TE OGH 1978/11/30 13Os144/78

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Veröffentlicht am 30.11.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. November 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Herwig A wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. März 1978, GZ 2 b Vr 8206/77-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ringhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Schuldspruchfaktum 1) unberührt bleibt, im Punkt 3) des Urteilssatzes, gemäß § 290 Abs 1 StPO auch in seinem Punkt 2) sowie im Strafausspruch aufgehoben. Hinsichtlich Punkt 3) des Urteilssatzes (betreffend den Schuldspruch des Angeklagten wegen § 297 Abs 1 StGB) wird die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen; hingegen wird zu Punkt 2) des Urteilssatzes gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Herwig A wird von der Anklage, er habe am 1. Oktober 1977 in Guntramsdorf bei Begehung der ihm laut dem unberührt bleibenden Punkt 1) des Urteilssatzes zur Last fallenden Tat die Gendarmeriebeamten Peter B und Walter C während der Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt und hiedurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Schuldspruchfaktum 2) richtet, wird sie, ebenso wie die Berufung, auf diese Entscheidung verwiesen;

im übrigen wird sie verworfen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Hilfsarbeiter Herwig A des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1 StGB (Punkt 1) des Urteilssatzes), des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 StGB (Punkt 2) des Urteilssatzes) und des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB (Punkt 3) des Urteilssatzes) schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des Urteilsspruches wird ihm angelastet, er habe zu 1):

am 1. Oktober 1977 in Guntramsdorf versucht, die Gendarmeriebeamten Peter B und Walter C, die im Begriffe waren, ihn nach seiner Festnahme zum Gendarmerieposten zu eskortieren und dort in den Arrest abzugeben, durch Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern, und zwar dadurch, daß er Walter C einen Stoß gegen die Brust versetzte, wodurch dieser den Angeklagten kurzfristig loslassen mußte und ein bis zwei Meter zurücktaumelte, sowie dadurch, daß er, als Peter B und Walter C ihn wieder erfassen und in den Streifenwagen bringen wollten, um sich schlug; zu 2): am 1. Oktober 1977 in Guntramsdorf dadurch, daß er gelegentlich seiner Verladung im Streifenwagen der Gendarmerie diesem Vorgang derartigen Widerstand entgegensetzte, daß die ihn eskortierenden Gendarmeriebeamten an harten PKW-Teilen entlangschliffen bzw sich daran stießen, wodurch Walter C eine oberflächliche Schürfverletzung am rechten Handrücken und Peter B eine oberflächliche Kratzverletzung am Daumen, eine Blutunterlaufung am rechten Unterarm und eine Prellung am rechten Handgelenk erlitten, die Genannten fahrlässig am Körper verletzt; zu 3): Peter B und Walter C von Amts wegen zu verfolgender, mit Strafe bedrohter Handlungen wissentlich falsch verdächtigt und sie hiedurch der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt, und zwar a) am 1. Oktober 1977 in Perchtoldsdorf auf dem Gendarmerieposten durch die Behauptung, die beiden Beamten hätten ihm einen Geldbetrag von ca S 400 abgenommen, womit er sie des Vergehens des Diebstahls nach den § 127 Abs 1 und Abs 2 (Z 1), 313 StGB bezichtigte und b) am 24. November 1977 in Wien vor dem Untersuchungsrichter durch die Behauptung, diese Beamten hätten ihm Faustschläge in das Gesicht versetzt, weil er ihnen seine Identität verschwiegen hätte, wodurch er auch verletzt worden sei, womit er sie des Vergehens der Körperverletzung nach den § 83 Abs 1, 313 StGB bezichtigte. Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum Schuldspruchfaktum 1): Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhebt der Beschwerdeführer den Vorwurf, der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen sei in Ansehung des Schuldspruchs wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt aktenwidrig, unvollständig und unzureichend begründet sowie mit einem Widerspruch behaftet.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge ist unbegründet.

