TE OGH 1979/6/7 12Os52/79

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Veröffentlicht am 07.06.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas A wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8. Februar 1979, GZ 25 Vr 2260/78-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, nach Verlesung der Rechtsmittelausführungen des Verteidigers, Dr. Josef Heis, ON 20, und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und über den Angeklagten

eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen verhängt.

Die Höhe des Tagessatzes wird mit S 100 bestimmt.

Für den Fall der Nichteinbringlichkeit wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 120 Tagen festgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25. Mai 1959 geborene Schlosser Andreas A des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB (Punkt I) des Urteilssatzes) und des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, 129 Z 1 StGB (Punkt II) des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Von zwei weiteren Anklagefakten wurde er gemäß dem § 259 Z 3 StPO (unangefochten) freigesprochen.

Zum Schuldspruchfaktum I) liegt ihm zur Last, daß er im November 1977 in Nikolsdorf (Bezirk Lienz) Frieda B durch Wegnahme eines Massagegerätes und durch die Drohung, ihre seit September 1977 unterhaltenen geschlechtlichen Beziehungen zu ihm ihrem Ehemann mitzuteilen, zur leihweisen Überlassung eines Bargeldbetrages von S 700, nötigte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, und diese um den genannten Betrag am Vermögen schädigte.

Nur in diesem Teil des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte das Urteil mit einer auf Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund bezeichnet der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil als unvollständig begründet, weil das Erstgericht Widersprüche in der (nach Meinung des Beschwerdeführers infolge dieser Widersprüche unglaubwürdigen) Aussage der Zeugin Frieda B unberücksichtigt gelassen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge versagt. Das Erstgericht befaßte sich in den Urteilsgründen eingehend mit der Aussage der Zeugin Frieda B und legte in schlüssiger Weise dar, warum es diese insgesamt für glaubwürdig, die leugnende Verantwortung des Angeklagten dagegen als widerlegt erachtete. Es verwies bei Würdigung dieser Beweise insbesondere darauf, daß Frieda B die Befragung wegen des mit der Tat des Angeklagten im Zusammenhang stehenden Intimverhältnisses unangenehm gewesen sei, sie sich in ihrer Ausdrucksweise sehr schwer getan hätte und sich an verschiedene Umstände erst im Zuge ihrer Vernehmung (in der Hauptverhandlung) wieder erinnert habe. Wenn das Erstgericht auf Grund der Verfahrensergebnisse - unter Verwertung des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung - dennoch die Überzeugung gewann, die genannte Zeugin sei bestrebt gewesen, die volle und reine Wahrheit zu sagen, und habe dem Angeklagten nicht bewußt schaden wollen, und ihrer Darstellung bezüglich aller für die Verwirklichung des Tatbestandes der Erpressung entscheidungswesentlichen Tatumstände Glauben schenkte, stellt dies einen Akt freier Beweiswürdigung dar, der einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen ist. Aus dem Umstand, daß das Erstgericht diese Zeugenaussage - die vom Erstgericht ersichtlich auch unter Bedachtnahme auf den Umstand gewürdigt wurde, daß sich in der Hauptverhandlung (zunächst) eine gewisse Inkonformität zwischen der von Frieda B im Vorverfahren und vor dem erkennenden Senat gegebenen Darstellung ergab - nicht im Detail in den Urteilsgründen wiedergegeben und erörtert hat, läßt sich ein formeller Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht ableiten, zumal nach dem Gesetz (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die Urteilsgründe in gedrängter Form abzufassen sind. Das Beschwerdevorbringen, mit welchem die Widersprüchlichkeit und Unglaubwürdigkeit der Zeugin Frieda B dargetan werden soll, erschöpft sich sohin in einem unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die schlüssig und zureichend begründete erstrichterliche Beweiswürdigung.

