TE OGH 1979/2/15 12Os6/79 (12Os7/79)

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Veröffentlicht am 15.02.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Friedrich Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann A wegen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Groß-Enzersdorf vom 30. März 1977, GZ. U 324/76-17, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 1. Dezember 1977, GZ. 13 a Bl 518/77-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser und der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Franz Xaver Gugg, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Groß-Enzersdorf vom 30. März 1977, GZ U 324/76-17, wurde der am 7. Mai 1913

geborene Kaufmann Hermann A des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen von 400,-- S, im Nichteinbringungsfall zu zehn Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, weil er am 6. November 1976 in Orth/Donau den Sohn seiner Lebensgefährtin, den am 12. Oktober 1934 geborenen Arzt Dr. Hans Peter B durch Würgen am Hals leichte Verletzungen, nämlich Hautabschürfungen und punktförmige Hautblutungen, zugefügt hatte.

Mit demselben Urteil wurde Dr. Hans Peter B von der Anklage, er habe seinerseits Hermann A durch Schläge leicht verletzt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Dieser Freispruch erwuchs in Rechtskraft. Mit dem Urteil vom 1. Dezember 1977, GZ. 13 a Bl 518/77-28, wies das Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht die vom Angeklagten Hermann A wegen Nichtigkeit (aus den Gründen der Z 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO) sowie wegen des Ausspruches über die Schuld und über die Strafe erhobene Berufung zur Gänze als unbegründet zurück.

Das Berufungsgericht verneinte hiebei - im Gegensatz zur Stellungnahme des öffentlichen Anklägers (S 120 f. der erstgerichtlichen Akten) - das Vorliegen der im Rahmen der Nichtigkeitsberufung unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemachten Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit nach § 42 Abs. 1 StGB mit der Begründung, daß das Verschulden des Angeklagten 'in Ansehung der Tathandlung, er habe Dr. B derart gewürgt, daß dieser in Atemnot geraten sei und erst davon abließ, als die Gattin des Angegriffenen, die Zeugin Angela B, seine Finger mit Aufbieten aller Kräfte vom Hals des Gatten löste, kein geringes mehr ist, dies selbst dann, wenn man dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. Josef C, daß die durch die Tätlichkeiten des Berufungswerbers entstandene Gesundheitsstörung bei Dr. B mehr als drei Tage betragen hat, nicht folgt, wobei es auch dahingestellt bleiben kann, ob die Zufügung einer Verletzung mit einer mehr als dreitägigen Gesundheitsstörung noch ein geringes Verschulden darstellen kann' (S 135 der erstgerichtlichen Akten). Nach Ansicht der Generalprokuratur stehen die Urteile des Bezirksgerichtes Groß-Enzersdorf vom 30. März 1977, GZ. U 324/76-17, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1977, GZ. 13 a Bl 518/77-28, mit dem Gesetz nicht im Einklang, insoweit in ihnen (im erstgerichtlichen Urteil konkludent, im Urteil des Berufungsgerichtes ausdrücklich) in Ansehung des Angeklagten Hermann A das Vorliegen der Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat nach dem § 42 Abs. 1 StGB (eines sachlichen Strafausschließungsgrundes /ÖJZ-LSK 1976/247/) verneint wurden.

In der deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird hiezu ausgeführt:

'Gemäß dem § 42 Abs. 1 StGB ist eine von Amts wegen zu verfolgende, nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohte Tat nicht strafbar, wenn 1. die Schuld des Täters gering ist, 2. die Tat

keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und

überdies 3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von

strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer

Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes zuwider treffen im vorliegenden Fall alle diese Voraussetzungen (die kumulativ gegeben sein müssen /ÖJZ-LSK 1977/293/) zu.

Das Merkmal geringer Schuld im Sinne der Z 1 des § 42 Abs. 1 StGB verlangt ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt, wobei auch in den persönlichen Verhältnissen des Täters gelegene schuldmildernde Umstände zu berücksichtigen seien (vgl. auch LSK 1976/346, 379). Diese Kriterien seien vorliegend zu bejahen, wenn man berücksichtigt, daß die tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem um mehr als 21 Jahre jüngeren Dr. B einer Art Familienstreit entsprang, welcher seine Ursache darin hatte, daß Dr. B mit der Lebensgemeinschaft seiner Mutter und des Angeklagten nicht einverstanden war und Dr. B seine Mutter sogar schon öfter geschlagen haben soll (vgl. S 50 der erstgerichtlichen Akten). Gehe man ferner davon aus, daß Dr. B, wie dessen Aussagen zu entnehmen ist (S 46 der erstgerichtlichen Akten), unmittelbar vor dem gegenständlichen Vorfall den Angeklagten zum Verlassen des im Miteigentum seiner Mutter stehenden Hauses aufgefordert hatte und auf dessen in holländischer Sprache gegebene Antwort die Stiegen zum Obergeschoß, wo sich der Angeklagte befand, hinaufging, was von diesem im Hinblick auf dessen Verhalten seiner Mutter gegenüber als bedrohlich empfunden werden konnte, dann sei der vom Erstgericht festgestellte Versuch des Angeklagten, Dr. B einen Fußtritt zu versetzen, sowie das folgende Würgen des Genannten als ein zumindest der Putativnotwehr (§ 8 StGB) nahekommendes Verhalten zu werten. Ohne Bedeutung für den Verschuldensgrad und die in der Z 2 des § 42 Abs. 1 StGB normierte weitere Voraussetzung wenigstens unbedeutender Tatfolgen sei ferner der Umstand, daß vorliegend die leichte körperliche Verletzung mit einer drei Tage übersteigenden, nicht aber 24 Tage erreichenden, Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit verbunden war.

