TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/28 2003/07/0017

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Veröffentlicht am 28.04.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E15103030;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh1 idF 31991L0156;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1 lita idF 31991L0156;
AWG 2002 §2 Abs1 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §5 Abs1;
AWG 2002 §5 Abs2;
AWG 2002 Anh1 Q16;
EURallg;
KompostV 2001;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der R Transporte GesmbH & Co KG in A, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Dr. Michael Brandauer und Mag. Johannes Blum, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 76, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 11. Dezember 2002, Zl. VIe- 53.0002, betreffend Feststellung nach § 6 Abs. 1 Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2002 stellte die beschwerdeführende Partei an die Bezirkshauptmannschaft B (BH) den Antrag, gemäß § 4 AWG (1990) festzustellen, dass es sich bei dem von ihr bei der Baustelle der B. OHG entgegengenommenen und (gemeint: zur Verfüllung) beim Kiesabbau der A. Werke eingesetzten Aushubmaterial nicht um Abfall im Sinn dieses Gesetzes handle. Sie brachte dazu vor, dass sie ein Bau- und Transportunternehmen betreibe, Aushubmaterial entgegennehme, um dieses als Baumaterial an anderem Ort zu verwenden, und das gegenständliche Material nach Deutschland verbracht werde, wo es gemäß dem Bescheid des Landratsamtes L vom 28. November 1994 zur Rekultivierung eines Kiesabbaues verwendet werde. Es liege keine Entsorgungsabsicht vor, und es stelle sich das Aushubmaterial vielmehr als wertvoller Baustoff dar, weshalb der Abfallbegriff weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht erfüllt sei.

Die BH führte ein Ermittlungsverfahren durch und zog einen abfalltechnischen Amtssachverständigen bei, der eine gutachterliche Stellungnahme (Aktenvermerk vom 1. Februar 2002) erstattete.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2002 sprach die BH aus, es werde gemäß § 4 Abs. 1 AWG, BGBl. Nr. 325/1990 idgF, festgestellt, das es sich bei dem von der beschwerdeführenden Partei bei der Baustelle der B. OHG entgegengenommenen und zur Verfüllung der Kiesgrube der A. Werke in Deutschland bestimmten Aushubmaterial um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. handle.