Im übrigen sind - den Beschwerdeausführungen zuwider - die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tatsachenannahmen, insbesondere auch die Konstatierung, Frieda B habe dem Angeklagten den verlangten Geldbetrag deshalb ausgehändigt, weil sie befürchtete, dieser könnte ihrem Ehemann von ihrem Intimverhältnis erzählen, in der Aussage der genannten Zeugin gedeckt (vgl S 75 unten dA); Aktenwidrigkeit liegt demnach gleichfalls nicht vor.

Zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, die inkriminierte Drohung sei nicht geeignet gewesen, der Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und ihre persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen.

Soweit er sich auch in diesem Zusammenhang gegen die Annahme einer Nötigung der Frieda B durch ihn wendet und unter Zitierung einzelner, aus dem Zusammenhang gerissener Teile ihrer Aussage behauptet, das Erstgericht stütze seine bezüglichen Tatsachenfeststellungen zu Unrecht auf die (seiner Auffassung nach widersprüchliche und unglaubwürdige) Zeugenaussage der Frieda B, ficht er abermals nur in unzulässiger Weise nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes an, ohne einen Begründungs- oder Feststellungsmangel nachzuweisen. In rechtlicher Hinsicht kommt es darauf an, ob die inkriminierte Drohung auf Grund der näheren Begleitumstände, unter denen sie geäußert wurde, objektiv geeignet war, bei dem (der) Bedrohten die Befürchtung hervorzurufen, der Täter sei willens und in der Lage, seine Drohung zu verwirklichen. Diese Frage wurde vom Erstgericht im vorliegenden Fall jedoch unter Zugrundelegung des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhaltes frei von Rechtsirrtum bejaht, weil bei der gegebenen Sachlage Frieda B mit Grund erwarten konnte, der Angeklagte werde, falls sie seiner Forderung nicht nachkäme, seine - ernstgemeinte - Drohung, ihre geschlechtlichen Beziehungen zu ihm ihrem Ehemann mitzuteilen, wahrmachen; insoweit haftet diesem Ausspruch auch kein auf unrichtiger Rechtsauffassung beruhender Feststellungsmangel an.

Eine Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer schließlich darin, daß sein Tatverhalten zu Unrecht dem Tatbestand der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB anstatt jenem der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB unterstellt worden sei, weil es sich bei der Hingabe des Bargeldbetrages von S 700 bloß um eine Leihe (ein Darlehen) gehandelt habe, wodurch kein dolos bewirkter Vermögensschaden eingetreten sei.

Auch diesem Beschwerdeeinwand kommt keine Berechtigung zu. Es trifft zwar zu, daß beim Verbrechen der Erpressung der Tätervorsatz auf eine Vermögensschädigung (des Genötigten oder eines anderen) und auf unrechtmäßige Bereicherung (des Täters oder eines Dritten) gerichtet sein muß, worunter - ebenso wie beim Tatbestand des Betruges - eine effektive Vermögensverschiebung, die allerdings keine dauernde sein muß (LSK 1977/142), zu verstehen ist (vgl LSK 1976/384, 1976/329 ua). Ein Täter, der einen anderen zur Hingabe eines Darlehens nötigt, verantwortet daher, soweit er im Zeitpunkt der Empfangnahme des Darlehens rückzahlungsfähig und rückzahlungswillig ist, in der Regel mangels Schädigungsvorsatz und Bereicherungstendenz Nötigung und nicht Erpressung. Diese letztere Voraussetzung lag hier aber nicht vor. Denn wenn auch der Angeklagte nur eine leihweise Überlassung von S 700 verlangte und Frieda B diesen Betrag im Vertrauen darauf hingab, sie werde das Geld vom Angeklagten wieder (innerhalb angemessener Zeit) zurückerhalten (vgl S 86 f dA), so nahm das Erstgericht doch andererseits an, daß der Angeklagte das abgenötigte Geld in der Folge tatsächlich nicht zurückbezahlte, wobei er leugnete, einen derartigen Geldbetrag überhaupt von Frieda B erhalten zu haben (vgl S 73, 87 dA).

