TE OGH 1979/4/26 12Os25/79

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Veröffentlicht am 26.04.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmuth A wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB ua strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 16. November 1978, GZ 16 Vr 1068/78-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Hackl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Staatsanwalt Dr. Kresnik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

G r ü n d e:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. August 1950 geborene Kraftfahrer (S 52 dA) Helmuth A des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hielt sich der Angeklagte seit März 1978 in Amstetten in dem von seiner Freundin Gabriele Sylvia B gemieteten Haus unangemeldet auf, wo die Genannte behördlich registriert die Prostitution ausübt. Am 25. August 1978 erschien Stefan C in Begleitung zweier Freunde auf Grund eines Inserates in diesem Hause (der Prostituierten). Nachdem sie darauf hingewiesen worden waren, daß Kunden nur einzeln empfangen würden, jedoch die Begleiter des Genannten bei der Eingangstür stehen blieben, kam der Angeklagte herbei, gab C mehrere Ohrfeigen und forderte ihn auf, das Haus zu verlassen.

Weil er der Aufforderung jedoch nicht nachkam, holte der Angeklagte eine abgesägte Schrotflinte und hielt den Lauf in der Absicht, C zum Verlassen des Hauses zu nötigen, gegen dessen Bauch. Als er die Aufforderung noch immer nicht befolgte, erfaßte der Angeklagte die Flinte beim Lauf und schlug mit dem Kolben von oben gegen C Kopf, wobei er ihm eine Rißquetschwunde am linken Ohr und am linken Unterkiefer zufügte.

Gegen den ihm dieses Verhalten als schwere Nötigung und schwere Körperverletzung anlastenden Schuldspruch richtet sich die ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der nur zum Teil Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Schuldspruch wegen § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 1) des Urteilsspruches):

Unter ziffernmäßiger Geltendmachung einer Nichtigkeit nach Z 3, der Sache nach Z 5, des § 281 Abs 1 StPO macht der Angeklagte geltend, daß im Urteilsspruch angeführt ist, er habe unter anderem auch durch Versetzen von Faustschlägen Gewalt ausgeübt, um Stefan C zum Verlassen des Hauses zu nötigen, während in den Urteilsgründen lediglich vom Versetzen mehrerer Ohrfeigen die Rede ist. Die Mängelrüge schlägt deshalb nicht durch, da die angefochtene Formulierung im Spruch offensichtlich nur auf einer Ungenauigkeit oder gar nur einem Schreibfehler beruht und ihr keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Dem Angeklagten liegt nämlich inhaltlich des Schuldspruches zur Last, insbesondere durch Versetzen eines Schlages mit der Schrotflinte gegen den Kopf des Stefan C Gewalt ausgeübt und diesen durch Vorhalten der Schußwaffe gegen dessen Bauch mit dem Tode gefährlich bedroht zu haben, um ihn zum Verlassen des Hauses zu nötigen; es ist deshalb rechtlich ohne Belang, ob er die Gewalttätigkeiten mit Faustschlägen oder Ohrfeigen begann.

Insoweit der Beschwerdeführer ebenfalls unter ziffernmäßiger Anrufung der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht, daß er wegen des vollendeten Verbrechens der schweren Nötigung schuldig erkannt worden sei, während in den Urteilsgründen sich keine Feststellung finde, daß Stefan C das Haus auch tatsächlich verlassen habe, macht er der Sache nach einen Feststellungsmangel in der Bedeutung der Z 10 des § 281 Abs 1

StPO geltend.

Auch dieser Vorwurf versagt.