Begründend führte die BH im Wesentlichen aus, dass die beschwerdeführende Partei im Jänner 2002 das Aushubmaterial entgegengenommen und nach Deutschland verbracht habe. Laut Mitteilung eines Vertreters der B. OHG sei in der Ausschreibung der Baumeisterarbeiten bzw. im Auftrag an die mit der Durchführung dieser Arbeiten betraute O. BaugesmbH & Co keine Position hinsichtlich der Entsorgung des Bodenaushubmaterials enthalten. Die Arbeiten seien zu einem Pauschalpreis mit der Maßgabe vergeben worden, dass das Bauunternehmen das Aushubmaterial abtransportiere und es diesem überlassen bleibe, was mit dem anfallenden Material geschehe. Ein Vertreter der O. BaugesmbH & Co habe mitgeteilt, dass die beschwerdeführende Partei als Subunternehmer mit der Entsorgung bzw. dem Abtransport des bei der Baustelle der B. OHG anfallenden Erdreichs beauftragt worden sei. Festzuhalten sei, dass es sich bei diesem Material um Bodenaushubmaterial mit der Schlüsselnummer 31411 handle und gemäß dem vorliegenden Bescheid des Landratsamtes L die ausgebeuteten Flächen der Kiesgrube der A. Werke Zug um Zug zu rekultivieren seien. Insbesondere aus der Tatsache, dass der Abtransport bzw. die Überlassung des Aushubmaterials auftragsgemäß der O. BaugesmbH & Co übertragen worden sei, ergebe sich eine Entledigungsabsicht der Bauherrin, der B. OHG. Der Bodenaushub sei nicht wegen des Materials an sich aus- bzw. abgegraben worden, sondern als Nebenprodukt bei der Errichtung eines Bauwerkes angefallen. Auch seitens der O. BaugesmbH & Co sei von einer Entledigungsabsicht auszugehen, weil dieses Unternehmen einen Subunternehmer, nämlich die beschwerdeführende Partei, mit dem Abtransport des Bodenaushubmaterials beauftragt habe und diesem dabei keine Vorgaben hinsichtlich des Verbleibens des Abraummaterials gemacht worden seien bzw. ihm das Material zur freien Verfügung überlassen worden sei.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung und brachte darin im Wesentlichen vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt die Absicht, sich des Bodenaushubmaterials zu entledigen, gehabt habe und der subjektive Abfallbegriff daher nicht erfüllt sei. Schon im Zeitpunkt, als der Bodenaushub durchgeführt und das Aushubmaterial zur beweglichen Sache geworden sei, habe die Absicht bestanden, dieses als Baumaterial einzusetzen. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass zum Zeitpunkt des Aushubes die Abfalleigenschaft vorgelegen wäre, hätte diese in jenem Zeitpunkt geendet, in welchem der Besitzer nicht mehr von der Entledigungsabsicht geleitet worden sei. Die Abfalleigenschaft habe daher spätestens zu jenem Zeitpunkt geendet, in dem die beschwerdeführende Partei das Material mit der konkreten Absicht, es als Baumaterial zu verwenden, übernommen habe. Eines weiteren Verwertungsprozesses habe es nicht bedurft, weil das Material ohne weiteres und ohne Beeinträchtigung von Interessen der Umwelt Verwendung finden könne. Da ein anderes Material zur Rekultivierung des Kiesabbaues der A. Werke nicht eingesetzt werden könne, handle es sich bei diesem Material um einen Baustoff. Dieses werde im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme, nämlich dem Kiesabbau, und der vorgeschriebenen Rekultivierung, verwendet und erfülle dabei eine konkrete bautechnische Funktion. Die im Sinn einer einheitlichen Rechtsauslegung heranzuziehende Bestimmung des § 2 Abs. 5 Z. 2 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) führe daher zwingend ebenfalls zum Ergebnis, dass es sich bei dem gegenständlichen Material nicht um Abfall handle.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 11. Dezember 2002 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entscheidung nunmehr auf § 6 Abs. 1 Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 gestützt werde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass ergänzend zu den Sachverhaltsfeststellungen der BH von der beschwerdeführenden Partei auf Anfrage mitgeteilt worden sei, dass der Subauftrag von der O. BaugesmbH & Co mündlich erteilt worden sei. Die beschwerdeführende Partei habe an der Baustelle der B. OHG die zu bebauende Fläche abhumusiert und den Bodenaushub zu einem bestimmten m3-Preis (zum Abtransport) übernommen. Die Aushub- und die Beladungstätigkeit an der Baustelle seien von der O. BaugesmbH & Co durchgeführt worden. Die beschwerdeführende Partei sei Eigentümer des Materials geworden. Aus der zur Glaubhaftmachung an die belangte Behörde übermittelten, an die O. BaugesmbH & Co ausgestellten Rechnung sei ersichtlich, dass die beschwerdeführende Partei am 9., 10. und 11. Jänner 2002 mit einer Schubraupe die Bauflächen abhumusiert und zwischen dem 10. Jänner 2002 und dem 30. Jänner 2002 Schnee, Humus, Kies und andere Aushubfraktionen von der Baustelle abtransportiert habe. Beim Abtransport von Schnee, Humus und Kies sei die jeweilige Arbeitsleistung in Rechnung gestellt bzw. der Preis nach der Stundenleistung berechnet worden. Beim Abtransport der sonstigen Aushubmaterialien seien die (an die A. Werke und andere Unternehmen) abtransportierten Mengen in Rechnung gestellt worden. Zur Wiederauffüllung der von den "AKS" (gemeint: A. Werken) betriebenen Kiesgrube seien vom 15. Jänner 2002 bis 29. Jänner 2002 (in 46 Fahrten mit sieben verschiedenen LKW) insgesamt 2.212 m3 Aushubmaterial abgeführt worden. Die A. Werke hätten der beschwerdeführenden Partei die Übernahme von nicht verschmutztem Aushubmaterial in einer Vereinbarung zugesichert.