Nach der Beschaffenheit der Verletzung, die bereits nach neun Tagen nicht mehr sichtbar war (S 12, 80 der erstgerichtlichen Akten), kann das Ausmaß von drei Tagen nur unwesentlich überschritten worden sein. Aus einer derartigen relativ geringfügigen Verletzung gehe aber keine Intensität des Tätervorsatzes im Sinne des Tatbildes des § 83 Abs. 1 StGB hervor, der die Annahme einer absolut und im Vergleich mit den typischen Fällen dieses Deliktes geringen Schuld (vgl. Leukauf-Steininger, 277) verbieten würde. Daß andererseits zu unbedeutenden Folgen im Sinne des § 42 Abs. 1 Z 2 StGB grundsätzlich auch solche gehören können, welche, wie vorliegend, über den Grad des § 88 Abs. 2 Z 4 StGB hinausgehen, wurde von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung bereits klargestellt (ÖJZ-LSK 1976/380 = RZ 1977/9). In Anbetracht der verhältnismäßigen Geringfügigkeit der Verletzungen sind somit auch im gegenständlichen Fall die Tatfolgen als (noch) unbedeutend anzusehen.

Schließlich liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Z 3 StGB vor, weil angesichts des bisherigen Lebenswandels des Angeklagten, der lediglich eine länger zurückliegende Vorstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 431 StG aufweist (S 35 der erstgerichtlichen Akten), und der besonderen Fallgestaltung (Eskalation von familiären Streitigkeiten, die in der Zwischenzeit von den Beteiligten offenbar vermieden wurden /vgl. S 120 der erstgerichtlichen Akten/) weder spezial- noch generalpräventive Gründe eine Bestrafung des Angeklagten erfordern.'

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor.

Bei der Beurteilung der Voraussetzungen zur Anwendung des § 42 StGB im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, insbesonders auch der Frage, ob die vorwerfbare Schuld des Täters erheblich hinter dem Schuldgehalt sonstiger gleichartiger strafbarer Handlungen zurückbleibt, ist von den Feststellungen des Erstgerichtes, welche vom Berufungsgericht übernommen wurden, auszugehen.

Legt man diese (S 84, 85 in Verbindung mit S 129 ff der Akten) zugrunde, so hat der Verurteilte nach dem Wortwechsel zwischen ihm und Dr. B den Letztgenannten, als dieser ins Obergeschoß kam, am Treppenabsatz erwartet und dort versucht, ihm einen Fußtritt zu versetzen; Dr. B konnte zwar das Bein abfangen, kam aber dadurch zu Sturz und lag auf den Knien als ihn A mit beiden Händen am Halse packte und würgte, woraus die festgestellten leichten Verletzungen entstanden. Der Würgegriff des Verurteilten konnte erst von der herbeigeeilten Angela B gelöst werden. Von einer bedrohlichen Haltung des Dr. B gegenüber A, die die Handlungsweise des A als ein der Putativnotwehr nahekommendes Verhalten werten ließe, kann nach den Urteilsfeststellungen der Untergerichte somit nicht gesprochen werden.

Selbst wenn man die von der Generalprokuratur sonst ins Treffen geführten Motivationen für das Tatgeschehen (eskalierender, teilweise auch durch den Verletzten veranlaßter Familienstreit) berücksichtigen wollte, kann bei der gegebenen Sachlage mit Grund nicht gesagt werden, daß die Schuld des Verurteilten Hermann A, sei es aus persönlichen Eigenschaften des Genannten, sei es wegen der besonderen Umstände bei Begehung der Tat, absolut und im Vergleich zu typischen Fällen leichter Körperverletzung im Sinne des § 83 StGB gering gewesen ist.

Denn ein länger dauernder Würgegriff am Halse, welcher nicht nur beim Opfer deutlich sichtbare Merkmale, verbunden mit einer Gesundheitsstörung von jedenfalls mehr als 3 Tagen nach sich gezogen hat, und der nur durch Einwirkung eines Dritten und nicht etwa aus eigenem Antrieb gelöst wurde, beweist eine solche Intensität des Vorsatzes, welcher bei vergleichender Betrachtung mit dem vom Tatbestand erfaßten Regelfällen jedenfalls nicht weit hinter diesen zurückbleibt, sondern durchaus in jenen Rahmen fällt, den das Gesetz allgemein als strafwürdig ansieht.

Im Hinblick auf diese damit bewiesene (erhebliche) Intensität des deliktischen Verhaltens kann nicht mehr von einer geringen Schuld des Beschwerdeführers gesprochen werden (s. ÖJZ-LSK 1976/379 = 10 Os 121/76). Damit fehlt es aber an einer der essentiellen Voraussetzungen für die Anwendung des § 42 StGB, sodaß die erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur wie im Spruche zu verwerfen war, ohne daß es eines näheren Eingehens auf die übrigen, für die Anwendung der erwähnten Gesetzesstelle maßgeblichen Kriterien und die im Zusammenhange damit angestellten überlegungen in der Beschwerde bedurfte.

Anmerkung

E01781

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00006.79.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19790215_OGH0002_0120OS00006_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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