TE OGH 1979/2/13 13Os197/78

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Veröffentlicht am 13.02.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Bernardini, Dr. Müller und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan Peter A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung nach den § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. November 1978, GZ. 2 d Vr 4232/

78-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Leitinger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23. Dezember 1959 geborene Bäckerlehrling Stefan Peter A des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach den § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1

und 15 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in Wien brieflich am 2. und am 16. Mai 1978 Kurt B und Marianne B durch gefährliche Drohung mit dem Tod und mit einer Gefährdung durch Sprengmittel zum Erscheinen an einem bestimmten Ort nötigte (Fakten I.1. und I.2.) und am 27. Mai 1978 Kurt B durch eine gleichartige Drohung zur Sperre seines Geschäftes vom 28. Mai bis zum 3. Juni 1978 zu veranlassen versuchte (Faktum II.).

Nach Inhalt des Urteils forderte er im Brief vom 2. Mai 1978, den er ebenso wie die beiden anderen Drohbriefe während der Nachtstunden unter dem Rollbalken des Eissalons B durchschob, die übergabe von 115.000,-- S durch Marianne B an einem genau bezeichneten Platz zu einer bestimmten Zeit, widrigens der PKW des Kurt B in die Luft gesprengt und Marianne B 'hingerichtet' würde. Im Brief vom 16. Mai 1978 forderte er unter neuerlicher Bestimmung von Ort und Zeit die übergabe von 150.000,-- S durch Marianne B; sollte dieser Forderung nicht nachgekommen werden, würde sie erschossen und der PKW oder der Garten des Kurt B in die Luft gesprengt werden. Tatsächlich fanden sich nach dem ersten Drohbrief Marianne B und nach dem zweiten Kurt B an dem für die übergabe des Geldes vorgesehenen Platz ein, ohne jedoch vom Angeklagten Briefschreiber kontaktiert zu werden. Im dritten Brief verlangte dieser am 27. Mai 1978

von Kurt B die Sperre des Eissalons vom 28. Mai bis zum 3. Juni 1978, widrigenfalls eine Verkäuferin erschossen und vor dem Geschäft eine Zeitbombe zur Explosion gebracht würde. Bei der Hinterlegung dieses Briefes wurde der Angeklagte beobachtet und festgenommen. Die Briefe waren jeweils als Schreiben der 'ANR' (Aktion Neue Rechte) bezeichnet; im zweiten Brief wurde überdies auf die Terroristen der Roten Brigaden und der RAF (Rote Armee Fraktion) sowie auf die Ermordung Aldo Moros Bezug genommen. Das Gericht ging davon aus, daß dem Angeklagten mit der für einen Schuldspruch im Strafverfahren nötigen Sicherheit ein Vorsatz, die Barbeträge zu übernehmen und sich auf diese Weise zu bereichern, nicht nachgewiesen werden könne, und daß er nur aus Gründen der Selbstbestätigung ein von ihm vorgeschriebenes Verhalten des Ehepaares B erzwingen wollte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 5 und Z 10, sachlich auch Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Die Feststellung (S. 253), daß es dem Beschwerdeführer (nur) darauf ankam, das Erscheinen der Eheleute B an einem bestimmten Ort zu einer festgesetzten Zeit zu erzwingen (Fakten I.1. und I.2.), und später dann darauf, die Schließung des Eissalons zu erreichen (Faktum II.), hat das Schöffengericht mit dem Hinweis auf den Inhalt der inkriminierten Briefe und auf seine geständige Verantwortung in der Hauptverhandlung (S. 236-238, 240), zureichend begründet (S. 253/254). Daß er sich am 6. Mai 1978 nicht an dem von ihm bestimmten übergabsort einfand, spricht nicht dagegen und bedurfte daher keiner besonderen Erörterung. Begründungsmängel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO haften daher dem Urteil insoweit nicht an. Mit seinen übrigen Ausführungen zur Mängelrüge aber ficht der Beschwerdeführer in Ansehung der vorerwähnten Feststellung zur subjektiven Tatseite teils, prozeßordnungswidrig von ihr abweichend, ihre rechtliche Beurteilung (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) und teils unzulässigerweise und damit gleichfalls unbeachtlich nur die schöffengerichtliche Beweiswürdigung an.

Unter ziffernmäßiger Geltendmachung einer Nichtigkeit nach Z 10, der Sache nach aber (teilweise) auch nach Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO bestreitet der Beschwerdeführer in bezug auf die ihm zur Last liegenden Drohungen der Eignung, den Bedrohten irgendwelche begründete Besorgnisse, insbesondere hinsichtlich der ihnen konkret angedrohten übel, einzuflößen, weil die Verknüpfung der ANR, einer rechtsgerichteten Organisation, mit der weit links stehenden RAF ebenso absurd gewesen sei wie die Drohung, den Garten B in die Luft zu sprengen;

daraus hätten die Empfänger der Briefe erkennen müssen, daß die Drohungen in geradezu unglaublicher Weise übertrieben seien und daß der Täter weder willens noch in der Lage sei, die angedrohten übel zu verwirklichen.