In der vom Landratsamt L mit Bescheid vom 28. November 1994 erteilten baurechtlichen Genehmigung zur Erweiterung des Kiesabbaues sei dem Vertragspartner der beschwerdeführenden Partei, den A. Werken, die laufende Rekultivierung der Abbauflächen mit Abschluss der Rekultivierungsmaßnahmen bis zum 31. Dezember 2015 aufgetragen worden. Die Abbaugenehmigung enthalte auch Auflagen über Ablagerungsverbote für bestimmte Abfälle und grundwassergefährdende Stoffe. Nachdem die beschwerdeführende Partei wegen illegaler grenzüberschreitender Abfallverbringung angezeigt worden sei, habe sie das gegenständliche Feststellungsverfahren beantragt und in weiterer Folge eine Exportbewilligung für weitere Verbringungen erwirkt. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 21. Juni 2002 sei die beantragte Verbringung von 18.000 t Abfällen der Schlüsselnummer 31411 (Bodenaushub) gemäß ÖNORM S 2100 zu den A. Werken nach Deutschland unter Vorschreibung von diversen Nebenbestimmungen bis zum 31. Dezember 2002 bewilligt worden.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass die von der BH getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur subjektiven Abfalleigenschaft im Wesentlichen nach wie vor zuträfen. Auf Grund des vorgelegten Untersuchungszeugnisses werde nicht davon ausgegangen, dass es sich im gegenständlichen Fall um verunreinigten Bodenaushub gehandelt habe. Das Material habe auch nicht aus einem Bereich gestammt, der die Annahme gerechtfertigt hätte, dass eine gefahrenrelevante Eigenschaft zutreffe. Auch wenn seitens des Bauherrn eine Entledigungsabsicht hinsichtlich eines räumlich klar abgegrenzten Bodenbereiches bestehe, bleibe dieser Boden, solange er nicht ausgehoben sei, unbewegliche Sache. Dieser werde in dem Augenblick zur beweglichen Sache, in dem das Material aus dem Untergrund ausgehoben werde. Im vorliegenden Fall sei die Bauherrin, die B. OHG, nicht mehr Inhaber des Aushubmaterials, weil das Aushubmaterial der beauftragten O. BaugesmbH & Co. zur freien Verfügung überlassen worden sei. Das nach Deutschland verbrachte Material sei von diesem Unternehmen ausgehoben und gegen Bezahlung eines vereinbarten m3-Preises der beschwerdeführenden Partei übergeben bzw. zum Abtransport auf deren LKW verladen worden. Die O. BaugesmbH & Co habe selbst keine geeignete Verwendung für das Material gehabt und sich dessen durch Übergabe an die beschwerdeführende Partei entledigt. Ob das Material einer Verwertung oder Beseitigung zugeführt werde, sei für das Unternehmen nicht relevant gewesen. Für dieses sei die Abfuhr im Vordergrund gestanden, um die Bautätigkeit für den Bauherrn ungehindert fortsetzen zu können. Dementsprechend sei für die Abfuhr bezahlt und das Aushubmaterial nicht als Baustoff verkauft worden. Beim qualitativ höherwertigen Material (Humus und Kies) sei dieses kostenlos übergeben worden und seien lediglich die Transportleistungen zu bezahlen gewesen. Die O. BaugesmbH & Co. habe als zeitweilige Inhaberin des Materials ihre Transaktionsabsicht mit der Verladung des Materials auf die LKW der beschwerdeführenden Partei in die Tat umgesetzt und sich dessen entledigt, sodass die BH zu Recht davon ausgegangen sei, dass es sich um Abfall im subjektiven Sinn handle. Bestehe bei einem Voreigentümer oder Vorinhaber Entledigungsabsicht, dann werde die Sache zum Abfall und verliere sie diese Eigenschaft erst wieder durch eine zulässige Verwertung. Eine allenfalls fehlende Entledigungsabsicht der beschwerdeführenden Partei sei daher für die Frage des Vorliegens der Abfalleigenschaft nicht von Belang. Die Abfallbegriffe des ALSAG und des AWG 2002 deckten sich nicht miteinander.

