TE OGH 1979/6/7 12Os50/79

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Veröffentlicht am 07.06.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführers in der Strafsache gegen Peter A und andere Angeklagte wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 StGB über die von den Angeklagten Helmut B und Franz C gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 1978, GZ 36 Vr 4760/78-43, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufungen sowie über die Berufung des Angeklagten Peter A gegen dieses Urteil nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schachter und Dr. Myslik und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Helmut B und Franz C werden verworfen.

Den Berufungen der Angeklagten wird - bei A und C teilweise - Folge gegeben und die Freiheitsstrafen unter Bedachtnahme auf nachangeführte Urteile gemäß §§ 31, 40 StGB herabgesetzt wie folgt:

1.) bei Helmut B auch auf die Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. März 1976, (AZ 3 b E Vr 9946/75, § 83 Abs 1 StGB zu 60 Tagessätze zu je 60,-- S, im Nichteinbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) auf 3 (drei) Monate;

2.) bei Peter A auf die Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16. März 1976

(AZ 1 c E Vr 1241/76 wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 zu 8 Wochen Freiheitsstrafe) auf 5 (fünf) Monate;

3.) bei Franz C auf die Verurteilung durch das Strafbezirksgericht Wien vom 29. Juni 1976 (AZ 6 U 1478/76 wegen §§ 12, 83 Abs 1 StGB zu 60 Tagessätzen zu je 140,-- S, im Nichteinbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) auf 4 (vier) Monate;

im übrigen wird den Berufungen der Angeklagten A und C nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen allen Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter A, Helmut B und Franz C des Vergehens des Raufhandels nach § 91 (Abs 1) StGB schuldig erkannt, weil sie am 31. Jänner 1976 in Wien - mit dem seither verstorbenen Rudolf D - an einem Angriff (mehrerer) gegen Helene E tätlich teilnahmen, wobei der Angriff eine schwere Körperverletzung der Helene E (Brüche der 7. bis 10. Rippe links und der 9. Rippe rechts sowie eine Schädelprellung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung) verursachte.

Den Schuldspruch bekämpfen (nur) Helmut B und Franz C mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Helmut B:

Soweit dieser Angeklagte eine Undeutlichkeit oder Unvollständigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) des Urteils darin erblicken will, daß das Schöffengericht die Möglichkeit nicht in Betracht zog, Helene E habe die gegenständliche schwere Verletzung während ihres von dem Zeugen Erich F bekundeten etwa 15 bis 20 Minuten dauernden Verweilens im Klosett durch Rudolf D (allein) erlitten, ist er auf die Urteilsbegründung zu verweisen. Dort erscheint festgestellt, daß Helene E nach den in der Küche (der Wohnung des Angeklagten A) erfolgten Mißhandlungen - und sohin auch im Klosett, wo es zu einem Geschlechtsverkehr zwischen ihr und Rudolf D gekommen sein soll - nicht (mehr) geschlagen wurde. Damit schloß das Schöffengericht den Eintritt der schweren Verletzung erst nach Beendigung des Angriffs mehrerer, an dem der Beschwerdeführer (in der Küche) tätlich teilgenommen hatte, eindeutig aus; für eine derartige Annahme hätte zudem die zitierte Aussage des Zeugen F auch gar keinen konkreten Anhaltspunkt geboten, sodaß der behauptete Begründungsmangel nicht vorliegt.

Die übrigen unter Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestellten Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde richten sich gegen die Subsumtion des Urteilssachverhalts unter den Tatbestand des § 91 Abs 1 StGB statt jenen des § 83 Abs 1 StGB, womit der Sache nach ausschließlich der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend gemacht wird; indes geht auch die Rechtsrüge fehl:

Soweit der Beschwerdeführer nämlich das Vorliegen einer 'Schlägerei' im Sinne des § 91 Abs 1 StGB bestreitet, übersieht er zunächst, daß das Erstgericht nicht eine Schlägerei, sondern einen 'Angriff mehrerer' als gegeben annahm und darunter richtig eine feindselige, unmittelbar gegen die körperliche Sicherheit eines anderen gerichtete Einwirkung (mindestens zweier Täter) verstand (vgl. Dokumentation zum StGB S. 130; ÖJZ-LSK 1976/207 = SSt 47/25). Nach den getroffenen Feststellungen geschahen die zeitlich kurz aufeinanderfolgenden Angriffe der am selben Tatort gleichzeitig anwesenden vier Täter gegen Helene E, woran sich auch der Beschwerdeführer (zugegebenermaßen zumindest) durch Versetzen von zwei Ohrfeigen beteiligte, aus einem und demselben Anlaß; kraft dieses Zusammenhangs konnten die Angriffsakte der einzelnen Täter vom Erstgericht zutreffend als einheitlicher 'Angriff mehrerer' im Sinne des § 91 Abs 1 StGB beurteilt werden. Schon wegen seiner tätlichen Teilnahme an einem solchen Angriff mehrerer, durch den die schwere Verletzung der Helene E verursacht wurde, ist der Beschwerdeführer sohin nach § 91 Abs 1 StGB verantwortlich und die von ihm angestrebte Beurteilung seiner Handlungsweise bloß als das demgegenüber mit geringerer Strafe bedrohte Vergehen der (nicht weiter qualifizierten) Körperverletzung nach § 83 StGB ausgeschlossen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz C:

