TE OGH 1979/5/8 9Os66/79

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Veröffentlicht am 08.05.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Hildegard A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 15. Dezember 1977, GZ 4 E Vr 745/77-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 15. Dezember 1977, GZ 4 E Vr 745/77-23, verletzt insoweit, als das von Hildegard A begangene Vergehen der Unterhaltspflichtverletzung auch § 198 Abs 2 StGB unterstellt und die Strafe nach dieser Gesetzesstelle bestimmt wurde, das Gesetz in der genannten Bestimmung.

Der erwähnte Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Tat und der Strafausspruch werden aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Für das ihr nach dem unberührt bleibenden Teil des erstgerichtlichen Urteils zur Last fallende Vergehen der Unterhaltspflichtverletzung nach § 198 Abs 1

StGB wird Hildegard A nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei (3) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird diese Strafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die vom 18. November 1977, 11 Uhr 30, bis zum 18. April 1978, 8 Uhr, erlittene Haft wird für den Fall des Widerrufs auf diese Strafe angerechnet.

Text

Gründe:

I. die am 10. Oktober 1944 geborene Serviererin Hildegard A wurde vom Jugendgerichtshof Wien wie folgt verurteilt:

1) Am 17. Dezember 1969 (rechtskräftig seit 22. Dezember 1969) wegen Übertretung nach § 1 Abs 1

USchG zu drei Wochen strengen Arrestes, bedingt auf drei Jahre (GZ 7 U 653/69-5);

2) am 29. Juli 1970 (rechtskräftig am selben Tag) gleichfalls wegen Übertretung nach § 1 Abs 1 USchG zu drei Wochen strengen Arrestes (unbedingt) (GZ 7 U 304/70-14);

3) am 31. Jänner 1972 (rechtskräftig seit 4. Februar 1972) wegen Vergehens nach § 1 Abs 2 USchG zu 4 Monaten strengen Arrestes, der unter Anwendung des § 260 b StG 1945 verschärft wurde (GZ 1 a Vr 1436/71-16) und 4) am 15. Dezember 1977 (rechtskräftig seit 20. Dezember 1977) wegen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und Abs 2 StGB zu 5 Monaten Freiheitsstrafe (GZ 4 E Vr 745/77-23).

Der im Urteil vom 17. Dezember 1969 gewährte bedingte Strafnachlaß wurde am 22. Juli 1970 widerrufen.

Die unter Pkt 1) - 4) ausgesprochenen Strafen wurden von der Verurteilten verbüßt, und zwar zu 1) vom 16. August 1970 bis zum 6. September 1970, zu 2) unter Anrechnung von Vorhaft in der Zeit vom 29. Juli 1970 bis zum 16. August 1970, zu 3) in der Zeit vom 4. November 1972 bis zum 4. März 1973 und zu 4) unter Einrechnung der Vorhaft in der Zeit vom 15. Dezember 1977 bis zum 18. April 1978.

Rechtliche Beurteilung

II./ Das letztgenannte Urteil steht, soweit darin die Tat auch § 198 Abs 2 StGB unterstellt wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Hinsichtlich der Verurteilungen zu 7 U 653/69, 7 U 304/70 und 1 a Vr 1436/71 war nämlich die nach §§ 3 Abs 1 Z 1, 8 Abs 2 TilgG 1972 ab Rechtskraft der Verurteilung zu laufen beginnende Tilgungsfrist von fünf Jahren (zuzüglich der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe) bereits abgelaufen. Die Verurteilungen zu 7 U 653/69 und 7 U 304/70 bewirkten, da die in diesen Verfahren verhängten Strafen weniger als einen Monat betrugen, keine Verlängerung der Tilgungsfrist (§ 4 Abs 3 TilgG 1972). Die zeitlich letzte dieser Vorverurteilungen (zu 1 a Vr 1436/71) war am 5. Juni 1977 (Tilgungsfrist von 5 Jahren zuzüglich der ausgesprochenen Strafe von 4 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Urteils am 4. Februar 1972) tilgbar. Da nach § 1 Abs 1 TilgG 1972 die Tilgung, soferne sie nicht überhaupt ausgeschlossen ist, mit Ablauf der Tilgungsfrist kraft Gesetzes eintritt, durften die bereits mehrfach genannten Vorstrafen, die nach dem Inhalt der Akten (siehe dazu ON 19 a und ON 22 im Akt 4 E Vr 745/77, Hv 30/77) zudem im Zeitpunkt der Hauptverhandlung ohnedies schon getilgt waren, zur Begründung der Rückfallsqualifikation in dem durch Urteil vom 15. Dezember 1977 abgeschlossenen Verfahren 4 E Vr 745/77 nicht mehr herangezogen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Tat, die Gegenstand des Verfahrens 4 E Vr 745/77 war, teilweise noch während des Laufes der Tilgungsfrist gesetzt und das Verfahren innerhalb der Tilgungsfrist eingeleitet wurde. Maßgebend für die Frage der Rückfallsqualifikation ist allein der Zeitpunkt der Urteilsfällung; zu diesem Zeitpunkt (15. Dezember 1977) war die Tilgungsfrist aber bereits verstrichen und somit die Tilgung kraft Gesetzes eingetreten (vgl hiezu SSt 27/27).

Die gesetzwidrige Annahme der Qualifikation nach § 198 Abs 2 StGB hatte die Anwendung des höheren Strafsatzes dieser Gesetzesstelle zur Folge; sie hat sich sohin zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt, auch wenn die verhängte Strafe innerhalb des richtigerweise anzuwendenden Strafrahmens des § 198 Abs 1 StGB geblieben ist.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war mithin spruchgemäß zu erkennen.

Bei der Neubemessung der Strafe nahm der Oberste Gerichtshof die lange Dauer der Unterhaltsverletzung für vier Kinder als erschwerend und das reumütige Geständnis der Angeklagten als mildernd an. Bei diesen Strafzumessungsgründen erachtete er - auch unter Bedachtnahme auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 29. Jänner 1979, AZ 20 U 684/78 (neuerliche Verurteilung wegen Vergehen nach § 198 Abs 1 StGB, begangen in der Zeit vom 1. Mai 1978 bis 28. Jänner 1979 in Ansehung von 4 Kindern, zu 3 Monaten Freiheitsstrafe, bedingt auf 3 Jahre) - das aus dem Spruch ersichtliche Strafmaß als dem Verschulden der Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Straftat angemessen.

Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht hielt der Oberste Gerichtshof vorliegend mit Rücksicht auf die nunmehr bei der Angeklagten (wieder) anzunehmende Unbescholtenheit, die an sich die Annahme eines weiteren Wohlverhaltens zu rechtfertigen vermag, für gerade noch vertretbar.

Die von der Angeklagten im gegenständlichen Verfahren verbrachte (Untersuchungs- und Straf-)Haft wurde gemäß § 38 StGB bzw in sinngemäßer Anwendung des § 359 Abs 3 StPO für den Fall des Widerrufs auf die verhängte Strafe angerechnet.

Obrster Gerichtshof, Wien, am 8. Mai 1979.

Anmerkung

E02000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00066.79.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19790508_OGH0002_0090OS00066_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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