Nach § 5 Abs. 1 AWG 2002 ende die Abfalleigenschaft (erst) mit der unmittelbaren Verwendung als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten. Mit der Übernahme des Aushubmaterials zum Zweck der Wiederverfüllung der Kiesgrube oder zum Transport zu anderen Abnehmern werde das Material noch nicht unmittelbar (effektiv) als Rohstoffsubstitut verwendet. Eine solche unmittelbare Verwendung könnte zeitlich erst mit der tatsächlichen Einlagerung in der Kiesgrube stattfinden. Damit erübrige sich die Beantwortung der Frage, ob bei der Verwendung für die Wiederauffüllung einer Kiesgrube überhaupt von einer Rohstoffsubstitution gesprochen werden könne und hier nicht in Wahrheit ein Doppelzweck (nämlich Rekultivierung und Betrieb einer Bodenaushubdeponie) vorliege, welcher einer Beendigung der Abfalleigenschaft widersprechen würde. Diese Beurteilung widerspreche auch nicht gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, zumal im AWG 2002 sämtliche Definitionselemente des europarechtlichen Abfallbegriffes übernommen worden seien und Bodenaushub jedenfalls der Gruppe Q 16 des Anhanges 1 zum AWG 2002 zugeordnet werden könne. Überdies sehe auch das Europäische Abfallverzeichnis unter dem Kapitel "Bau- und Abbruchabfälle" eine entsprechende Abfallkategorie (Abfallcode 170504 "Boden- und Steine, mit Ausnahme derjenigen, die unter 170503 fielen und gefährliche Stoffe enthielten) vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Vorbringen, dass die wörtliche Interpretation der Definition der Gruppe Q 16 des genannten Anhanges, in die alle, nicht bereits in den Gruppen Q 1 bis Q 15 aufgezählten Stoffe oder Produkte fielen, zu einem sinnwidrigen und unbrauchbaren Ergebnis führen würde und die genannte Definition daher restriktiv auszulegen sei. Ein Stoff oder ein Produkt könne nur etwas Hergestelltes, nicht jedoch in der Natur vorkommendes Erdreich sein. Ferner sei nach der Intention des AWG 2002 eine Harmonisierung mit den europäischen abfallrechtlichen Vorschriften, so mit dem Abfallverzeichnis entsprechend der Entscheidung der Kommission vom 3. Mai 2000, herbeizuführen, in dem nach der Überschrift der Gruppe 17 Aushube von nicht verunreinigten Standorten keine Abfälle seien. Zum selben Ergebnis gelange man, wenn man die Definition teleologisch an den Zielen und Grundsätzen des AWG 2002 (§ 1) auslege.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei im Zeitpunkt, als das Bodenaushubmaterial zur beweglichen Sache geworden sei (Zeitpunkt der Ausbaggerung), keine Entledigungsabsicht vorgelegen, sondern bereits festgestanden, dass das Material von der beschwerdeführenden Partei übernommen und zur Rekultivierung verwendet werde, und die Absicht, das Bodenaushubmaterial als Baumaterial einzusetzen, vorgelegen. Da eine bewegliche Sache, auf die sich eine Entledigungsabsicht bezogen habe, nie vorhanden gewesen sei, sei der Abfallbegriff nicht erfüllt. Entgegen der Beschwerdeansicht habe die O. BaugesmbH & Co auch ein erhebliches Interesse daran gehabt, dass das Material als Rohstoff eingesetzt werden könne, andernfalls das Material hätte gelagert werden müssen, wofür Kosten aufgelaufen wären. Für eine harmonisierte Auslegung des Abfallbegriffes sei auch das ALSAG heranzuziehen, nach dessen § 2 Abs. 5 Erdaushub, welcher durch Ausheben oder Abräumen im Wesentlichen natürlich gewachsenen Bodens oder Untergrundes anfalle und den Kriterien der Baurestmassendeponie der Deponieverordnung entspreche, kein Abfall sei. Beide Voraussetzungen lägen vor, sodass es sich beim gegenständlichen Aushubmaterial nicht um Abfall handeln könne.