Auch insoweit kann der Beschwerde nicht gefolgt werden:

Ob eine Drohung objektiv geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels gegründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB), hängt davon ab, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation aus seiner Sicht nach einem Durchschnittsmaßstab die Verwirklichung des angedrohten übels erwarten konnte oder nicht (ÖJZ-LSK 1976/192, 1975/218); übergroße öngstlichkeit hat dabei ebenso außer Betracht zu bleiben wie besonderer Mut oder Gleichmut des Bedrohten (ÖJZ-LSK 1977/124). Zur Unterstellung einer Tat unter den § 106 Abs. 1 Z 1 StGB ist zudem erforderlich, daß die Drohung im dargelegten Sinn geeignet war, beim Bedrohten tatsächlich ernstliche Todesbefürchtungen oder Befürchtungen in bezug auf die Verwirklichung anderer im Gesetz bezeichneter schwerer übel - im vorliegenden Fall: Gefährdung durch Sprengmittel - auszulösen. Allen diesen Voraussetzungen aber genügen - wie das Erstgericht zutreffend erkannte -

die vom Beschwerdeführer brieflich an das Ehepaar B übermittelten Drohungen, in denen nicht nur die 'Sprengung des Gartens' - die übrigens entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht (in irgendeiner Form zumindest teilweise) durchaus denkbar gewesen wäre -, sondern auch die 'Hinrichtung' der Ehefrau, die Erschießung einer Verkäuferin und die Sprengung eines PKWs. in Aussicht gestellt wurden, durchaus, weil die Verwirklichung eines solchen Verhaltens jedenfalls im Bereich des Möglichen liegt; derartigen Drohungen kann daher - zumal in einer Zeit des weltweiten Terrorismus - die objektive Eignung, den vorgenannten Kriterien zu entsprechen, nicht abgesprochen werden.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO des weiteren dartun will, daß durch sein mit den Drohungen verbundenes Verlangen, das Ehepaar B solle - jeweils mit einem hohen Geldbetrag - einen bestimmten Treffpunkt aufsuchen, kein rechtlich relevantes Interesse im Sinn eines konkreten Rechtes der Bedrohten verletzt worden sei, weshalb die Tat lediglich als Vergehen der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 2 StGB zu beurteilen gewesen wäre, ist dem zu erwidern, daß das abgenötigte Verhalten zwar von einigem Gewicht sein (vgl. Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts I, RN. 811), sonst aber keine besondere rechtliche oder faktische Relevanz besitzen muß (ÖJZ-LSK 1976/382, Leukauf-Steininger, Komm. 529 f); von einer völligen Belanglosigkeit des erzwungenen Verhaltens der Bedrohten in diesem Sinn aber kann nach den Urteilsfeststellungen keine Rede sein.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 106 Abs. 1 StGB zu fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es sein Geständnis, seine bisherige Unbescholtenheit, sein Alter unter 21 Jahren und den Umstand, daß die Nötigung in einem Fall beim Versuch blieb, als mildernd, die Wiederholung der Straftat und die Bedrohung mehrerer Personen sowie die dreiwöchige Dauer der Drohungsauswirkungen auf die Eheleute B und die für zwei Unbeteiligte durch den auf sie gefallenen Verdacht der Täterschaft verbundene Beschwer dagegen als erschwerend. Von der Gewährung bedingter Strafnachsicht nahm das Schöffengericht aus Gründen der Generalprävention Abstand.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung und die Anwendung des § 43 StGB anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

Bei den vorliegenden Strafzumessungsgründen, insbesondere im Hinblick auf sein bisher tadelsfreies Vorleben und auf sein Alter von erst 18 1/2 Jahren zur Tatzeit, in Verbindung mit den ihm zusätzlich als mildernd zugutezuhaltenden neurotischen Merkmalen seiner Persönlichkeit (S. 193) wird ungeachtet des in den Erschwerungsumständen zum Ausdruck kommenden beträchtlichen Unrechtsgehalts seiner wiederholten Tat doch schon eine Strafdauer von einem Jahr der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) gerecht. Insoweit war daher der Berufung Folge zu geben und die Strafe herabzusetzen.

Mit Rücksicht auf eben diesen hohen Grad seiner Schuld, die nicht zuletzt in der Beharrlichkeit seiner zweimaligen Tatwiederholung reflektiert, sohin aus Gründen der Spezialprävention, aber auch aus wesentlichen Erwägungen der Generalprävention im Zusammenhang mit dem Zunehmen der Zahl spektakulärer terroristischer Nötigungen, Erpressungen und Entführungen und den gerade für noch unausgereifte Persönlichkeiten mit solchen Taten verbundenen Anreiz liegen dagegen die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1

StGB nicht vor. Trotz seiner bisherigen Unbescholtenheit kann folglich von einem 'Anrecht' des Angeklagten auf Gewährung bedingter Strafnachsicht keine Rede sein, sodaß der darauf gerichteten Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01725

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00197.78.0213.000

Dokumentnummer

JJT_19790213_OGH0002_0130OS00197_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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