TE OGH 1979/8/22 9Os128/79

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Veröffentlicht am 22.08.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.August 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Mai 1979, GZ 8 a Vr 7808/78-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger , und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.Mai 1979, GZ 8 a Vr 7808/78-30, verletzt insoweit, als damit (auch) ein Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB

erfolgte, das Gesetz in dieser Gesetzesbestimmung.

Das bezeichnete Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird daher im Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB

(Punkt 2./ des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Aus den Akten 8 a Vr 7808/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.Mai 1979, GZ 8 a Vr 7808/78-30, wurde der am 23.April 1949 geborene Maschinenschlosser Gerhard A des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 128 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 1/2 Jahren verurteilt. Als Vergehen nach § 198 Abs 1 StGB legte das Erstgericht dem Angeklagten zur Last, in der Zeit von Dezember 1977 bis September 1978 in Wien seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt oder die Erziehung seiner unterhaltsberechtigten Kinder, nämlich des am 28.November 1969 geborenen Rene und des am 18.Mai 1971 geborenen Gerhard (A), ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre /Punkt 2.) des Urteilssatzes /.

Die Staatsanwaltschaft ließ dieses Urteil, das auch einen Teilfreispruch und einen Verfolgungsvorbehalt nach § 263 StPO enthält, in Rechtskraft erwachsen. Der Verurteilte meldete zunächst die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an (S. 118), führte sodann aber nur die Berufung aus und zog die Nichtigkeitsbeschwerde wieder zurück (S. 136). Eine Rechtsmittelentscheidung ist bisher nicht erflossen.

Rechtliche Beurteilung

Das eingangs bezeichnete Urteil steht insoweit, als Gerhard A damit (auch) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Das Erstgericht hat zu diesem Urteilsfaktum lediglich festgestellt, daß der Angeklagte in der Zeit von Dezember 1977 bis September 1978 entgegen 'ihm bestehender Möglichkeit' zum Unterhalt der oben erwähnten Kinder nichts beigetragen hat, und daß deren Unterhalt und Erziehung ohne Übernahme ihrer Pflege durch die Gemeinde Wien gefährdet gewesen wäre (S. 125). Feststellungen zur inneren Tatseite sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Unbeachtet blieb aber vor allem auch die Tatsache, daß sich Gerhard A in der Zeit vom 5.Oktober 1977 bis zum 2.Feber 1978 und vom 6.April 1978 bis zum 16.Mai 1978 in Haft befand (S. 19 in ON. 8). Daß der Genannte ein Vermögen hat und während der erwähnten Haftzeiten über ein zur Leistung des Unterhalts oder eines Teiles desselben hinreichendes Einkommen verfügte, wurde im Urteil nicht festgestellt. Demzufolge hätte ihm die Unterlassung einer (in unselbständiger Arbeit bestehenden) Erwerbstätigkeit zumindest für die Dauer der Haft nicht als gröbliche Verletzung seiner Unterhaltspflicht zum Vorwurf gemacht werden dürfen. Das Urteil ist daher in Ansehung des damit erfolgten Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 198 Abs 1 StGB aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO zunächst insoweit nichtig, als das Erstgericht ohne entsprechende Feststellungen über die Leistungsfähigkeit eine solche gröbliche Unterhaltspflichtverletzung für die erwähnten Haftzeiten als gegeben angenommen hat.

Den allgemein gehaltenen Urteilsfeststellungen (er habe 'entgegen ihm bestehender Möglichkeit' nichts zum Unterhalt beigetragen) ist aber auch nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte jeweils sofort nach seiner Haftentlassung in der Lage gewesen ist, ausreichende Beträge zur Leistung von Unterhaltszahlungen ins Verdienen zu bringen. Andernfalls müßte ihm ein weiterer, angemessener Zeitraum ab der Haftentlassung zur Beschaffung eines geeigneten Arbeitsplatzes zugebilligt werden.

All dies hat zur Folge, daß auch für die verbleibenden Zeiträume eine Gröblichkeit der Unterhaltsverletzung nicht mehr ohne weiteres auf der Hand liegt, zumal für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Gröblichkeit neben der Dauer der Pflichtverletzung das (im Urteil nicht festgestellte) Verhältnis zwischen der allenfalls tatsächlich erbrachten Leistung und dem geschuldeten Betrag, die finanzielle Situation, die Verdienstmöglichkeiten und die Lebensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten sowie das bisherige Verhalten des Angeklagten und die Gründe für die Nichterbringung der Unterhaltsleistung maßgebend sind (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 16 zu § 198).

Da das in Rede stehende Urteil im übrigen nicht nur mit Feststellungsmängeln in der aufgezeigten Richtung, sondern - wie bereits erwähnt - darüber hinaus auch mit solchen zur subjektiven Tatseite behaftet ist und keinerlei Konstatierungen darüber enthält, ob sich der (allenfalls bedingte) Vorsatz des Verurteilten sowohl auf die gröbliche Pflichtverletzung als auch auf die Herbeiführung der Gefährdung des Unterhalts bzw. der Erziehung seiner Kinder erstreckte, es dem Obersten Gerichtshof andererseits aber verwehrt ist, die unterbliebenen Tatsachenfeststellungen selbst zu treffen, war es in seinem - das Gesetz in der Bestimmung des § 198 Abs 1 StPO verletzenden -

Punkt 2./ des Schuldspruchs und demgemäß auch im Strafausspruch (und im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit seiner damit gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02150

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00128.79.0822.000

Dokumentnummer

JJT_19790822_OGH0002_0090OS00128_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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