Berücksichtigt man die weiteren Feststellungen, wonach der Angeklagte sich von Frieda B noch einen weiteren Betrag von S 200 ausborgte und ihr in drei verschiedenen Angriffen Bargeldbeträge stahl, so ist das Erstgericht demnach erkennbar und schlüssig zu der Überzeugung gelangt, daß der Beschwerdeführer sein Versprechen, den geforderten Betrag in absehbarer Zeit wieder zurückzuzahlen, von vornherein nicht einhalten, mithin durch Überführung des abgenötigten Geldbetrages in sein Vermögen sich unrechtmäßig bereichern und Frieda B an ihrem Vermögen schädigen wollte und sie auch tatsächlich um den in Rede stehenden Betrag gebracht hat. Demzufolge liegt schließlich auch der für die Deliktsvollendung erforderliche effektive Schadenseintritt vor.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 144 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, die Wiederholung der diebischen Angriffe und die einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen das Teilgeständnis, das Alter unter 21 Jahren und die teilweise Schadensgutmachung an. Die Berufung des Angeklagten, die Strafherabsetzung und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe anstrebt, ist teilweise begründet. Wenngleich die Berufung zusätzliche mildernde Umstände nicht anzuführen vermag (Unbesonnenheit kommt schon im Hinblick auf die Wiederholung der Diebstähle nicht in Betracht, der behaupteten mangelnden charakterlichen Festigung wurde durch Annahme des Milderungsgrundes nach § 34 Z 1 StGB Rechnung getragen), so hat das Erstgericht jenen erschwerender Natur doch zu großes Gewicht beigemessen, da das Verbrechen der Erpressung im Hinblick auf die Tatumstände nicht als gravierend anzusehen ist und die Vorstrafe wegen Diebstahls nicht besonders ins Gewicht fällt. Es war somit die Herabsetzung auf eine jedenfalls die Dauer von 6 Monaten nicht übersteigenden Freiheitsstrafe gerechtfertigt, um Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten Genüge zu tun. Demgemäß war daher auch ohne eines darauf abzielenden Berufungsantrages von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 37 StGB vorliegen und, bejahendenfalls, eine Geldstrafe zu verhängen (ÖJZ-LSK 1976/20, 1978/182).

Nach Lage des Falles sprechen keine Umstände gegen die Verhängung einer solchen Strafart, da die im Alter von 15 Jahren begangene Vorstraftat der Annahme künftigen Wohlverhaltens auch bei Verhängung einer Geldstrafe nicht entgegensteht, die Straftaten an sich weniger vorgefaßter böser Absicht, sondern sich bietender Gelegenheit entsprungen sind und auch eine Geldstrafe den Täter empfindlich treffen und dem vornehmsten Strafzweck, nämlich der Resozialisierung des Täters, dienlicher sein kann, als eine kurzfristige Freiheitsstrafe, zumal nach der Aktenlage der Angeklagte sonst sozial integriert erscheint und eine einschneidende Ruptur durch Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe seiner sozialen Eingliederung schaden könnte (ÖJZ-LSK 1976/19).

Hinsichtlich des Schuldgehaltes der Tat wie in Beziehung der Täterpersönlichkeit erschien eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen angemessen. Unter Berücksichtigung eines Nettoeinkommens von S 5.500 und dem Fehlen von Sorgepflichten ist auch die verhängte Höhe des Tagessatzes von S 100 wirtschaftlich angepaßt und daher vertretbar. Eine bedingte Strafnachsicht, wie es die Berufung originär für die Freiheitsstrafe begehrt, kam im Hinblick auf die Vorstrafe und die Deliktshäufung - auch für die, die Freiheitsstrafe substituierende Geldstrafe -

nicht in Betracht.

Insoweit war der Berufung teilweise Folge zu geben und spruchgemäß

zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02054

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00052.79.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19790607_OGH0002_0120OS00052_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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