Aber selbst bei Annahme einer Abfalleigenschaft im Zeitpunkt des Aushubes wäre spätestens mit der Übernahme des Bodenaushubmaterials durch die beschwerdeführende Partei die Abfalleigenschaft beendet worden, weil keine Entledigungsabsicht (mehr) und ein plausibler Verwendungszweck vorgelegen wären, sei doch das Aushubmaterial als Rohstoff für bauliche Maßnahmen verwendet worden. Diese Verwendung für Bauzwecke schließe auch den Transport mit ein. Ferner habe es keines weiteren Verwertungsprozesses bedurft. Beim Aushubmaterial handle es sich um ein marktfähiges Produkt, von dem kein höheres Umweltrisiko ausgehe als von einem vergleichbaren Primärprodukt. Da § 5 AWG 2002 nunmehr von einer Verwendung oder Substitution von Rohstoffen spreche, sei klargestellt, dass bereits mit dem Verkauf und/oder der Übergabe das Abfallende erreicht sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im angefochtenen Bescheid genannten Bestimmungen des § 2 Abs. 1, 2 und 3, des § 5 Abs. 1 und 2 und des § 6 Abs. 1 des mit 2. November 2002 in Kraft getretenen und mangels in Bezug auf § 4 AWG, BGBl. Nr. 325/1990, getroffener Übergangsbestimmungen (vgl. §§ 76 bis 78) bei Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden AWG 2002 haben folgenden Wortlaut:

"§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedoch so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

1.

eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist, oder

2.

sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, wenn diese im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

...

§ 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ermächtigt, in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Abfallwirtschaft, unter Wahrung der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) und unter Bedachtnahme auf die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplans mit Verordnung abweichend zu Abs. 1 festzulegen, unter welchen Voraussetzungen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Verwendungszweck bei bestimmten Abfällen die Abfalleigenschaft endet. ...

§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

1.

ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

2.

welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder

              3.              ob eine Sache gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EG-VerbringungsV), ABl. Nr. L 30 vom 6.2.1993, S 1, bei der Verbringung notifizierungspflichtiger Abfall ist,

hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z. 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt."

Aus den Materialien zum AWG 2002 (vgl. RV 984 BlgNR 21. GP) geht hervor, dass ein wichtiges Ziel dieses Gesetzes die vollständige Umsetzung der Richtlinie über Abfälle und der Richtlinie über gefährliche Abfälle, insbesondere durch EUkonforme Begriffsbestimmungen, ist (vgl. § 89 Z. 1 AWG 2002) und bei der Beurteilung, ob eine Sache Abfall ist oder nicht, die Kriterien des Abfallbegriffs unter Berücksichtigung der Judikatur des EuGH und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts heranzuziehen sind, wobei der Entledigungsbegriff gegenüber dem AWG 1990 unverändert ist. Die Beurteilung, ob bestimmte Sachen als Abfälle anzusehen sind, ändert sich durch die in § 5 Abs. 2 AWG 2002 normierte Verordnungsermächtigung nicht, und es ist wie bisher bei dieser Beurteilung davon auszugehen, ob der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist, das heißt, ob sich der Besitzer der Sachen entledigen will oder entledigt hat, oder ob der objektive Abfallbegriff verwirklicht ist. So wird etwa eine Sache, deren Abfalleigenschaft nach § 5 Abs. 1 leg. cit. geendet hat, durch die (neuerliche) subjektive Entledigungsabsicht des Besitzers (wieder) zu Abfall (vgl. zum Ganzen die genannte RV, S. 83, 84, 88).

