TE OGH 1979/5/17 12Os31/79

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Veröffentlicht am 17.05.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas A und andere wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB über die vom Angeklagten Thomas A gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 12. Dezember 1978, GZ 3 Vr 1394/78-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Prüfling und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil in Ansehung des Angeklagten Thomas A sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO auch in Ansehung des Angeklagten Bernhard B aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die Angeklagten Thomas A und Bernhard B werden von der wider sie erhobenen Anklage, sie haben nachts zum 23. August 1978 in Wien versucht, in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, und zwar die hinteren Stoßdämpfer eines Motorfahrrades, dem Michael C mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie sich bemühten, diese vom Fahrzeug des Genannten abzumontieren, und sie haben hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 19.Juli 1963 geborene kaufmännische Lehrling Thomas A und der am 9.Mai 1964 geborene Schüler Bernhard B des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127

Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Nacht zum 23. August 1978 in Wien versucht haben, in Gesellschaft als Beteiligte dem Michael C die hinteren Stoßdämpfer seines Motorfahrrades durch Abmontieren mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der Angeklagte A bekämpft dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a - der Sache nach Z 9 lit b - StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde;

hinsichtlich des Angeklagten B ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen.

Einen Verfahrensmangel erblickt der Angeklagte A in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert der Stoßdämpfer (S 67 dA), weil dieser für die vorliegend gebotene Beurteilung der Tat nach § 42 StGB von Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Der im Urteil nachgetragenen Begründung für die Abweisung des in Rede stehenden Beweisantrages, wonach das ihm zugrundeliegende Beweisthema im Hinblick auf den ohnedies angenommenen geringen Wert der Stoßdämpfer keinen entscheidungswesentlichen Umstand betreffe, ist zuzustimmen.

Das Erstgericht hat nämlich den Wert der vom Diebstahlsvorhaben des Beschwerdeführers und seines Komplizen erfaßten Stoßdämpfer ausdrücklich als gering bezeichnet (S 75 dA) und im übrigen die Anwendung des § 42 StGB nicht im Hinblick auf den Wert des Diebsgutes, sondern aus generalpräventiven Gründen sowie mangels geringer Schuld der Täter abgelehnt.

Der weiters in der Verfahrensrüge (erstmals) erhobene Einwand, die gegenständlichen Stoßdämpfer seien überhaupt (völlig) wertlos gewesen - womit deren objektive Eignung als Diebstahlsobjekt in Frage gestellt wird -, findet in dem dem Beweisantrag in erster Instanz zugrundeliegenden Beweisthema keine Deckung, sodaß er schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO unbeachtlich ist. Davon abgesehen bieten die Verfahrensergebnisse, so vor allem der im Ersturteil ausdrücklich festgestellte Umstand, daß C das Motorfahrrad erst im April 1977 in neuwertigem Zustand um 19.800 S gekauft (S 66 und 71 dA) und es somit nur relativ kurze Zeit benützt hat, und daß der Beschwerdeführer die Stoßdämpfer (nach seinem eigenen Geständnis) in sein Fahrrad einbauen und demnach weiter benützen wollte (S 23, 65 und 72 dA), bei realistischer Betrachtungsweise keine Anhaltspunkte dafür, daß die Stoßdämpfer wirtschaftlich völlig wertlos gewesen sein könnten.

In Ausführung der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Aussage des Zeugen C eine unzureichende bzw unvollständige Begründung des Ausspruchs, der Fahrzeugeigentümer habe sich des Eigentums an seinem Fahrzeug nicht begeben gehabt. Zunächst ist diesem Einwand entgegenzuhalten, daß der Aussage des Zeugen C in der Hauptverhandlung (vgl S 66, 67 dA) keineswegs zu entnehmen ist, er hätte sein Eigentumsrecht an dem Fahrzeug bereits vor der Tat durch Dereliktion (§§ 362, 444 ABGB) aufgegeben und es dadurch anderen Personen zur freien Aneignung überlassen (§ 386 ABGB). Die bekämpfte Urteilsannahme, wonach (objektiv) keine Dereliktion des Motorfahrrades durch dessen Eigentümer vorgelegen habe, findet daher schon in der vom Erstgericht ausdrücklich herangezogenen und in den Urteilsgründen erörterten Aussage des genannten Zeugen eine hinreichende Begründung. Darüber hinaus hat das Erstgericht aber auch mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß das Motorfahrrad zur Tatzeit noch mit dem - nach dem Eingeständnis des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung auch von ihm wahrgenommenen (S 65 dA) -

