TE OGH 1979/2/26 9Os13/79 (9Os14/79)

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Veröffentlicht am 26.02.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Februar 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schmelcher als Schriftführer in der Strafsache gegen Raimund A und andere wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG. über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Linz vom 16. Dezember 1975, GZ. 18 U 1458/75-26, und vom 22.Dezember 1976, GZ. 18 U 987/76-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Friedrich B und Raimund A wegen Finanzvergehens des Schmuggels, AZ. 18 U 987/76

(vormals 18 U 1458/75) des Bezirksgerichts Linz, verletzen die Urteile dieses Gerichtes vom 16.Dezember 1975, GZ. 18 U 1458/75-26, und vom 22.Dezember 1976, GZ. 18 U 987/76-40, mit welchen Friedrich B und Raimund A jeweils des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 (lit. a) FinStrG.

schuldig erkannt und hiefür zu Geldstrafen sowie zum Wertersatz verurteilt worden sind, das Gesetz in den Bestimmungen des § 263 Abs. 1 und 2 StPO Die bezeichneten Urteile sowie alle darauf beruhenden richterlichen Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Friedrich B und Raimund A werden von der wider sie erhobenen Anklage, gemeinsam von August 1970 bis Oktober 1970 an verschiedenen Grenzzollämtern in Vorarlberg eingangsabgabepflichtige Waren, wie Schmuckstücke, Uhren, Lederwaren, Radiogeräte und verschiedene Gebrauchsgegenstände, der Verzollung dadurch entzogen zu haben, daß sie diese den Zollämtern vorsätzlich nicht stellten, wobei die dadurch entstandene Verkürzung an Eingangsabgaben 91.207 S betragen habe, und hiedurch das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG. begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10.Dezember 1971, GZ. 19 Vr 217/71-137, wurden - neben anderen Angeklagten - der am 8.Jänner 1949 geborene Raimund A und der am 23.Jänner 1948 geborene Friedrich B des Verbrechens des teils versuchten und teils vollbrachten Diebstahls sowie weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt. Unter anderem lag ihnen zur Last, in den Monaten August, September und Oktober 1970 in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Einbruchsdiebstähle verübt zu haben (Punkte I/A/a/21 bis 43 des Schuldspruches).

Raimund A und Friedrich B hatten bereits bei der Polizei angegeben, einen großen Teil der im Ausland gestohlenen Sachen nach Österreich gebracht zu haben (Seiten 19 ff./I. Band und 175 ff./II. Band), wo diese auch größtenteils sichergestellt wurden (Seiten 171-173, 195 ff. und 235 ff./II. Band). Die in der Anklageschrift beantragte Verlesung der bezüglichen Polizeiprotokolle wurde in der Hauptverhandlung vorgenommen (Seiten 136 und 276/IV. Band der Akten 19 Vr 217/71 des Landesgerichtes Linz).

Am 3.Mai 1974 erstattete das Zollamt Linz bei der Staatsanwaltschaft Linz die Anzeige, daß Friedrich B und Raimund A die in der Zeit von Mitte August bis Mitte Oktober 1970 in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland gestohlenen, den Gegenstand der eingangs bezeichneten Verurteilung zu AZ. 19 Vr 217/71 des Landesgerichtes Linz bildenden Waren im gemeinsamen Zusammenwirken über die Zollämter St. Margarethen und Gaissau/

Rheineck sowie andere Zollämter im Raume Bregenz nach Österreich eingeführt und diese durch vorsätzliches Nichtstellen am jeweiligen Eintrittszollamt der Verzollung entzogen haben (Seiten 5 ff. der Akten 18 U 987/76 /vormals 18 U 1458/75 / des Bezirksgerichtes Linz). Hierauf stellte die Staatsanwaltschaft Linz am 14.Oktober 1975 gegen Friedrich B und Raimund A beim Bezirksgericht Linz Strafantrag wegen Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG. und warf ihnen vor, gemeinsam von August 1970 bis Oktober 1970 an verschiedenen Grenzzollämtern in Vorarlberg die betreffenden eingangsabgabepflichtigen Waren, wie Schmuckstücke, Uhren, Lederwaren, Radiogeräte und verschiedene Gebrauchsgegenstände, der Verzollung dadurch entzogen zu haben, daß sie diese den Zollämtern vorsätzlich nicht stellten, wobei die dadurch entstandene Verkürzung an Eingangsabgaben 91.207 S betragen habe (ON. 19, 20 in 18 U 987/76).