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen wurde das gegenständliche Aushubmaterial dem von der Bauherrin (B. OHG) beauftragten Bauunternehmen (O. Bau GesmbH & Co), das den Aushub bewerkstelligte, zur freien Verfügung überlassen, das dieses Material mangels einer geeigneten Verwendung an die beschwerdeführende Partei übergab, wobei es für die O. GesmbH & Co nicht relevant war, ob das Material einer Verwertung oder Beseitigung zugeführt werde, und sie für den Abtransport an die beschwerdeführende Partei bezahlte. Beim qualitativ höherwertigen Material (Humus und Kies) wurde dieses kostenlos an die beschwerdeführende Partei übergeben und waren lediglich die Transportleistungen zu bezahlen. In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde daraus, dass bei der O. BaugesmbH & Co die Entledigungsabsicht hinsichtlich des genannten Aushubmaterials bestanden habe und das gesamte Material daher Abfall sei.

Diese Beurteilung kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenn die Beschwerde vorbringt, es sei keine Entledigungsabsicht vorgelegen, weil bereits festgestanden sei, dass das Material zur Rekultivierung bzw. als Baumaterial verwendet werde, wobei die O. BaugesmbH & Co ein erhebliches Interesse daran gehabt habe, andernfalls sie das Material gegen Entgelt hätte lagern müssen, so vermag sie mit diesem Vorbringen die vorgenannte Beurteilung nicht zu erschüttern. So lässt die Beschwerde unbestritten, dass die O. BaugesmbH & Co für das an die beschwerdeführende Partei übergebene Aushubmaterial kein Entgelt erhalten hat, sondern vielmehr die Transportleistungen der beschwerdeführenden Partei zu bezahlen hatte. Diese Handlungsweise indiziert das Vorliegen eines Entledigungswillens bei der O. BaugesmbH & Co, und es hat die belangte Behörde daher zu Recht den subjektiven Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 als verwirklicht angenommen.

Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass diese Beurteilung auch nicht gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen widerspreche und das gegenständliche Bodenaushubmaterial jedenfalls der Gruppe Q 16 des Anhanges 1 des AWG 2002 zugeordnet werden könne. Entgegen der Beschwerdeansicht führt die Einstufung in die Gruppe Q 16 zu keinem sinnwidrigen Ergebnis. Nach der zur Richtlinie 75/442/EWG idF Richtlinie 91/156/EWG ergangenen Judikatur des EuGH handelt es sich bei dem in dieser Richtlinie definierten Abfallbegriff - danach bedeutet "Abfall": alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss (vgl. Art. 1 lit. a und Anhang I, insbesondere Punkt Q 16, der genannten Richtlinie) - um einen gemeinsamen, die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bindenden Begriff, weshalb der österreichische Abfallbegriff richtlinienkonform auszulegen ist. Der EuGH hat weiters zu diesem gemeinschaftsrechtlichen Abfallbegriff ausgesprochen, dass dieser Begriff nicht eng ausgelegt werden dürfe und die Frage, ob ein bestimmter Stoff Abfall sei, anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen sei. Zwar gebe die zitierte Richtlinie kein maßgebliches Kriterium für die Ermittlung des Willens des Besitzers, sich eines bestimmten Stoffes oder Gegenstandes zu entledigen, vor, doch habe der EuGH in seiner Judikatur bestimmte Anhaltspunkte benannt, anhand derer sich der Wille des Besitzers auslegen lasse. Solche Anhaltspunkte bestünden z.B. darin, ob ein bestimmter Stoff ein Produktionsrückstand - das heißt ein Erzeugnis, das nicht als solches zum Zweck einer späteren Verwendung angestrebt worden sei - sei oder in welchem Grad gar die Wiederverwendung eines Stoffes ohne vorherige Bearbeitung wahrscheinlich sei (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2004, Zl. 2000/07/0074, mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des EuGH).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich bei der Abfallgruppe Q 16 des Anhanges 1 des AWG 2002 um einen umfassenden Auffangtatbestand handelt, sodass der Zuordnung zu den anderen in diesem Anhang genannten Abfallgruppen keine entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2004, Zl. 2004/07/0034, mwN).

