TE OGH 1979/5/9 10Os53/79

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Veröffentlicht am 09.05.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Eduard A u.a. wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von Eduard A gegen das Urteil des Kreisgerichts Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 29.Jänner 1979, GZ 9 b Vr 904/78-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten Eduard A verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 18.Dezember 1952 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Hilfsarbeiter Eduard A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1

und Abs 2, erster Fall, StGB schuldig erkannt.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte A nur den Schuldspruch im Urteilsfaktum B/ II.) wegen eines Ende Mai 1978 in Gesellschaft des - auch deshalb mit der erstgerichtlichen Entscheidung bereits rechtskräftig abgeurteilten - Mitangeklagten Karl B versuchten Einbruchsdiebstahls in eine Tabaktrafik in Mödling.

Die am 25.April 1979 abgefertigte Verständigung vom Gerichtstag ist dem Verhafteten, nämlich als Untersuchungshäftling im kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Wr. Neustadt untergebrachten Angeklagten - offenkundig infolge von bei der Zustellung eingetretenen Verzögerungen - erst am 2.Mai 1979, also weniger als 8 Tage vor dem Gerichtstag ausgehändigt worden und sein gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellter Verteidiger, der die Vorladung bereits am 27. April 1979 entgegengenommen hatte, zum Gerichtstag nicht erschienen. Trotzdem konnte der Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung durchgeführt werden.

Rechtliche Beurteilung

Zwar ist im Falle der Anberaumung eines solchen die Vorladung des Angeklagten (sowie des allenfalls einschreitenden Privatanklägers) so vorzunehmen, daß er diese wenigstens 8 Tage vor dem Gerichtstag erhält; diese Vorschrift stellt jedoch - ihrem unmißverständlichen Wortlaut und der klaren Absicht des Gesetzgebers nach (§ 6 ABGB.) - bei der darin festgelegten 8-tägigen (Vorbereits-)Frist ausdrücklich auf eine Vorladung (= Ladung) ab, worunter nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Aufforderung, vor einer Behörde, besonders vor Gericht, zu einem bestimmten Zeitpunkt (Termin) zu erscheinen, zu verstehen ist (vgl. Brockhaus Enzyklopädie Bd. 19 S. 734, Bd. 11 S. 28; ähnlich Meyer' s Enzykl. Lexikon Bd. 14 S. 548). Eine (derartige) Vorladung ist daher von vorneherein lediglich dann sinnvoll, wenn der Betroffene erscheinen soll und kann; ist er, wie etwa der in Haft befindliche Angeklagte, zur Wahrnehmung des Termins nicht in der Lage, so kommt je nach dem, ob ein persönliches Erscheinen erforderlich ist oder nicht, nur entweder die Vorführung oder eine bloße Benachrichtigung in Betracht. Demgemäß regelt § 286 Abs 2 StPO

die Bekanntgabe des Gerichtstags an den verhafteten Angeklagten dahin, daß er hievon mit dem Beisatz in Kenntnis gesetzt werde, daß er nur durch seinen Verteidiger erscheinen könne. Eine Vorladung (in der oben angeführten Bedeutung) ergeht unter diesen Umständen (außer der Inkenntnissetzung des verhafteten Angeklagten) nur an den gewählten (§ 39 Abs 1 StPO) oder bestellten (§ 41 Abs 2 und 3 StPO) Verteidiger. Weil bei der gegebenen Sach- und Verfahrenslage er allein zum Einschreiten (für den Angeklagten) berufen ist, erscheint die Einhaltung der im Abs 1 normierten Frist äußerstenfalls für ihn von Bedeutung und durch seine zeitgerechte Vorladung gewahrt. Daß das Gesetz bei der bezeichneten Frist nicht unbedingt auf die Person des Angeklagten abstellt, sondern sehr wohl auch an dessen Stelle seinen Verteidiger im Auge hat, zeigt die Regelung des Abs 3 des § 286 StPO, wonach, falls der Angeklagte einen Verteidiger bereits namhaft gemacht hat (Wahlverteidiger nach § 39 Abs 1 StPO), die 'Vorladung nur an diesen zu richten ist'.

§ 296 Abs 3 StPO hinwiederum erklärt ausdrücklich, daß bezüglich des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung für dessen Anberaumung und Durchführung die Bestimmungen der §§ 286 und 287 StPO mit der Maßgabe gelten, daß stets auch der nicht verhaftete Angeklagte (aber auch nur dieser) vorzuladen ist und die Vorführung des verhafteten Angeklagten veranlaßt werden kann. In letzterer Beziehung ist vorliegend sowohl der Verteidiger als auch der Angeklagte in der Benachrichtigung vom Gerichtstag auch davon in Kenntnis gesetzt worden, daß eine derartige Vorführung nicht in Aussicht genommen wird.

Da im übrigen die zeitgerechte Ladung des Verteidigers zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten ausgewiesen ist, stand dessen Durchführung der Umstand, daß der in Haft befindliche Angeklagte hievon erst am 2.Mai 1979 Kenntnis erlangt hat, ebensowenig entgegen, wie das Ausbleiben des Verteidigers (im letzteren Belange siehe SSt. 46/5).

