TE OGH 1978/12/12 11Os124/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.1978
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 1978

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Liebetreu als Schriftführer in der Strafsache gegen Serafine A, Hermine B und andere wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. b, Abs. 3 lit. a und b, 13 Abs. 1 und ll FinStrG über die von den Angeklagten Serafine A und Hermine B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8. März 1978, GZ. 29 Vr 2302/75- 29, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamts Innsbruck nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Böck, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Serafine A und Hermine B werden verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird jedoch das erstgerichtliche Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt I/A/3 des Schuldspruches sowie in allen Strafaussprüchen aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Serafine A und Hermine B werden von der Anklage, bei Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten der Firma Serafin C & Sohn KG in der Zeit von 1969

bis einschließlich Juli 1974 durch Nichtversteuerung eines Teiles der an den Kellermeister Alexander D ausbezahlten Löhne eine Verkürzung der Lohnsteuer im Betrag von S 94.477,-- und von Dienstnehmerbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe im Betrage von S 16.140,-

bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, sohin hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 lit. b FinStrG begangen zu haben, wegen Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung dieses Finanzvergehens gemäß dem § 214 FinStrG freigesprochen.

Für das ihnen nach dem aufrecht bleibenden Teil des erstgerichtlichen Schuldspruches zur Last fallende Finanzvergehen der teils vollendeten und teils versuchten Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1, Abs. 3

lit. a und b, 13 Abs. 1 und 11 FinStrG werden gemäß dem § 33 Abs. 5 und 6 sowie dem § 19 je in Verbindung mit dem § 20 FinStrG verurteilt Serafine A zu einer Geldstrafe von S 1,000.000, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Monaten, und zur Strafe des Wertersatzes im Betrag von S 4,100.000, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer (weiteren) Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Monaten, Hermine B zu einer Geldstrafe von S 750.000, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Monaten, und zur Strafe des Wertersatzes im Betrag von S 3,077.861, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer (weiteren) Ersatzfreiheitsstrafe von 4 1/2 Monaten. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB (§ 26 Abs. 1 FinStrG) werden die Geldstrafen unter Bestimmung einer Probezeit von je 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt Innsbruck sowie die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen den genannten Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Geschäftsfrau Serafine A und die Angestellte Hermine B des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. b, Abs. 3 lit. a und b, 13 Abs. 1 und 11 FinStrG schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben die Geschwister Serafine A als geschäftsführende Gesellschafterin und Hermine B als Prokuristin (und Kommanditistin) der Weingroßhandlung Serafin C & Sohn KG in Innsbruck vorsätzlich durch unrichtige Abgabenerklärungen für die Jahre 1963 bis 1973 Verkürzungen der von diesen Unternehmen zu entrichtenden Umsatz- und Gewerbesteuer sowie der auf die Gesellschafter entfallenden Einkommen- und Vermögensteuer im Gesamtbetrag von S 1,019.317,-- bewirkt oder dazu beigetragen bzw. hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1973 zu bewirken versucht. Außerdem wurde ihnen die Hinterziehung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe im Betrag von (zusammen) S 110.617,--

durch Nichtversteuerung eines Teiles der dem (gesondert verfolgten) Kellermeister Alexander D in der Zeit von 1969 bis einschließlich Juli 1974 ausbezahlten (Schwarz-)Löhne, schließlich die in den Jahren 1964 bis 1970 begangene Hinterziehung der (ab 1. Jänner 1971 nicht mehr zu erhebenden) Weinsteuer im Betrag von S 410.151,-- zur Last gelegt.