polizeilichen Kennzeichen versehen war, sowie auf die näheren Tatumstände (Tatbegehung nach Mitternacht;

Versuch, das Fahrzeug vom ursprünglichen, erhellten Abstellplatz auf eine dunkle Stelle zu transportieren, um dort ungestört die Stoßdämpfer ausbauen zu können;

Ergreifen der Flucht bei Betretung durch Beamte der Funkstreife) einleuchtend begründet, daß sich der Beschwerdeführer (und sein Mittäter) im Tatzeitpunkt auch (subjektiv) dessen bewußt waren, daß der Fahrzeugeigentümer sein Eigentumsrecht an dem Fahrzeug, auch wenn von diesem damals schon wesentliche Bestandteile fehlten, (noch) nicht preisgegeben hatte (S 72 dA).

Mithin versagen sowohl die Verfahrens- als auch die Mängelrüge. Im Ergebnis berechtigt ist hingegen die Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer (der Sache nach gestützt auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB und damit die Straflosigkeit der Tat releviert.

Daß der Wert der in Aussicht genommenen Diebsbeute gering war, hat das Erstgericht als erwiesen angenommen (S 75 dA). Entgegen der Auffassung des Jugendschöffengerichtes kann aber vorliegend - unter Berücksichtigung aller Umstände bei der Tatverübung sowie der Täterpersönlichkeit des Beschwerdeführers - auch (noch) von einer geringen Schuld des Täters im Sinne des § 42 Abs 1 Z 1 StGB gesprochen werden, ist doch letztlich der Tatentschluß sowohl des (zur Tatzeit knapp über 15 Jahre alten) Beschwerdeführers als auch des (damals erst knapp über 14 Jahre alten) Mittäters Bernhard B - trotz der gezeigten Planmäßigkeit des Vorgehens - auf eine jugendliche Unüberlegtheit zurückzuführen. Folgen der Tat im Sinne des § 42 Abs 1 Z 2 StGB sind nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht eingetreten. Schließlich ist aber auch eine Bestrafung des Beschwerdeführers nicht geboten, um ihn von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Handelt es sich - wie vorliegend - um einen sowohl in Ansehung des Schuldgehaltes als auch hinsichtlich der Sozialschädlichkeit und des Störwerts für die Umwelt deutlich unter der Norm liegenden Fall, dann steht - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - der Umstand, daß es sich um ein häufig vorkommendes Delikt handelt, der Anwendung des § 42 StGB nicht entgegen (vgl ÖJZ-LSK 1976/346). So gesehen gebieten vorliegend die vom Erstgericht ins Treffen geführten generalpräventiven Erwägungen nicht die Bestrafung des Beschwerdeführers.

In Stattgebung der insoweit begründeten Nichtigkeitsbeschwerde war somit in Ansehung des Beschwerdeführers mit einem Freispruch gemäß § 259 Z 4 StPO vorzugehen. Da die Gründe, auf denen diese Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers beruht, in gleichem Maße auch dem Mitangeklagten Bernhard B zustatten kommen, war gemäß § 290 Abs 1 StPO auch in Ansehung dieses Angeklagten, der eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, mit Urteilsaufhebung und Freispruch gemäß § 259 Z 4 StPO vorzugehen.

Anmerkung

E02135

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00031.79.0517.000

Dokumentnummer

JJT_19790517_OGH0002_0120OS00031_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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