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst - zumindest dem Sinne nach - zum in Rede stehenden Urteilsfaktum überhaupt das Vorliegen eines strafbaren Versuchs, womit er insoweit der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9

lit. a des § 281 Abs 1 StPO releviert, und behauptet überdies unter ausdrücklicher Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b der vorerwähnten Gesetzesstelle einen - strafaufhebenden - freiwilligen Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 16 Abs 1 StGB

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Nach den wesentlichen, auf den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und des Mitangeklagten C beruhenden Urteilsfeststellungen zu dem in Beschwerde gezogenen versuchten Diebstahlsfaktum fuhren Eduard A und Karl C (Ende Mai 1978 zur Nachtzeit) mit der Badener Bahn von Baden nach Wiener Neudorf und begaben sich dann zu Fuß nach Mödling, um dort einen Einbruchsdiebstahl in eine (vom Mitangeklagten C bezeichnete) Tabaktrafik zu verüben. Am Tatort angelangt, stieg der Angeklagte A, mit einem schon einige Tage vorher bei einem derartigen Einbruch (in eine Tabaktrafik in Baden) benützten Schraubenzieher, einer Taschenlampe, Plastiktasche und mit Handschuhen ausgerüstet, über einen Zaun, mußte jedoch an Ort und Stelle feststellen, daß ein Aufbrechen der gut abgesicherten Tür und der Fenster dieser Tabaktrafik und somit ein Eindringen in diese mit dem von ihm mitgeführten Werkzeug nicht möglich war, worauf er und sein Komplize C unverrichteter Dinge wieder den Tatort verließen. Nach der Legaldefinition des § 15 Abs 2 StGB ist die Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen (oder einen anderen dazu zu bestimmen), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Strafbarer Versuch liegt sohin nicht nur bei bereits begonnener Ausführungshandlung, sondern auch schon bei einem Tatverhalten vor, das durch seinen sinnfälligen Zusammenhang mit dem geplanten Delikt auf dieses direkt ausgerichtet ist und nach den Zielvorstellungen des Täters gleichsam in einem Zuge in die Tatausführung übergehen soll; es liegt solcherart infolge der Ausführungsnähe schon im unmittelbaren Vorfeld der Tatbildverwirklichung und es ist auch in subjektiver Beziehung das deliktische Vorhaben in ein Stadium getreten, welches die Annahme zuläßt, der Täter habe die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung schon überwunden.

Dies trifft nach den oben wiedergegebenen Urteilsfeststellungen zu. Es versagt somit der erste, das Vorliegen eines strafbaren Versuchs im Sinne des § 15 StGB verneinende Beschwerdeeinwand. Nach dem vom Schöffengericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt kann aber auch keine Rede davon sein, daß die Tatvollendung etwa im Sinne des - von der Beschwerde allenfalls außerdem sachlich ins Auge gefaßten - § 15 Abs 3

StGB nach der Art der Handlung oder des Gegenstandes, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war. Denn absolut untauglich und somit nicht strafbar ist nach der vorzitierten Gesetzesstelle ein Versuch nur dann, wenn die Tatvollendung bei einer generalisierenden, von den Besonderheiten des Einzelfalles losgelösten Betrachtungsweise objektiv unter keinen Umständen herbeigeführt werden kann und demnach geradezu denkunmöglich ist (Foregger-Serini2, S. 44; LSK. 1976/139).

Schließlich kommt nach Lage des Falles aber auch der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB nicht in Betracht, hat doch der Beschwerdeführer (ebenso wie der Mitangeklagte C) nach den bezüglichen Urteilsannahmen nicht aus inneren Erwägungen und demnach aus eigenem Antrieb von der Tatvollendung Abstand genommen, sondern vielmehr nur deshalb, weil er sich subjektiv, auf Grund der Unzulänglichkeit des mitgeführten, zum Aufbrechen der Eingangstür oder der Fenster der Tabaktrafik (im konkreten Fall) nicht ausreichenden Werkzeugs außerstande wähnte, sein Ziel zu erreichen. Es fehlt hier somit an dem für den angestrebten Strafaufhebungsgrund essentiellen Moment der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch; denn freiwillig handelt nur jener Täter, der von einem für ihn an sich durchführbaren und als solches erkannten Vorhaben abläßt, nicht aber derjenige, der - wie vorliegend - im Bewußtsein der Aussichtslosigkeit einer weiteren Tatausführung die Tatvollendung aufgibt (Leukauf-Steininger, S. 150).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Eduard A nach §§ 28, 129 StGB zu 18 (achtzehn) Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es die Wiederholung der Diebstähle, den raschen Rückfall bei der Verletzung der Unterhaltspflicht, ferner bei diesem Delikt die über die Rückfallsqualifikation des § 198 Abs 2

StGB hinausgehende Vorstrafe und die einschlägige Vorstrafe wegen Diebstahls sowie das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung an.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung des Strafmaßes an.

Die Berufung ist berechtigt.

Im Hinblick auf das Hinzutreten des vom Erstgericht übersehenen Umstandes, daß es im Faktum B 2 beim Versuch geblieben ist (§ 34 Z 13 StGB), als mildernd zu den sonst im wesentlichen zutreffend erfaßten Strafzumessungsgründen erachtet der Oberste Gerichtshof in Stattgebung der Berufung die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß für gerechtfertigt.

Anmerkung

E01980

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00053.79.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19790509_OGH0002_0100OS00053_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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