Der Angestellte Ernst A wurde von der Anklage, in den Jahren 1968 bis 1970 zur Hinterziehung von Weinsteuer im Betrag von S 177.430,-- als Beteiligter im Sinne des § 11 (3. Fall) FinStrG beigetragen zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Erstgericht verurteilte Serafine A und Hermine B nach dem § 33 Abs. 5 FinStrG zu Geldstrafen und nach dem § 19 (§ 33 Abs. 6) FinStrG (anteilsmäßig) zur Strafe des Wertersatzes an Stelle des unvollziehbaren Verfalls von Gegenständen, hinsichtlich derer die in Punkt I/A/4 des Schuldspruchs bezeichnete Hinterziehung der Weinsteuer als einer Verbrauchsteuer begangen wurde. Dieses Urteil, das im Freispruch des Angeklagten Ernst A in Rechtskraft erwachsen ist, wird von den Angeklagten Serafine A und Hermine B im Schuldspruch mit jeweils auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z 5, Z 9 lit. a und Z 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden sowie im Strafausspruch mit Berufungen angefochten; den gegen diese beiden Angeklagten ergangenen Strafausspruch bekämpfen (nur hinsichtlich der Höhe des Wertersatzes) auch die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde mit Berufung.

In ihren Nichtigkeitsbeschwerden machen die Angeklagten den Nichtigkeitsgrund nach der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO - ohne den Umfang der darauf gegründeten Teilanfechtung des Urteils deutlich zu bezeichnen - dahin geltend, daß ein Teil der ihnen vorgeworfenen Delikte verjährt sei. Serafine A wendet diesbezüglich ein, schon wegen der Verschiedenheit der verkürzten Steuern sei fraglich, ob alle ihr angelasteten Finanzvergehen überhaupt in einem Fortsetzungszusammenhang stünden; ein solcher könne im Finanzstrafrecht nur im Rahmen der gleichen Zuständigkeit (des Gerichts oder der Finanzstrafbehörde) angenommen werden und komme daher im vorliegenden Fall erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die hinterzogenen Beträge die gerichtliche Zuständigkeitsgrenze erreichten, sodaß die vorher begangenen - an sich in die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde fallenden - Deliktshandlungen als verjährt anzusehen seien. Hingegen vermeint Hermine B, daß ihr 'spätestens ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der gerichtlichen Zuständigkeit' der Strafaufhebungsgrund der Verjährung zustatten komme.

Rechtliche Beurteilung

Diese Verjährungseinwände sind unzutreffend.

Nach dem § 31 Abs. 3 FinStrG (nF) tritt - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - dann, wenn der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich ein Finanzvergehen begeht, die Verjährung nicht ein, bevor auch für diese (neue) Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Die Verjährung solcherart - wie hier - aufeinanderfolgender Deliktshandlungen richtet sich daher - auch wo kein Fortsetzungszusammenhang im Rechtssinn besteht - nach der zuletzt ablaufenden Frist und scheidet zufolge Einleitung der ersten finanzstrafbehördlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen die Beschwerdeführerinnen noch im Jahre 1974 vorliegend aus (§ 31 Abs. 4 lit. b FinStrG nF).

Die Anwendung der zur Tatzeit in Geltung gestandenen finanzstrafrechtlichen Verjährungsbestimmungen würde zu keinem für die Beschwerdeführerinnen günstigeren Ergebnis führen (Art. VII § 2 Abs. 1 zweiter Satz FinStrGNovelle 1975):

Ungeachtet dessen, daß darnach - anders als im geltenden Recht - eine Hemmung der in Gang gesetzten Verjährungsfrist durch nachfolgende Finanzvergehen nicht vorgesehen war, galt (und gilt) nämlich für ein fortgesetztes Delikt, daß die Verjährung erst mit der Beendigung des letzten aller im Fortsetzungszusammenhang stehenden Teilakte beginnt. Die von Lehre und Rechtsprechung für den Begriff des fortgesetzten Delikts (nach der sogenannten subjektivobjektiven Theorie) entwickelten Kriterien sind, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, grundsätzlich auch im Finanzstrafrecht anzuwenden: Darnach liegt ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Mehrheit von an sich selbständigen Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfüllt, auf einen einheitlich vorgefaßten Willensentschluß zurückgeht und vermöge des nahen Zusammenhangs - begründet durch Zeit, Ort, Gegenstand und Art des Angriffs - eine Einheit darstellt (EvBl. 1975/203 u.a.; zuletzt 10 Os 91/77).

Bei Steuervergehen liegt der (objektive) zeitliche Zusammenhang vor, wenn - wie im Beschwerdefall - Steuern mehrere aufeinanderfolgende Jahre hindurch, jährlich veranlagte Steuern in ebensolchen Abständen, hinterzogen werden; Gleichartigkeit des verletzten Rechtsgutes ist jedenfalls bei Hinterziehung derselben Steuerart gegeben.