Die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Aktenwidrigkeit, wonach er nach Brechung seines aktiven Widerstands angeblich gefesselt worden sein soll, wurde vom Erstgericht durch entsprechende Urteilsberichtigung beseitigt (vgl ON 31 dA); für die Beurteilung des - zeitlich vorangehenden -

Tatverhaltens des Angeklagten als versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt ist dieser Umstand im übrigen nicht entscheidungswesentlich.

Die Urteilsfeststellung, der Angeklagte sei bei seinen bezüglichen, nach ausgesprochener Festnahme gesetzten Handlungen vom Vorsatz geleitet gewesen, die beiden Gendarmeriebeamten an seiner Eskortierung zum Gendarmerieposten zu hindern, wurde vom Erstgericht mit dem Hinweis auf die unmittelbare zeitliche Aufeinanderfolge zwischen der Aufforderung, im Streifenwagen zum Zwecke der Eskorte Platz zu nehmen, und der Attacke gegen die beiden Gendarmeriebeamten, sowie auf die schon aus der Tathandlung - dem Zurückstoßen eines Gendarmeriebeamten - selbst deutlich erkennbare Tendenz, eine Fluchtmöglichkeit zu schaffen (vgl S 224 dA), schlüssig und zureichend begründet.

Den Beschwerdeausführungen zuwider läßt sich ferner aus dem Umstand, daß der Angeklagte nach Brechung seines aktiven Widerstands nicht gefesselt wurde, ein logischer Widerspruch zur Annahme erfolgter Tätlichkeiten gegen die einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht ableiten, zumal das Erstgericht - entgegen der gegenteiligen Darstellung in der Beschwerde - den Nachweis, daß die Verletzungen der Gendarmeriebeamten im Zuge des Versuches des Angeklagten, die Amtshandlung durch aktiven Widerstand zu verhindern, erfolgten, als nicht erbracht erachtete und annahm, daß diese Verletzungen erst im Zuge des nachfolgenden (bloß) passiven Widerstands des Angeklagten gegen seine Verbringung in den Streifenwagen entstanden seien (vgl S 218 dA).

Ebensowenig kann ein Widerspruch darin erblickt werden, daß das Erstgericht bezüglich des Verhaltens des Angeklagten auf dem Gendarmerieposten, wo er zu toben begann und schließlich an Händen und (nach Verbringung in das Arrestlokal) auch an den Füßen geschlossen werden mußte, einen auf Verhinderung einer Amtshandlung gerichteten Tätervorsatz nicht als gegeben annahm. Da dieser Vorfall nicht Gegenstand des Schuldspruchs ist, bedurfte es insoweit auch keiner weiteren Begründung.

Im übrigen stützte das Erstgericht die dem Schuldspruchfaktum 1) zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen auf die Angaben der Zeugen C und B, an deren Richtigkeit es, soweit diese Aussagen die vom Angeklagten entfalteten Tätlichkeiten betrafen, keinerlei Zweifel hegte (vgl S 221 ff dA). In dieser Phase des Geschehens war der Zeuge Dr. Peter D nicht anwesend, weshalb sich ein Eingehen auf die unter dem Gesichtspunkt einer mangelhaften Begründung erhobenen Einwände gegen die Ablehnung der Aussage dieses Zeugen als unglaubwürdig in diesem Zusammenhang erübrigt.

Soweit sich aber die Beschwerdeausführungen sonst auch auf das Schuldspruchfaktum 1) beziehen, ergeben sie nach keiner Richtung hin den Nachweis eines formellen Begründungsmangels, sondern erschöpfen sich in einer unzulässigen und daher unbeachtlichen Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung.

Sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer ferner mit der Behauptung, das angefochtene Urteil enthalte zur Frage der Rechtmäßigkeit des Einschreitens der beiden Gendarmeriebeamten gegen ihn keine Begründung, einen Feststellungsmangel geltend. Seine Auffassung, es sei entscheidungswesentlich, ob gegen ihn ein begründeter Betrugsverdacht oder nur ein zivilrechtlicher Anspruch bestand und ob er das Einschreiten der Gendarmeriebeamten für berechtigt hielt, erweist sich indes als rechtlich verfehlt. Gemäß dem § 269 Abs 1 StGB ist ein Täter wegen einer nach dem Abs 1 tatbestandsmäßigen Handlung nämlich nur dann nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung seiner Art nach nicht berechtigt war oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt. Diese Voraussetzungen, deren Vorliegen von der Beschwerde gar nicht behauptet wurde, treffen nach dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt auf die von den Gendarmeriebeamten B und C gegen den Angeklagten ausgesprochene Festnahme und seine nachfolgende Eskortierung auf den Gendarmerieposten Guntramsdorf nicht zu. Unerheblich ist hingegen - worauf die Beschwerde hinausläuft -, ob die Amtshandlung materiell richtig oder gar zweckmäßig war (LSK 1976/16 = EvBl 1976/187; LSK 1977/168); ebensowenig ist ein bloßer Irrtum über die materiellrechtliche Richtigkeit der Amtshandlung beachtlich (vgl LSK 1977/289).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

daher zu verwerfen.

Zum Schuldspruchfaktum 2):

Nach den Urteilsfeststellungen erlitten die Gendarmeriebeamten C und B bei der mit Brachialgewalt erfolgten Verbringung des Angeklagten in den Streifenwagen leichte Verletzungen, die jeweils (keine Berufsunfähigkeit, sondern nur) eine Gesundheitsschädigung von nicht mehr als dreitägiger Dauer bewirkten. Die Strafbarkeit einer bloß fahrlässig herbeigeführten Körperverletzung, wie sie dem Angeklagten im Urteil zur Last gelegt wird, hätte demnach gemäß dem § 88 Abs 2 StGB das Vorliegen eines schweren Verschuldens erfordert, worunter nach ständiger Rechtsprechung zu verstehen ist, daß dem Täter eine ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit zur Last fällt und ihm der Eintritt eines Schadens an Leib und Leben nicht bloß als entfernt möglich, sondern als wahrscheinlich vorhersehbar war. Der Auffassung des Erstgerichtes, daß dieser Voraussetzung durch das Leisten passiven Widerstands bei Verbringung in einen Streifenwagen entsprochen ist, kann - ganz abgesehen von der Frage, inwiefern ein solches Verhalten überhaupt als Fahrlässigkeitshandlung in Betracht kommt - nicht gefolgt werden.

Daß die die Eskortierung besorgenden Gendarmeriebeamten zufolge Widerstrebens des Festgenommenen durch Anstoßen an harten Fahrzeugteilen Verletzungen erlitten, läßt jedenfalls ein schweres Verschulden des Angeklagten im Sinne des § 88 Abs 2 StGB nicht erkennen.

Es zeigt sich sohin, daß das Urteil im Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung (Punkt 2) des Urteilssatzes) mit einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten, gemäß dem § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmenden materiellrechtlichen Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist, die zu einer Urteilsaufhebung und zu einem Freispruch des Angeklagten in diesem Umfang führt. Ein Eingehen auf die weiteren Rechtsmittelausführungen zu diesem Schuldspruchfaktum erübrigt sich demnach und es war der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde diesbezüglich auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Zum Schuldspruchfaktum 3):

Die Generalprokuratur vertritt diesbezüglich die Ansicht, daß der Angeklagte von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf in Richtung des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gemäß § 290 Abs 1 StPO) sogleich freizusprechen sei und begründete dies wie folgt:

Der Tatbestand nach § 297 Abs 1 StGB erfordert in jedem Fall, daß der Täter einen anderen durch die wissentlich falsche Verdächtigung einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht konkret der Gefahr einer (straf-) behördlichen Verfolgung aussetzt. Zu einer solchen Verfolgung muß es zwar dann nicht wirklich kommen; wohl aber muß es im konkreten Fall wenigstens wahrscheinlich, dh nicht bloß möglich, sondern als regelmäßige Folge unmittelbar zu erwarten sein, daß irgendeine Behörde den Verdächtigten verfolgen werde, damit von einer (konkreten) Gefahr behördlicher Verfolgung gesprochen werden kann (vgl SSt 46/39, 10 Os 112/76, 11 Os 81/76 ua). Ist hingegen eine falsche Beschuldigung im konkreten Fall derart unglaubwürdig, daß von vornherein nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines Einschreitens der Behörde gegen den Verdächtigten besteht, dann ist das in Rede stehende Tatbildmerkmal der Gefahr einer behördlichen Verfolgung schon objektiv nicht gegeben.

Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht zwar fest, daß der Angeklagte ernstlich mit der Möglichkeit rechnete, daß seine (bewußt) falsche Bezichtigung zur strafgerichtlichen Verfolgung oder zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die verdächtigten Gendarmeriebeamten führen werde, und daß er sich mit dieser Möglichkeit innerlich positiv abfand. Es traf jedoch - sieht man von der Wiedergabe der verba legalia im Urteilsspruch ab - keine Feststellungen, daß diese der konkreten Gefahr behördlicher Verfolgung tatsächlich ausgesetzt worden wären.

Zu einer solchen Konstatierung hätte das Erstgericht auf Grund der Verfahrensergebnisse auch gar nicht gelangen können, weil die inkriminierten Behauptungen des Beschwerdeführers weder von einer vorgesetzten Dienstbehörde, noch vom Untersuchungsrichter oder von der Staatsanwaltschaft zum Anlaß für irgendwelche Maßnahmen - und sei es nur für Erhebungen zu den erhobenen Beschuldigungen - gegen die verdächtigten Beamten genommen wurden. Unter diesen Umständen kann schon in objektiver Hinsicht nicht davon die Rede sein, daß die bezichtigten Gendarmeriebeamten durch die vom Angeklagten gegen sie vorgebrachten falschen Bezichtigungen der konkreten Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt worden wären, wie dies das Erstgericht ohne Begründung rechtsirrig annimmt.

Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden:

Auszugehen ist davon, daß das Verbrechen nach § 297 Abs 1 StGB zu seiner Vollendung nicht erfordert, daß es wirklich zu einer behördlichen Verfolgung gekommen ist (Dokumentation, 232; EvBl 1976/253; JBl 1976, 549;

RZ 1976/105; ÖJZ-LSK 1976/181). Allein daraus, daß im Einzelfall eine behördliche Verfolgung unterblieb, kann daher nicht der Schluß gezogen werden, es habe (von Anfang an) keine Verfolgungsgefahr bestanden. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob Deliktsvollendung vorliegt, ist vielmehr, ob die Verdächtigung bei Kenntnisnahme durch die Behörde unter Zugrundelegung der Vorschriften der § 34 Abs 1, 84 Abs 1 und 87 Abs 1 StPO die vom Täter angestrebte behördliche Verfolgung des Verdächtigten in den Bereich naher Wahrscheinlichkeit (vgl hiezu Rittler II 2 503 f und Nowakowski, Grundzüge 45, zum Begriff 'Gefahr') rückte oder nicht. Fällt diese Prüfung positiv aus, dann liegt dem Täter das vollendete Verbrechen der Verleumdung zur Last, unabhängig davon, ob sich im konkreten Falle ein behördliches bzw staatsanwaltschaftliches Organ veranlaßt gesehen hat, in Form einer Verfolgungshandlung einzuschreiten oder nicht.

Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Denn die vom Angeklagten wiederholt aufgestellten Behauptungen, die Gendarmeriebeamten B und C hätten ihm 400 S abgenommen und ihn durch Faustschläge gegen das Gesicht verletzt, können angesichts ihrer Konkretheit und des Umstands, daß der Angeklagte tatsächlich Verletzungen im Gesicht aufwies (S 61), keineswegs als von vornherein unglaubwürdig und mithin als ungeeignet angesehen werden, zum Anlaß für Verfolgungshandlungen gegen die bezichtigten Beamten genommen zu werden; die Vornahme solcher Handlungen wäre daher nach dem Legalitätsprinzip durchaus nahegelegen.