Wegen dieses Sachverhalts wurden in der Folge Friedrich B mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 16.Dezember 1975, GZ. 18 U 1458/75-26, und Raimund A mit Urteil desselben Gerichtes vom 22.Dezember 1976, GZ. 18 U 987/76-40, jeweils wegen Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 (lit. a) FinStrG. schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10.Dezember 1971, GZ. 19 Vr 217/71-137, Friedrich B überdies unter Bedachtnahme auf ein weiteres Urteil, zu Geldstrafen und zum Wertersatz verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile des Bezirksgerichtes Linz sind in Rechtskraft erwachsen; sie stehen jedoch mit dem Gesetz insofern nicht in Einklang, als wegen des der Anzeige des Zollamtes Linz vom 3.Mai 1974 und dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Linz vom 14.Oktober 1975 zugrunde liegenden Sachverhalts eine Verurteilung des Friedrich B und des Raimund A nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Die Bestimmung des § 263 StPO regelt die Vorgangsweise in Fällen, in denen der Angeklagte bei der Hauptverhandlung noch einer anderen Tat beschuldigt wird, als wegen der er angeklagt war. Eine Beschuldigung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle liegt dann vor, wenn in der Hauptverhandlung eine Tatsache zur Sprache kommt, aus der sich wider den Angeklagten mit einer zumindest eine überprüfung rechtfertigenden Gewichtigkeit der Verdacht einer in die Anklage nicht einbezogenen strafbaren Handlung ergibt (vgl. SSt. 9/87, 27/56, 30/43 u.a.). Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsache schon aktenkundig war oder neu hervorgekommen ist; entscheidend ist allein, daß sie in der Hauptverhandlung erörtert wird, was auch dann der Fall ist, wenn dies durch Verlesung von Aktenstücken, aus denen sich die Beschuldigung ergibt, geschieht (SSt. 8/83, 19/158, 30/43). Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann muß der Ankläger zur Wahrung des Anklagerechts in Ansehung der Tat, deren der Angeklagte solcherart beschuldigt wird, beantragen, die Verhandlung und das Urteil auch auf diese (weitere) Tat auszudehnen, mit anderen Worten die Anklage auf die neue Tat ausdehnen; unterläßt er dies, dann ist sein Verfolgungsrecht erloschen (SSt. 22/98, 27/56, 28/36 u.a.).

Dies trifft auf den vorliegenden Fall insofern zu, als sich im Verfahren zu AZ. 19 Vr 217/71 des Landesgerichtes Linz in der Hauptverhandlung, ohne daß es hiezu einer ausdrücklichen Erörterung in rechtlicher Beziehung bedurfte, der Verdacht des Schmuggels bereits aus den antragsgemäß verlesenen Polizeiprotokollen ergab, welche die Geständnisse der Angeklagten Friedrich B und Raimund A betreffend die im Ausland begangenen Diebstähle und die Verbringung des Diebsguts nach Österreich sowie die Sicherstellung eines großen Teils der im Ausland gestohlenen Sachen im Inland enthielten, wobei es nach Lage des Falles auf der Hand lag, daß die Angeklagten die Diebsbeute illegal und sohin unverzollt über die Grenze gebracht hatten.

Damit waren in der Hauptverhandlung Tatsachen zur Sprache gekommen, aus denen gegen die Angeklagten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit und eine überprüfung rechtfertigenden Gewichtigkeit der Verdacht des nicht Gegenstand der Anklage bildenden Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG. zu entnehmen war. Mangels einer vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 1971 vorgenommenen Ausdehnung der Anklage auf diese strafbare Handlung (und somit auch mangels eines diesbezüglichen Verfolgungsvorbehalts im Urteil) war aber das Verfolgungsrecht des öffentlichen Anklägers in dieser Richtung erloschen. Den mit Urteilen des Bezirksgerichtes Linz vom 16.Dezember 1975, GZ. 18 U 1458/75-26, und vom 22.Dezember 1976, GZ. 18 U 987/76-40, in Ansehung des Friedrich B und des Raimund A ergangenen Schuldsprüchen wegen Finanzvergehens des Schmuggels haftet demnach der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO an, wobei die damit verbundene Verletzung des Gesetzes in den Bestimmungen des § 263 Abs. 1 und 2 StPO den Verurteilten zum Nachteil gereicht. In Stattgebung der deshalb von der Generalprokuratur erhobenen und begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war somit spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E01823

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00013.79.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19790226_OGH0002_0090OS00013_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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