Daß, wie hier, gleichzeitig verschiedenartige Steuern hinterzogen wurden, ist für die Frage des hinsichtlich jeder einzelnen Steuerart über einen bestimmten mehrjährigen Zeitraum sich erstreckenden Fortsetzungszusammenhangs rechtlich ohne Belang.

In subjektiver Hinsicht liegen die Voraussetzungen des fortgesetzten Delikts vor, wenn der Täter nach einem Gesamtplan vorgeht (SSt 41/30), indem er etwa den Geschäftsbetrieb zumindest zum Teil auf die Hinterziehung von Steuern abstellt (vgl. abermals EvBl. 1975/203). Daß dies in Ansehung der urteilsgegenständlichen, aus im Weinhandel der Firma Serafin C & Co KG planmäßig laufend getätigten sogenannten 'Schwarzgeschäften' resultierenden Verkürzungen der im Schuldspruch genannten Steuern von Anfang an zutrifft, wurde vom Erstgericht ersichtlich als erwiesen angenommen und ist im Rechtsmittelverfahren an sich unbestritten.

Gewiß ist die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs zwischen Finanzvergehen, die teils der gerichtlichen, teils der verwaltungsbehördlichen Ahndung unterliegen, ausgeschlossen (vgl. SSt 43/43). Die Beschwerdeführerinnen übersehen jedoch, daß die Zuständigkeit zur Ahndung von (vorsätzlich begangenen) Finanzvergehen, die wie in ihrem Fall in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde (hier: des Finanzamtes Innsbruck) fielen, einheitlich nach der Summe der aus ihnen resultierenden strafbestimmenden Wertbeträge zu beurteilen ist (§ 53 Abs. 1 lit. b /vormals lit. e/ FinStrG). Darnach ist aber für die in den Beschwerden mit dem Ziel einer Auflösung des umfassenden Fortsetzungszusammenhangs angestrebte Zerlegung der vorliegenden Abgabenhinterziehungen in frühere, die der verwaltungsbehördlichen, und spätere, die (infolge Hinzurechnung der weiteren Verkürzungsbeträge) der gerichtlichen Zuständigkeit unterliegen, kein Raum;

zu deren Ahndung ist zur Gänze und ausschließlich das Gericht zuständig. Die Verjährung der sonach im vollen Umfang des erstgerichtlichen Schuldspruchs gegebenen (und gerichtlich strafbaren) Fortsetzungstat(en) beginnt aber, wie schon erwähnt, erst mit der Beendigung des letzten Teilaktes, bei vollendeten Hinterziehungen bescheidmäßig festzusetzender Steuern mit der Zustellung des letzten unrichtigen Steuerbescheides, sodaß der Lauf der (fünfjährigen) Verfolgungsverjährungsfrist hier auch nach dem zur Tatzeit in Geltung gestandenen Recht jedenfalls durch die im Jahre 1974 eingeleitete finanzstrafbehördliche Verfolgung in Ansehung auch der am längsten zurückliegenden Deliktshandlungen rechtzeitig unterbrochen wurde (§ 55 Abs. 1 bis 4 und 6 FinStrG aF).

Somit zeigt sich, daß - dem Vorbringen der Beschwerden zuwider - keine der vom angefochtenen Schuldspruch umfaßten Abgabenhinterziehungen verjährt ist.

Es versagen aber auch die Mängel- und (weiteren) Rechtsrügen der Beschwerdeführerinnen gegen ihren Schuldspruch wegen Hinterziehung von Weinsteuer (Punkt I/A/4 des Urteilssatzes).

