage durch die angerechnete Vorhaft verbüßt und auf diese Weise ein Strafübel schon in ausreichendem Maß verspürt hat.

Zusammenfassend zeigt sich somit, daß alle Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 StGB. erfüllt sind, weshalb dem Berufungsbegehren der Erfolg nicht zu versagen war.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01700

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00148.78.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19781129_OGH0002_0100OS00148_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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