Wie aus dem Wortlaut des angefochtenen Urteilsspruches in Verbindung mit den damit eine Einheit bildenden Urteilsgründen entnommen werden kann, hat ersichtlich, wenn dies auch in den Gründen nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, der angegriffene Stefan C auf Grund der vom Angeklagten ausgeübten Gewalttätigkeiten das Haus der Gabriele Sylvia B verlassen. Es liegt deshalb insofern weder der ziffernmäßig angerufene Nichtigkeitsgrund noch ein Feststellungsmangel im Sinne der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, der die Zurechnung als vollendete Nötigung nicht durch die Tatsachenfeststellungen des Ersturteils gedeckt erscheinen ließe. Ziffernmäßig unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer dem Sinne nach geltend, im Urteil sei nicht festgestellt, daß er die Schrotflinte dem Stefan C mit dem Vorsatz gegen den Bauch gehalten habe, um ihn mit dem Tode zu bedrohen. Dieser Einwand trifft nicht zu, denn die vermißte Feststellung ist in den Urteilsgründen mit hinreichender Deutlichkeit enthalten (vgl S 71). Soweit der Beschwerdeführer demnach in seinen weiteren Ausführungen das Vorliegen eines solchen Vorsatzes überhaupt bestreitet, führt er den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz gemäß aus, weil er nicht von dem vorstehend kurz wiedergegebenen, im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt ausgeht. Wenn der Beschwerdeführer schließlich die objektive Eignung einer ungeladenen Schußwaffe, dem Bedrohten begründete Besorgnisse vor einem Anschlag auf sein Leben einzuflößen, verneint, ist ihm entgegenzuhalten, daß es nicht darauf ankommt, ob die Schußwaffe geladen ist, sondern allein darauf, daß der Bedrohte den Eindruck gewinnen konnte, daß der Täter in der Lage und willens ist, den Tod des Bedrohten herbeizuführen. Dies kann aber nach Lage des vorliegenden Falles füglich nicht bezweifelt werden.

Verfehlt ist schießlich auch die ebenfalls unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vom Angeklagten vertretene Rechtsmeinung, wonach er nur wegen des Vergehens der nicht nach dem § 106 StGB als schwer qualifizierten Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB zu verurteilen gewesen wäre, weil das Delikt in der schweren Begehungsform (Drohung mit dem Tode) beim Versuch geblieben und erst in der leichteren (durch Gewaltanwendung) vollendet worden sei. Für diese Rechtsansicht vermag der Beschwerdeführer keine überzeugenden Argumente vorzubringen und räumt selbst ein, daß sie im Widerspruch zur Lehre und zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht. Hingegen hat das Erstgericht richtig erkannt, daß bei Vorliegen von mehreren, von einem einheitlichen Vorsatz umfaßten und auf Vollendung eines und desselben Verbrechens gerichteten, Ausführungshandlungen diese als eine einzige Straftat anzusehen sind und der Täter wegen der in der schwersten Begehungsform begangenen strafbaren Handlung zu verurteilen ist, wobei es ohne Belang ist, daß es allenfalls bei der qualifizierten Begehungsform beim Versuch geblieben ist, wenn nur eine der schrittweisen Ausführungshandlungen zum Erfolg geführt hat. Folgte man jedoch der Meinung des Beschwerdeführers, hätte dies zur Folge, daß der Unrechtsgehalt der Tat, die durch die Drohung mit dem Tode qualifiziert und mit höherer Strafe bedroht ist, nicht zur Gänze abgegolten wäre.

Dem Nichtigkeitswerber ist zu seinem Einwand der Vollständigkeit halber überdies entgegenzuhalten, daß im vorliegenden Fall das Tatgeschehen eine Trennung in eine erfolglose Drohung mit dem Tode und eine zum Erfolg führende Gewaltausübung als selbständig zu beurteilende Einzeltaten gar nicht zuläßt. Vielmehr sind, entsprechend den Feststellungen des Erstgerichtes, die Angriffshandlungen des Angeklagten in unmittelbarer Aufeinanderfolge gleichsam uno actu erfolgt, sodaß gar nicht gesagt werden kann, ob nicht die vorausgegangene Bedrohung mit dem Erschießen mit ein Grund war, daß der Angeklagte nach dem Schlag mit dem Gewehrkolben, der Forderung des Angeklagten, das Haus zu verlassen, nachgekommen ist. Davon abgesehen teilt der Oberste Gerichtshof die auch von der Lehre vertretene Ansicht, daß mehrere Ausführungshandlungen, die von einem einheitlichen, wenn auch im Zuge der Tat modifizierten Vorsatz umfaßt werden und planmäßig auf die Vollendung eines und desselben Verbrechens ausgerichtet sind, eine einzige Straftat darstellen. Dabei ist das Vorliegen eines Gesamterfolges im Sinne eines bestimmten Deliktstypus nicht davon abhängig, daß sämtliche Ausführungshandlungen als Einzeltaten nach ein und demselben Strafgesetz zu beurteilen wären. So können die einzelnen Akte eines fortgesetzten Deliktes verschieden qualifizert sein, die Strafe ist aber nach dem schwersten der in Betracht kommenden Tatbestände zu bemessen (vgl Nowakowski, 121; derselbe in 'Fortgesetztes Verbrechen und gleichartige Verbrechensmenge' S 39, Burgstaller JBl 1978 S 400).