Dem betreffenden Schuldspruch liegt die Annahme zu Grunde, daß die Angeklagten Serafine A und Hermine B in den Jahren 1964 bis 1970 vorsätzlich unter Verletzung der ihnen obliegenden abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht die (für Vorgänge nach dem 31. Dezember 1970 nicht mehr zu erhebende:

BGBl. Nr. 367/1970, 459/1971) Weinsteuer für die in Tz. 69 des Betriebsprüfungsberichts (Beilage zu ON 2 d. A) auf die in diesen Zeitraum fallenden Kalenderjahre aufgegliederte Menge von 820.303 Liter weinsteuerpflichtiger Gegenstände (vgl. Beilage ./A zu ON 28) im Gesamtbetrag von S 410.151,-

nicht entrichtet (und dadurch um den genannten Betrag verkürzt) haben (§ 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. b FinStrG). Dabei handelte es sich nach den Urteilsfeststellungen in den Jahren 1964 bis 1968 um sogenannten 'Schwarzwein', den die Angeklagten unversteuert kauften und verkauften, in den Jahren 1969 bis 1970 hingegen um Kunstwein, den sie selbst herstellten und gleichfalls unversteuert mit zugekauftem Wein vermengt verkauften; wegen letzterer (gleichartig bis 23. August 1974 fortgesetzter) Tat wurden sie in einem gesonderten Verfahren des Landesgerichts Innsbruck zum AZ. 17 Vr 2753/74 rechtskräftig des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach den § 146, 147

Abs. 3, 148 StGB schuldig erkannt (12 Os 173/76).

Nach den vom Erstgericht als Urteilsgrundlage übernommenen Prüfungsfeststellungen wurde den Angeklagten für die Jahre 1969 und 1970 die Hinterziehung der Weinsteuer mit den dort angeführten Beträgen nur in Ansehung von aus ihrer Erzeugungsstätte weggebrachtem Kunstwein angelastet. Auf den diesem zum Verkauf beigemengten Wein erstreckt sich daher der Urteilsvorwurf gar nicht. Die Behauptung von einerseits das Mischungsverhältnis beider, andererseits die in dieser Zeit erfolgten 'offiziellen' Einkäufe von (gemeint: gesetzmäßig versteuertem) Wein betreffenden Begründungs- oder Feststellungsmängeln geht daher ins Leere.

Verfehlt ist die in den Beschwerden vertretene Auffassung, Kunstwein unterliege nicht der Weinsteuer; der § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. Februar 1919 über die Weinsteuer, StGBl. Nr. 125, in der Fassung der Weinsteuernovelle 1950, BGBl. Nr. 12/1951, nennt als weinsteuerpflichtig ausdrücklich (außer Wein) auch 'weinähnliche Getränke'.

Nach der damals in Geltung gestandenen Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 1 WeinG 1929 zählte insbesondere künstlicher Wein zu den weinähnlichen Getränken. Ebenso versteht § 43 des geltenden Weingesetzes 1961 unter Kunstwein ein (aus künstlichen Stoffen hergestelltes) im Sinne des Absatz 1 dieser Gesetzesstelle weinähnliches Getränk. Außerdem bestimmte der § 42 WeinG 1929 in der Fassung des Gesetzes vom 29. August 1945, StGBl. Nr. 157, daß bereits bestehende oder noch zu erlassende gesetzliche Bestimmungen über die Besteuerung des Weines durch dieses Gesetz nicht berührt werden und insbesondere das Verbot, Getränke bestimmter Art in Verkehr zu setzen, die Anwendbarkeit solcher Steuergesetze auf diese Getränke nicht ausschließt. Dadurch sollten bereits bestehende und noch zu schaffende Steuertatbestände von normativen Auswirkungen des Weingesetzes freigehalten werden (VwSlg. 3184 F/1964). An der solcherart zweifelsfrei gesetzlich normierten Weinsteuerpflicht auch von - gesetzlich verkehrsunfähigem - Kunstwein (künstlichem Wein) hat sich durch das Außerkrafttreten des Weingesetzes 1929 nichts geändert.

