TE OGH 1979/6/8 9Os51/79

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Veröffentlicht am 08.06.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermine A wegen des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Oktober 1978, GZ 3 e Vr 10302/77-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Siegl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 21. Oktober 1928 geborene, als Vertragsbedienstete im Kanzleidienst beim Bezirksgericht Floridsdorf tätige Hermine A des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311

StGB schuldig erkannt, weil sie am 7. Juli 1977 in Wien in der vorerwähnten Eigenschaft als Beamtin dadurch in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung in den Bereich ihres Amtes fiel, eine Tatsache fälschlich beurkundet hat, daß sie ein StPO-Formular Nr. 70 (Leumundsschreiben) unter der fingierten Aktenzahl 1 P 1000/77 mit den Personaldaten ihres Sohnes Günter A ausfüllte, darauf die Ausfertigungsstampiglie des Bezirksrichters Dr. Bernhard B anbrachte, mit ihrer Paraphe unterfertigte und sodann diese Urkunde dem Bezirkspolizeikommissariat Hernals übermittelte, wobei sie mit dem Vorsatz gehandelt hat, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache des ihr von Bezirksrichter Dr. B erteilten Auftrags zur Beischaffung einer Leumundsnote über Günter A gebraucht werde.

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie geltend macht, daß ihr Verhalten zu Unrecht dem § 311 StPO unterstellt worden sei, weil das von ihr mit den persönlichen Daten ihres Sohnes ausgefüllte und mit der Ausfertigungsstampiglie des Richters versehene StPO-Formular Nr. 70 in dieser Form noch keine öffentliche Urkunde darstelle; eine solche wäre vielmehr erst gegeben gewesen, wenn die ersuchte Behörde darin über allfällige Vorstrafen Auskunft gegeben hätte.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Was zunächst den Einwand der Beschwerdeführerin betrifft, das von ihr mit den persönlichen Daten ihres Sohnes ausgefüllte und mit der Ausfertigungsstampiglie des Richters versehene StPO-Formular Nr. 70 stelle in dieser Form noch keine öffentliche Urkunde dar, so ist dem entgegenzuhalten, daß das in Rede stehende Formular unausgefüllt - als bloße Drucksorte - (noch) keinen Urkundencharakter hat, sondern als solches bloß als Mittel zur Herstellung einer Urkunde in Betracht kommt, daß es aber (schon) dadurch zu einer (öffentlichen) Urkunde wird, wenn es geschäftsordnungsgemäß ausgefüllt und gefertigt wird, erfolgt doch die Ausfüllung und Fertigung zu dem Zweck, um ein vom zuständigen Richter in einem anhängigen Gerichtsverfahren verfügtes, an eine andere Behörde gerichtetes (gerichtliches) Ersuchen um Bekanntgabe bestimmter, für eine (gerichtliche) Entscheidung oder Verfügung in dem betreffenden Verfahren für notwendig erachteter Umstände darzutun, somit zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache. Schon die in formeller Hinsicht den bestehenden Vorschriften entsprechende Ausfüllung und Fertigung dieses Formulars auf der Vorderseite (Ersuchen) durch den hiefür zuständigen (geschäftsordnungsgemäß berechtigten) Beamten ist daher Ausstellung einer öffentlichen Urkunde, und nicht erst die Beurkundung der Auskunft der ersuchten Behörde.

§ 311 StGB setzt jedoch voraus, daß die fälschliche Beurkundung von jenem Beamten erfolgt, in dessen Amtsbereich die Ausstellung der Urkunde fällt. Im gegebenen Fall ist somit entscheidend, ob die Beschwerdeführerin zur geschäftsordnungsmäßigen Unterfertigung der Ausfertigung gerichtlicher Entscheidungen oder Verfügungen (funktionell) berechtigt gewesen ist, mithin deren Beurkundung in ihren Amtsbereich fiel. Gemäß § 149 Abs 1 lit. b Geo sind Ausfertigungen, die nicht vom Richter zu unterfertigen sind, vom Leiter der Geschäftsabteilung (§ 29 Abs 5 Geo) unter dem Abdruck der Unterfertigungsstampiglie des Richters zu unterschreiben. Die Beurkundung gerichtlicher Ausfertigungen obliegt somit grundsätzlich dem Leiter der Geschäftsabteilung. Leiter der Geschäftsabteilung ist, wer gemäß § 30 Abs 3 Geo hiezu bestellt worden ist. Gemäß § 22 Abs 4 Beamten-Dienstrechtsgesetz (BGBl 1977/329) - ebenso wie nach § 22 Abs 2 Dienstpragmatik (vgl. hiezu § 130 Abs 2 Z 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz) - können aber auch andere im Kanzleidienst tätige Gerichtsbedienstete vorübergehend mit Verrichtungen des Leiters der Geschäftsabteilung betraut werden, wenn es im Interesse des Dienstes notwendig ist.

Auf Grund dieser Betrauung kann somit auch einer 'Mundantin' die Befugnis zur Unterfertigung gerichtlicher Ausfertigungen zustehen. Nach der Aktenlage war die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht Leiter einer Geschäftsabteilung des Bezirksgerichtes Floridsdorf. Ob sie aber vorübergehend mit Verrichtungen des Leiters einer Geschäftsabteilung, insbesondere mit der Unterfertigung der Ausfertigungen im Sinne des § 149 Abs 1 lit. b Geo betraut war und - vor allem -

ob eine solche Betrauung im Tatzeitpunkt vorlag, hat das Erstgericht festzustellen unterlassen. Daß die Beschwerdeführerin als 'Mundantin' tätig war, reicht für sich allein noch nicht aus, um sie generell als mit der Unterfertigung von Ausfertigungen betraut anzusehen.

Somit fehlt es an entscheidungswesentlichen Feststellungen, die zur Beurteilung der Frage, ob die Ausstellung der Urkunde in den Bereich des Amtes der Angeklagten fiel, und somit zur endgültigen rechtlichen Beurteilung des festgestellten Tatverhaltens erforderlich sind.

Das angefochtene Urteil war deshalb in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach entsprechender Verfahrensergänzung aufzutragen.

Anmerkung

E02046

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00051.79.0608.000

Dokumentnummer

JJT_19790608_OGH0002_0090OS00051_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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