Nach der - zum AWG 1990 ergangenen, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Sache Abfall, wenn bei irgendeinem Vorbesitzer die Entledigungsabsicht bestanden hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2003, Zlen. 2002/07/0133, 0138, mwN). Wie oben dargelegt wurde, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass bei der O. BaugesmbH & Co der Entledigungswille vorlag und im Hinblick darauf der subjektive Abfallbegriff erfüllt war, keinem Einwand. Der von der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, dass der Erdaushub nicht durch gefährliche Stoffe verunreinigt und vor dem Aushub mit dem Boden fest verbunden gewesen ist, ändert nichts an dessen Abfalleigenschaft. Diese wäre nur dann verloren gegangen, wenn die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AWG 2002 erfüllt worden wären, wenn also das Bodenaushubmaterial oder aus ihm gewonnene Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet worden wären.

Nach den obzitierten Materialien zu dieser Gesetzesbestimmung ist unter einer "unmittelbaren Verwendung" im Sinn dieser Bestimmung der Einsatz der Abfälle oder der aus ihnen gewonnenen Stoffe ohne einen weiteren Behandlungsschritt statt eines Primärrohstoffes oder eines Produktes aus Primärrohstoffen zu verstehen. Werden z.B. Kunststoffabfälle sortiert, zerkleinert und anschließend bei der Kunststoffproduktion wieder eingesetzt, so liegt erst mit dem Einsatz in der Kunststoffproduktion eine "unmittelbare Verwendung" vor. Wenn - wie bisher - die Möglichkeit besteht, mit Verordnung den Zeitpunkt des Endes der Abfalleigenschaft unter Berücksichtigung bestimmter Qualitätskriterien, abfallspezifischer Schadstoffgehalte, der Verwendungszwecke und der Absatzmöglichkeiten für bestimmte Abfallarten zu konkretisieren - so stellt die Kompostverordnung, BGBl. II Nr. 292/2001, die erste Verordnung in diesem Bereich dar und wird ein weiterer Regelungsbedarf u.a. für nicht verunreinigten Boden gesehen -, so ändert sich durch diese Verordnungsermächtigung nicht die Beurteilung, ob bestimmte Sachen als Abfälle anzusehen sind (vgl. zum Ganzen die RV, S. 88).

Wie bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, ist eine "Abfallendeverordnung" zur Konkretisierung des Zeitpunktes des Abfallendes bislang nur für Komposte - und nicht auch für nicht verunreinigten Boden - erlassen worden.

Zu Recht hat somit die belangte Behörde der (bloßen) Übernahme des Aushubmaterials zum Zweck der Wiederverfüllung bzw. Transport zu anderen Abnehmern für die Frage des Abfallendes keine entscheidungswesentliche Bedeutung zugemessen und darauf hingewiesen, dass ein Abfallende, wenn überhaupt, erst mit der tatsächlichen Einbringung als Rohstoff erreicht werden könnte, kann doch vor diesem Zeitpunkt keine Rede davon sein, dass das gegenständliche Material im Sinn des § 5 Abs. 1 AWG 2002 "unmittelbar als Substitution verwendet" wurde. Der klare Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung lässt - auch vor dem Hintergrund der obzitierten Materialien - eine Auslegung, wie sie von der Beschwerde getroffen wird, nämlich, dass (bereits) die Übernahme zum Transport zu dem Ort, an dem die tatsächliche Verwendung des Materials als Baumaterial erfolgen solle, die Abfalleigenschaft dieses Materials beende, nicht zu.

Entgegen der Beschwerdeansicht kann auch die - unter fiskalischen Gesichtspunkten getroffene - Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 5 (Z. 2 lit. a) ALSAG für die Auslegung des Abfallbegriffes oder die Frage des Abfallendes nach dem AWG, das keine mit dieser Regelung vergleichbare Bestimmung enthält, nicht herangezogen werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. April 2005

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003070017.X00

Im RIS seit

31.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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