Dieser Angeklagte wendet zunächst aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO ein, für die erstgerichtliche Feststellung, daß (auch) er Helene E durch Schläge mißhandelte, seien mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen Erich F nur unzureichende Gründe angegeben; der genannte Zeuge habe nämlich nicht ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer und der Angeklagte A sich bereits bei ihm im Zimmer aufhielten, als aus der Küche die Tätlichkeiten an Helene E zu vernehmen waren. Gerade auch diese Bekundung des Zeugen F in der Hauptverhandlung wurde jedoch, weil seinen früheren anderslautenden und den Angeklagten C (mit-)belastenden Angaben widersprechend, vom Schöffengericht einer besonderen Würdigung dahin unterzogen, daß sie lediglich eine durch den Zeitablauf erklärbare Unsicherheit des Zeugen erkennen lasse, an der Verläßlichkeit seiner früheren Angaben aber nichts zu ändern vermöge; darnach konnte die tätliche Teilnahme des Angeklagten C an den in der Küche an Helene E verübten Mißhandlungen mit einwandfreier Begründung als erwiesen angenommen werden.

Soweit dieser Beschwerdeführer, den Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO ausführend, die Verwirklichung des Tatbestands nach § 91 Abs 1 StGB bestreitet, weil weder eine Schlägerei noch - mangels einer über die bloße tätliche 'Beleidigung' hinausgehenden 'Absicht' -

ein Angriff mehrerer vorliege und überdies der Eintritt der schweren Verletzung vom zumindest bedingten Vorsatz des Täters umfaßt sein müsse, unterliegt er einem Rechtsirrtum:

Daß gegenständlichenfalls ein 'Angriff mehrerer' im Sinne des § 91 Abs 1 StGB vorliegt, wurde bereits zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B dargetan. Der Vorsatz des Täters muß in einem solchen Fall nur die tätliche Teilnahme an dem Angriff umfassen (ÖJZ-LSK 1975/119 = SSt 46/30), was nach den Urteilsfeststellungen beim Beschwerdeführer nicht fraglich ist. Hingegen braucht sich der Vorsatz des am Angriff tätlich Teilnehmenden nicht auch auf die (eine objektive Bedingung der Strafbarkeit darstellende) schwere Folge zu erstrecken; in dieser Hinsicht ist nicht einmal Fahrlässigkeit erforderlich (Dokumentation zum StGB S. 130; Foregger-Serini StGB2 S.

172 Anm. III zu § 91; Kienapfel, Grundriß - Besonderer Teil I RN 524).

Daß die als Folge des Angriffs auf Helene E bei dieser eingetretene schwere Körperverletzung nicht nachweislich gerade durch die tätliche Einwirkung des Beschwerdeführers verursacht wurde, tut der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbilds nach § 91 Abs 1 StGB keinen Abbruch. Der Beschwerdeführer wäre im Sinne dieser Gesetzesstelle selbst dann verantwortlich, wenn er erwiesenermaßen nicht als Urheber dieser schweren Folge in Betracht käme; genug daran, daß er - wie festgestellt - an dem Angriff mehrerer, der für die eingetretene schwere Folge kausal war, vorsätzlich (und vorwerfbar) tätlich teilgenommen hat (ÖJZ-LSK 1975/120 = EvBl. 1976/45).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden erweisen sich sohin als unbegründet, weshalb sie zu verwerfen waren.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten Helmut B, Peter A und Franz C nach § 91

StGB, B unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.5.1978, GZ 3 bVr 2716/76 (wegen §§ 269 Abs 1, 83 Abs 1 StGB zu 15 Monaten Freiheitsstrafe) zu Freiheitsstrafen und zwar B (zusätzlich) in der Dauer von 5 Monaten, A in der Dauer von 8 Monaten und C in der Dauer von 6 Monaten.

Bei der Strafzumessung nahm es als erschwerend bei allen Angeklagten die mehrfachen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen, als mildernd bei B und A das reumütige Geständnis, bei allen Angeklagten im übrigen die bestehende Erregung zur Tatzeit und das lange Zurückliegen der strafbaren Handlung an.

Die Berufungen der Angeklagten, die allgemein Strafminderung, die Angeklagten A und C zusätzlich bedingte Strafnachsicht, A überdies auch die Verhängung einer Geldstrafe begehren, sind im Ergebnis (bei A und C teilweise) berechtigt.

Auszugehen ist zunächst davon, daß der Stellenwert des Verschuldens des Angeklagten schon im Hinblick auf das Tatbild des § 91 StGB als annähernd gleich zu beurteilen und dieses im Hinblick auf das Überwiegen der Milderungsumstände trotz der bestehenden Vorstrafen nicht als allzu schwer zu beurteilen ist, wobei allerdings die bei A gegenüber den beiden anderen Angeklagten vorliegenden zahlreichen einschlägigen Vorstrafen ein erhöhtes Strafmaß zur Folge haben mußte.

Nach Lage des Falles erschien daher unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe nach § 32

StGB eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen vertretbar, wobei bei allen Angeklagten und zwar bei B zusätzlich, bei den beiden anderen überdies auf die im Spruch angeführten Urteile der dort genannten Gerichte gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen war, sodaß unter Annahme einer möglichen Gesamtabstrafung die im Spruche erkannten Freiheitsstrafen tat- und schuldangemessen erscheinen. Dem Begehren auf bedingte Strafnachsicht, jenem des Angeklagten A auch auf Verhängung einer Geldstrafe konnte nicht entsprochen werden, da die hiefür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen schon im Hinblick auf die nicht allzu günstigen Zukunftsprognosen nicht vorliegen.

Es war somit spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02091

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00050.79.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19790607_OGH0002_0120OS00050_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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