Die behauptete Nichtigkeit liegt daher nicht vor.

Zum Schuldspruch wegen § 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB (Punkt 2) des Urteilsspruches):

Mit seiner auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Mängelrüge, mit der sich der Angeklagte gegen die Feststellung des Erstgerichtes wendet, er habe dem Stefan C mit dem Kolben (und nicht mit dem Lauf) des Gewehres auf den Kopf geschlagen, versucht der Beschwerdeführer lediglich in unzulässiger Weise und daher auch unbeachtlich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zu bekämpfen, die im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof jedoch einer Anfechtung entzogen ist.

Mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, der Sache nach jedoch die Z 10 dieser Gesetzesbestimmung ausführend, macht der Angeklagte geltend, daß er zu Unrecht neben der schweren Nötigung in Idealkonkurrenz auch noch der Körperverletzung schuldig erkannt worden sei; es könne ihm die durch die Gewaltanwendung herbeigeführte Körperverletzung des Stefan C nicht zusätzlich angelastet werden, weil die Anwendung von Gewalt zum objektiven Tatbild der Nötigung gehöre und eine dabei allenfalls entstandene Körperverletzung durch das Gewaltdelikt konsumiert werde. Mit diesen Ausführungen vermag der Angeklagte jedoch keinen Rechtsirrtum des Erstgerichtes aufzuzeigen.

Entgegen den vom Beschwerdeführer beispielsweise angeführten Delikten des Raubes und des räuberischen Diebstahls ist bei dem vorliegenden Tatbestand der (schweren) Nötigung weder die Gewaltanwendung alleiniges Begehungsmittel, noch für den Eintritt von Verletzungsfolgen eine höhere Strafdrohung vorgesehen. Hat daher die ausgeübte Gewalt eine Körperverletzung zur Folge, was nicht zwangsläufig sein muß, dann ist im allgemeinen eintätiges Zusammentreffen zwischen Nötigung und Körperverletzung anzunehmen (Leukauf-Steininger S 428, 534, ÖJZ-LSK 1976/91).

Soweit das Erstgericht die im Zuge der Gewaltanwendung bei der Nötigung dem Stefan C zugefügte Körperverletzung dem Angeklagten zusätzlich angelastet hat, ist ihm dabei ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Hingegen kommt der Rechtsrüge nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO, mit welcher der Angeklagte releviert, daß die von ihm als Schlaginstrument verwendete Schrotflinte nicht als solches Mittel bezeichnet werden könnte, mit dessen Anwendung im Sinne des § 84 Abs 2 Z 1 StGB in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, welcher aber auch dem Sinne nach zu entnehmen ist, daß im Zusammenhang damit Feststellungsmängel in Beziehung auf die subjektive Tatseite vorliegen, im Ergebnis Berechtigung zu.

Objektiv liegen zwar die Voraussetzungen des § 84 Abs 2 Z 1 StGB vor, sodaß insoweit Deliktsvollendung nach der zitierten Gesetzesstelle (und nicht bloß Versuch, der an sich möglich wäre und zwar etwa dann vorläge, wenn es dem Zeugen C gelungen wäre, dem Schlag nicht nur teilweise, sondern zur Gänze auszuweichen) vom Erstgericht mit Recht angenommen wurde. Insoweit sind die erstgerichtlichen Feststellungen und die daraus gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen unbedenklich (sS 71 dA). In subjektiver Richtung läßt aber das Ersturteil hinreichende Feststellungen dahin vermissen, ob der Angeklagte gewußt oder es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, daß seine Tat zufolge des angewendeten Mittels und Art der Tatbegehung mit Lebensgefahr für das Opfer verbunden ist. Zwar spricht der äußere Tathergang für ein solches Bewußtsein, zwingt aber nicht dazu, sodaß der Hinweis auf das Tatgeschehen, der im übrigen dem Ersturteil gleichfalls nicht zu entnehmen ist, nicht genügt, das Vorliegen eines solchen Bewußtseins (zumindest in der Form bedingten Vorsatzes) als festgestellt anzunehmen. Insoweit war der Nichtigkeitsbeschwerde teilweise Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen, wobei das Erstgericht im erneuerten Rechtsgang die vermißten Feststellungen hinsichtlich der subjektiven Tatseite nach den Verfahrensergebnissen zu treffen haben wird.

Anmerkung

E01914

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00025.79.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19790426_OGH0002_0120OS00025_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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