Sofern die Angeklagte Serafine A in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde mit Beziehung auf den in den Jahren 1964 bis 1968 unversteuert verhandelten sogenannten 'Schwarzwein' in Zweifel ziehen will, daß sie bzw. die von ihr repräsentierte Firma Serafin C & Co KG als Abgabepflichtige zur Entrichtung der Weinsteuer verpflichtet gewesen wäre, ist ihr die schon vom Erstgericht zu Recht herangezogene Bestimmung des § 8 Abs. 3 Weinsteuergesetz entgegenzuhalten: Darnach ist für Wein, der - was nach den Umständen des vorliegenden Falles (Großhandelsgeschäft) ohne weiteres angenommen werden konnte - in Mengen von mehr als einem Hektoliter auf einmal aus der Erzeugungsstätte weggebracht wurde, die Weinsteuer vom Käufer - sonst vom Hersteller - zu entrichten. Der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Rechtsansicht, daß die Angeklagten Serafine A und Hermine B bei der Hinterziehung der Weinsteuer für die Abgabepflichtige (Firma Serafin C & Co KG) handelten, haftet daher kein Irrtum an. Der von ihnen eingenommene Rechtsstandpunkt, nicht die Firma Serafin C & Co KG, sondern die jeweiligen Lieferanten wären Weinsteuerschuldner gewesen, hätte im übrigen bloß zur Folge, daß die Angeklagten nach den weiteren Urteilsfeststellungen (siehe Bd I, Seiten 212

und 213) das (mit den gleichen Strafen wie die Abgabenhinterziehung bedrohte) Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 FinStrG mit Wein, hinsichtlich dessen (von anderen) die Weinsteuer - eine Verbrauchsteuer -

hinterzogen wurde, zu verantworten hätten.

Im übrigen sind die Beschwerdeführerinnen mit allen ihren sonstigen Grund und Höhe der (verkürzten) Weinsteuerschuld betreffenden, (auch nicht hinreichend substantiierten) Einwänden auf den gegen die Firma Serafin C & Co KG als Steuerschuldner ergangenen Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (Verbrauchsteuerstelle) vom 26. März 1975 (in ON 20 d. A) zu verweisen, mit dem hierüber auf Grund der Betriebsprüfungsergebnisse rechtskräftig abgesprochen wurde; mit ihm geht das angefochtene Urteil insoweit konform.

Was die subjektive Tatseite anbelangt, bezieht sich die im Urteil enthaltene Feststellung, daß die schuldig gesprochenen Angeklagten mit dem im § 33 Abs. 1 FinStrG verlangten Vorsatz handelten, eindeutig auch auf die ihnen angelastete Hinterziehung der Weinsteuer (S. 212-213/I).

Von dem in den Beschwerden behaupteten Fehlen einer bezüglichen Feststellung kann daher keine Rede sein. Wie aus der - in dieser Richtung entgegen den Beschwerdeausführungen auch nicht unvollständigen - Urteilsbegründung hervorgeht, hat sich das Schöffengericht dabei mit der Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung, soweit sie der vorerwähnten Annahme zuwiderlief, auseinandergesetzt und sie im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) für unglaubwürdig erachtet. Die hiefür angegebenen Gründe erweisen sich als zureichend. Denn die Vorgangsweise der Angeklagten läßt denkgesetzmäßig den Schluß zu, daß es ihnen bei den in Rede stehenden 'Schwarzgeschäften' - sowohl mit unversteuert angekauftem Wein als auch mit selbst hergestelltem Kunstwein - im vollen Bewußtsein des darin gelegenen Unrechts um die Verkürzung aller darauf lastenden öffentlichen Abgaben - welcher Art und Höhe auch immer - zu tun war.

Mit dem Vorwurf der Angeklagten Hermine B, es fehle dem Urteil eine Begründung, 'wie und auf Grund welcher Erwägungen' die Ersatzfreiheitsstrafe für den Wertersatz festgesetzt wurde, wird nicht die Begründung einer Tatsachenfeststellung, sondern die eines Strafausspruchs als mangelhaft gerügt und gar kein Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behauptet;

denn nur ein Mangel bei der Begründung entscheidender Tatsachen, nicht aber einer rechtlichen Würdigung oder Strafzumessung vermag diesen Nichtigkeitsgrund zu bilden.