Gegen die - vom Angeklagten auch gar nicht bekämpfte - objektive Tatbildlichkeit seines Verhaltens im Sinne des § 297 Abs 1 StGB bestehen daher keine rechtlichen Bedenken.

Hingegen ist seine Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie dem angefochtenen Urteil unter der Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO mangelhafte Begründung der zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen zum Vorwurf macht, begründet:

Zum Urteilsfaktum 3 a stellte das Erstgericht fest (S 219 f), der Angeklagte habe bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch den zuständigen Gendarmerieabteilungskommandanten gegen die (allein in Frage kommenden) Gendarmeriebeamten Peter B und Walter C den Vorwurf erhoben, sie hätten ihm einen Geldbetrag von 400 S weggenommen, wobei er habe zum Ausdruck bringen wollen und für den Vernehmenden auch zum Ausdruck gebracht habe, daß diese Wegnahme widerrechtlich und ohne daß sie in der hiefür vorgesehenen Form festgehalten worden sei (Standblatt) erfolgt wäre. Der Angeklagte habe gewußt, daß diese Bezichtigung der Gendarmeriebeamten falsch war.

Zur Begründung dieser Feststellung führte das Erstgericht ua folgendes aus: 'Selbst wenn man davon ausginge, daß der Beschuldigte vor seiner Festnahme, als er im Gasthaus E die Zeche bezahlte, noch diesen Geldbetrag in seinem Besitz zu haben glaubte und bei seiner zweiten Durchsuchung dann feststellen mußte, daß dieser Betrag nicht mehr vorhanden war, reicht dieser Umstand nicht hin, den Vorwurf, welchen der Angeklagte gegen die Gendarmeriebeamten (letztlich nur gegen B und C) erhob, sie hätten ihm den Geldbetrag weggenommen, subjektiv zu begründen. Der Angeklagte hat B und C demnach bewußt wahrheitswidrig eines strafbaren Verhaltens bezichtigt.' Daß diese zuletzt angeführte Schlußfolgerung aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen keinesfalls in logisch einwandfreier Weise nachvollzogen werden kann, ist offenbar: Denn wenn man dem Angeklagten zubilligt, er hätte der Meinung sein können, vor seiner Festnahme den in Frage stehenden Betrag noch in seinem Besitz gehabt zu haben und andererseits feststeht, daß sich später auf dem Gendarmerieposten das Fehlen dieser Summe herausstellte, dann mag es zwar zweifelhaft sein, ob diese Umstände (objektiv) hinreichten, den vom Angeklagten gegen die Gendarmeriebeamten erhobenen Vorwurf gerechtfertigt erscheinen zu lassen;

keinesfalls kann aber hieraus - wie die Beschwerde zutreffend hervorhebt - der vom Erstgericht gezogene Schluß, der Angeklagte habe die Beamten bewußt wahrheitswidrig bezichtigt, abgeleitet werden, zumal er noch auf dem Gendarmerieposten den ursprünglich von ihm verwendeten Ausdruck 'gestohlen' in 'weggenommen' änderte (vgl S 19 dA) und er sowohl vor dem Untersuchungsrichter (vgl S 99 f dA) als auch in der Hauptverhandlung (vgl S 114 dA) seine Behauptung, das Geld sei ihm 'weggenommen' worden, ausdrücklich darauf stützte, er habe es in seinem Sack gehabt und könne sich nicht vorstellen, daß es herausgefallen sei. Zieht man zudem noch ins Kalkül, daß der Angeklagte im Tatzeitpunkt beträchtlich alkoholisiert war - sein Blutalkoholgehalt betrug um 1,30 Uhr des 2. Oktober 1977 1,65 %o, was, auf die Tatzeit (22,15 Uhr) rückgerechnet, einen Wert von etwa 2 %o ergibt - und daß er nach den Bekundungen des Zeugen Gaston F (im Zusammenhang mit der Diebstahlsbeschuldigung) 'nicht recht ansprechbar' und 'durch Alkohol benommen' war (S 177), dann erweist sich das Ersturteil in diesem Punkte als unzureichend und undeutlich begründet und demnach mit dem angeführten Nichtigkeitsgrund behaftet.

öhnliches gilt für den im Punkt 3 b des Urteilssatzes enthaltenen Schuldspruch. Diesbezüglich stellte das Erstgericht fest (vgl S 220 dA), der Angeklagte habe bei seiner Einvernahme durch den Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Tatsachen widersprechend behauptet, er sei von den Beamten C und B am Posten in Guntramsdorf durch Fauschläge ins Gesicht mißhandelt und verletzt worden, weil er seine Identität nicht preisgegeben habe, wobei er wußte, daß diese Bezichtigung falsch war. Auf Grund der Aussagen der Zeugen B, C und G stehe fest, daß es zu keiner Mißhandlung des Angeklagten am Posten in Guntramsdorf durch Faustschläge gekommen sei und daß der Angeklagte die bei ihm festgestellten Verletzungen vielmehr bei dem mit Brachialgewalt erfolgten 'Verladen' in den Streifenwagen erlitten habe. Dies stehe auch im Einklang mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H, der die Version B und C durchaus für möglich halte. Verletzungen, welche auf mehrere Faustschläge zurückgeführt werden könnten, seien jedenfalls nicht feststellbar gewesen.

Der vom Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter behauptete und der vom Gericht festgestellte Sachverhalt lägen soweit und so deutlich auseinander, daß ein Irrtum des Angeklagten (selbst wenn man seine Alkoholisierung in Betracht ziehe) ausgeschlossen werden müsse, sodaß auch hier zwingend folge, der Angeklagte habe bewußt wahrheitswidrig B und C bezichtigt, ihn im Zuge einer Dienstverrichtung mißhandelt zu haben. Hiebei übergeht das Erstgericht jedoch mit Stillschweigen, daß der Zeuge Oberstleutnant I (vgl S 183 ff dA) deponierte, seiner Erinnerung nach seien die Verletzungen der Beamten und die des Angeklagten zum größten Teil auf dem Posten passiert, als die Beamten zu Dritt den Angeklagten überwältigten bzw die Beamten hätten ihm nicht zu sagen vermocht, wo (dem Angeklagten) welche Verletzungen zugefügt wurden und daß im übrigen der medizinische Sachverständige Dr.H auf Befragen durch den Verteidiger einräumte (vgl S 210 dA), er könne nicht beurteilen, ob der Angeklagte durch 'vorbeigegangene', also ihn streifende Schläge oder dadurch verletzt worden sei, daß er beim Einsteigen in den PKW irgendwo angestreift sei. Da bei Berücksichtigung dieser Umstände, die, zusammengefaßt darauf hinauslaufen, daß der Angeklagte möglicherweise (auch) auf dem Gendarmerieposten verletzt wurde, insoweit eine andere Lösung der Beweisfrage, ob er die Gendarmeriebeamten bewußt falsch bezichtigte, denkbar wäre, weil sich dadurch die vom Erstgericht so hoch bewertete Diskrepanz zwischen der Verantwortung des Angeklagten und dem Sachverhalt, der sich aus den anderen Beweismitteln ergibt, erheblich verringerte, liegt also auch in diesem Urteilsfaktum eine den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO verwirklichende Mangelhaftigkeit in Gestalt einer Unvollständigkeit der Begründung vor.

Der gesamte Schuldspruch des Angeklagten wegen des Verbrechens der Verleumdung war sohin in Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01741

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00144.78.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19781130_OGH0002_0130OS00144_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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