Schließlich geht auch der in den Berufungsausführungen der Angeklagten erhobene, sachlich aber die Behauptung einer Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO enthaltende Einwand ins Leere, das Erstgericht hätte für den in den Jahren 1969 und 1970 unter Hinterziehung der Weinsteuer verkauften Kunstwein keinen Wertersatz auferlegen dürfen. Denn das Erstgericht folgte insoweit ohnehin der - allerdings unzutreffenden (EvBl. 1970/144) - Meinung der Rechtsmittelwerberinnen und erkannte darnach auf Wertersatz nur für den bis einschließlich 1968 der Weinsteuerentrichtung entzogenen 'Schwarzwein', nicht aber auch für den in den beiden folgenden Jahren unversteuert weggebrachten Kunstwein (S. 211, 212, 215/I).

Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden wären daher zu verwerfen.

Dem Erstgericht ist jedoch zum Nachteil der Angeklagten ein - von diesen nicht gerügter - Rechtsirrtum im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO dadurch unterlaufen, daß es in Punkt I/A/3 des Schuldspruchs die in der Zeit von 1969 bis einschließlich Juli 1974 in bezug auf einen Teil der an Alexander D bezahlten (Schwarz-)Löhne erfolgte Nichtabfuhr der Lohnsteuer im Betrag von S 94.477,-- und Nichtentrichtung der Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Betrag von S 16.140,-- als gerichtlich strafbares Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. b (Abs. 3 lit. b) FinStrG beurteilte. Denn die darauf angewendete Strafbestimmung, welche die wissentliche (vgl. § 5 Abs. 3 StGB) Verkürzung der genannten Abgaben unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 Einkommensteuergesetz 1972 entsprechenden Lohnkonten als Abgabenhinterziehung pönalisiert, ist erst mit der Finanzstrafgesetznovelle 1975 (BGBl. Nr. 335) am 1. Jänner 1976 in Kraft getreten. Vor diesem Zeitpunkt konnte das entsprechende Verhalten - sofern nicht eine (hier nach der Aktenlage nicht gegebene) Verletzung der Offenlegungsund Wahrheitspflicht im Sinne des § 33 Abs. 1 FinStrG (§ 119 BAO) bezüglich auf besondere Anordnung des Finanzamtes abzugebender Lohnsteueranmeldungen vorlag - nur als Finanzordnungswidrigkeit nach § 48 Abs. 1 lit. a und e FinStrG (in der Fassung des EGUStG BGBl. Nr. 224/1972) geahndet werden (9 Os 111/75; vgl. auch Fellner, Finanzstrafgesetz 1975, § 33 Anm. 48). Finanzordnungswidrigkeiten hat aber niemals das Gericht, sondern stets nur die Finanzstrafbehörde zu ahnden (§ 53 Abs. 5 /vormals Abs. 9/

FinStrG). Sohin zeigt sich, daß die zur Zeit der in Punkt I/A/3 des Schuldspruchs bezeichneten Tat in Geltung gestandenen Bestimmungen des materiellen Finanzstrafrechts für die Angeklagten günstiger waren als die - demnach zu Unrecht (Art. VII § 2 Abs. 1 zweiter Satz FinStrGNovelle 1975) - vom Erstgericht darauf angewendeten. Das betreffende Verhalten begründet richtiger Ansicht nach keine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung, weshalb der insoweit dennoch ergangene Schuldspruch nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO nichtig ist.

Ein seitens der Angeklagten nicht geltend gemachter Fehler zu ihrem Nachteil haftet dem erstgerichtlichen Ausspruch über den Wertersatz insoweit an, als ihnen darin in Ansehung der im Jahr 1968 begangenen Weinsteuerhinterziehung der gemeine Wert von 365.755 Liter Wein als Wertersatz auferlegt wurde (S. 212/I), obwohl - worauf die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde in ihren Berufungsausführungen zutreffend hinweisen - nach den dem betreffenden Schuldspruch (und Abgabenbescheid) zugrunde liegenden Prüfungsfeststellungen (Tz 69 des Betriebsprüfungsberichtes) in diesem Jahr nur für 146.302 Liter (Wein) die Weinsteuer hinterzogen wurde, weshalb auch nur für diese (an sich dem Verfall unterlegene) Menge auf Wertersatz erkannt werden durfte. Dem mit S 5,488.073,-- richtig ermittelten Wertersatz für die Tatgegenstände der Jahre 1964 bis 1967 hätten daher für das Jahr 1968 nur 146.302 x S 11,55 = S 1,689.788,-- hinzugerechnet werden dürfen (vgl. Beilage A zu ON 28), sodaß sich die richtige Höhe des Wertersatzes - für die Gegenstände der Weinsteuerhinterziehung in den Jahren 1964 bis 1968 - mit S 7,177.861,-- ergibt. Durch die Bemessung des (den schuldig gesprochenen Angeklagten je zur Hälfte auferlegten) Wertersatzes für den umschriebenen Tatkomplex mit S 9,712.542,-- hat das Erstgericht die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes überschritten (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO).

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO hatte der Oberste Gerichtshof von Amts wegen so vorzugehen, als wären die aufgezeigten Nichtigkeitsgründe geltend gemacht worden; sohin waren die Angeklagten Serafine A und Hermine B im Umfang des Schuldspruchs zu Punkt I/A/3 von der betreffenden Anklage wegen Unzuständigkeit der Gerichte (§ 214 FinStrG; ÖJZ-LSK 1976/258) sofort freizusprechen und die Geldstrafe sowie der Wertersatz - letzterer im Sinne des Gesagten mit dem diesen Angeklagten anteilsmäßig (§ 19 Abs. 4 FinStrG) aufzuerlegenden Betrag von S 7,177.861,-- - neu zu bemessen. Das Unterbleiben der Auferlegung eines Wertersatzes (auch) für den Gegenstand der Weinsteuerhinterziehung in den Jahren 1969 und 1970 - nach den Urteilsannahmen Kunstwein - stellt eine die Angeklagten begünstigende Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 11 StPO dar, welche aber, da dieser Mangel des Urteils von der Staatsanwaltschaft und von der Finanzstrafbehörde nur mit dem hiefür nicht bestimmten Rechtsmittel der Berufung gerügt wurde, durch den Obersten Gerichtshof nicht behoben werden kann (vgl. EvBl. 1972/167).

Bei der Neubemessung der Strafen wurde bei beiden Angeklagten die Hinterziehung mehrerer Abgaben durch längere Zeit, bei Serafine A auch deren führende Rolle als erschwerend gewertet, als mildernd hingegen fanden die Teilgeständnisse der Angeklagten, ihr unbescholtener Wandel zur Tatzeit, die teilweise Schadensgutmachung und der Umstand Berücksichtigung, daß es hinsichtlich der Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 1973 beim Versuch geblieben ist.

Unter Zugrundelegung dieser Strafzumessungsgründe und unter Bedachtnahme auf die jeweilige tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld waren die Angeklagte Serafine A zu einer Geldstrafe von 1 Mill. S, im Nichteinbringungsfall vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und die Angeklagte Hermine B zu einer Geldstrafe von 750.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Monaten zu verurteilen.

Schon zwecks Vermeidung einer Verschlimmerung gegenüber dem diesbezüglich nicht angefochtenen Ersturteil hatte gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB (§ 26 Abs. 1 FinStrG) die bedingte Nachsicht dieser Strafen zu erfolgen.

Annähernd im gleichen Verhältnis wie die Strafausmaße war auch die Aufteilung des Wertersatzes vorzunehmen, wobei insbesonders der höhere Verschuldensgrad der Serafine A und deren größerer Anteil am Firmenvermögen entsprechend Berücksichtigung fanden. Der Vorbehalt eines Wertersatzanteiles für den Fall einer zukünftigen Verurteilung des abgesondert verfolgten Alexander D kam nicht in Betracht, weil ein Wertersatz vom Erstgericht den beiden Verurteilten nur für die Gegenstände der Weinsteuerhinterziehung in den Jahren 1964

bis (einschließlich) 1968 auferlegt wurde, die allfällige Beteiligung des Alexander D jedoch nur die Weinsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit der - nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils - erst 1969

begonnenen Kunstweinerzeugung betreffen könnte.

Die Neubemessung der Strafen und des Wertersatzes hatte zur Folge, daß die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde ebenso wie Serafine A und Hermine B mit ihren Berufungen auf diese Entscheidungen zu verweisen waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01655

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00124.78.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19781212_OGH0002_0110OS00124_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten