TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/28 2004/16/0273

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Veröffentlicht am 28.04.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E6J;
L34006 Abgabenordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
EURallg;
LAO Stmk 1963 §62 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der P in S, vertreten durch Mag. Werner Seifried, Rechtsanwalt in 8750 Judenburg, Burggasse 40, und Dr. Sonja Mosser-Enzinger, Wirtschaftsprüfer in 8750 Judenburg, Frauengasse 33, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Oktober 2004, Zl. FA7A-483-752/04-1, betreffend Getränkeabgabe (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 21. Oktober 1999 erklärte die Beschwerdeführerin die Höhe ihrer Getränkeabgabe für den Zeitraum Jänner bis September 1999 mit Null und beantragte die Rückzahlung der für diesen Zeitraum entrichteten Getränkeabgabe.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Dezember 1999 wurde die Getränkeabgabe für den genannten Zeitraum mit jenem Betrag festgesetzt, deren Rückzahlung die Beschwerdeführerin beantragt hat; gleichzeitig wurde der Rückzahlungsantrag abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Eine mit 8. März 2000 datierte Eingabe der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz als Steuerberater bezeichnet) ist dem darauf angebrachten Eingangsstempel zufolge am 10. März 2000 im Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde eingelangt. In dieser Eingabe erklärte die Beschwerdeführerin die Höhe ihrer Getränkeabgabe für den Zeitraum Jänner 1999 bis Februar 2000 mit Null und beantragte die Rückzahlung der von ihr für "1999 bzw. 2000" entrichteten Getränkeabgabe.

Mit Schreiben vom 21. März 2000 teilte der Steuerberater der mitbeteiligten Gemeinde mit, dass der genannte Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführerin am Mittwoch, dem 8. März 2000 abends, von einer im Schreiben namentlich genannten Mitarbeiterin des Steuerberaters selbst in den Briefkasten eingeworfen worden sei. Eine Bearbeitung durch das zuständige Postamt sei offensichtlich erst am nächsten Tag erfolgt. Dem Schreiben war eine Kopie des Postbuches des Steuerberaters beigelegt.

In Abänderung des Bescheides vom 20. Dezember 1999 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Berufungsvorentscheidung vom 20. Februar 2001 für den Restaurationsbetrieb der Beschwerdeführerin die Getränkeabgabe für alkoholische Getränke für den Zeitraum Jänner bis Oktober 1999 mit Null fest und erklärte, dass die für diesen Zeitraum entrichtete Getränkeabgabe für alkoholische Getränke ein Guthaben darstelle. Für diesen Zeitraum habe die Beschwerdeführerin am 13. Jänner 2000 (somit vor dem 9. März 2000) eine Nullerklärung und einen Rückzahlungsantrag eingebracht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom selben Tag (20. Februar 2001) wurde für den Restaurationsbetrieb der Beschwerdeführerin die Getränkeabgabe für alkoholische und alkoholfreie Getränke sowie für Speiseeis "für den Zeitraum von 1 - 12/1999" mit S 60.567,-- festgesetzt und der diese Periode betreffende Rückzahlungsantrag mangels Guthabens abgewiesen. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin mit dem am 8. März 2000 datierten und am 10. März 2000 eingelangten Schriftsatz die Nullfestsetzung und die Rückzahlung beantragt. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 müsse zur Wahrung der Ansprüche auf Rückzahlung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke vor dem 9. März 2000 Klage erhoben oder ein entsprechender Rechtsbehelf eingelegt worden sein. Nachdem die Eingabe der Beschwerdeführerin "allein schon aus zeitlichen Gründen nicht die erforderliche Qualifikation einer bis zum 8.3.2000, 24.00 Uhr" erhobenen Klage oder eines entsprechenden Rechtsbehelfs erfülle, könne sich die Beschwerdeführerin nicht auf das genannte Urteil berufen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bezog sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich nur auf die alkoholische Getränke betreffende Getränkeabgabe und führte zur angeblichen Verfristung aus, für die Fristwahrung gelte der Tag der Postaufgabe. Eine am 8. März 2000 zur Post gegebene Eingabe sei jedenfalls ein entsprechender - rechtzeitiger - Rechtsbehelf.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. August 2004 wurde der Berufung hinsichtlich der Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1999 keine Folge gegeben, "für den Zeitraum 1- 9/1999 wird der Spruch des Bescheides von 06.03.2001 (gemeint wohl: vom 20. Februar 2002) aufgehoben, da bereits mit dem Bescheid vom 20.02.2001 (das ist die oben wiedergegebene Berufungsvorentscheidung) entschieden wurde und der Zeitraum als Rechtsbehelfzeitraum anerkannt wurde."

Begründend führte die zweitinstanzliche Behörde aus, bei der im genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofes mit 9. März 2000 gesetzten Frist handle es sich um keine Verfahrensfrist, es komme somit nicht auf den Zeitpunkt der Postaufgabe an. Die am 10. März 2000 eingelangte Eingabe der Beschwerdeführerin sei daher jedenfalls verspätet.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Eingabe vom 8. März 2000 sei an diesem Tag zwischen 18.00 und 18.15 Uhr "zur Post gegeben" worden. Die Leerung des Briefkastens sei um 19.00 Uhr erfolgt. Der Postenlauf sei in die Frist nicht einzurechnen, so dass die Anträge rechtzeitig vor dem 9. März 2000 gestellt worden seien. Es werde daher beantragt, den Zeitraum Oktober bis Dezember 1999 als "Rechtsbehelfszeitraum" anzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge. Begründend legte sie den Gang des Verwaltungsgeschehens dar und führte aus, es sei die Frage strittig, ob der Postenlauf am 8. oder am 9. März 2000 in Gang gesetzt worden sei. Für den Beginn des Postenlaufes sei maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen worden sei. Zur Feststellung dieses Zeitpunktes sei grundsätzlich der von der Post angebrachte Datumsstempel heranzuziehen. Der Beweis, dass der Postenlauf nicht an dem im Poststempel bezeichneten Tag, sondern an einem anderen Tag begonnen habe, sei zulässig. Eine Partei, die fristgebundene Eingaben nicht eingeschrieben zur Post gebe, habe das Risiko, den von ihr geforderten Gegenbeweis hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können (Hinweis auf das Erkenntnis vom 13. Februar 1997, Zl. 94/09/0300). Es sei daher Sache der Beschwerdeführerin gewesen zu beweisen, dass der Postenlauf bereits am 8. März 2000 in Gang gesetzt worden sei. Die belangte Behörde sei zur Auffassung gelangt, dass auf Grund der Angaben des Steuerberaters der Beschwerdeführerin vom 21. März 2000 kein ausreichender Beweis dafür erbracht worden sei, wann der in Rede stehende Rechtsbehelf der Post tatsächlich zur Bearbeitung übergeben worden sei. Auch kann der Beweis der tatsächlichen Postaufgabe nicht auf Grund eines in der Steuerberatungskanzlei aufliegenden Postausgangsbuches erbracht werden, wenn der darin aufscheinende Abfertigungsvermerk nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Sendung an die Post, sondern schon aus Anlass der Abfertigung angebracht werde. Gerade bei einer solchen Sachverhaltskonstellation bleibe es eben zweifelhaft, ob dieses Schriftstück auch tatsächlich am Abfertigungstag der Post zur Beförderung übergeben worden sei. Der bekämpfte Bescheid habe die Beschwerdeführerin daher in keinen Rechten verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Rückzahlung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1999 verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand dieses Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Eingabe der Beschwerdeführerin rechtzeitig gewesen ist.

Nach § 94 Abs. 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 (GemO) kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben. Die Aufsichtsbehörde hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen (Abs. 5 leg. cit.). Für die Sachentscheidung der Vorstellungsbehörde ist jene Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides bestanden hat (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrungsrecht7, Rz 563 und die dort angeführte hg. Judikatur).

Punkt 3 des Spruchtenors des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C- 437/97 lautet:

"Niemand kann sich auf Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben, wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass des Urteiles des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C 437/97 entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt."

Das zitierte Urteil des EuGH wurde am 9. März 2000 erlassen. Die Wendung "vor diesem Zeitpunkt" bedeutet ohne jeden Zweifel vor Null Uhr dieses Tages (vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, Zl. 2001/16/0449).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der in diesem Urteil des EuGH verwendete Begriff Rechtsbehelf möglichst weit zu verstehen. So ist insbesondere eine Berichtigung bzw. ein Rückzahlungsantrag ein solcher Rechtsbehelf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. Mai 2001, Zl. 2000/16/0704, mwH).

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, wann die Nullerklärung und der Rückzahlungsantrag, somit im Sinne der Rechtsprechung ein entsprechender Rechtsbehelf, "eingelegt" wurde. Die Wendung "entsprechender Rechtsbehelf eingelegt" ist wegen des Fehlens von gemeinschaftsrechtlichem Verfahrensrecht nach dem in Frage kommenden innerstaatlichen Verfahrensrecht zu beurteilen. Dies ist im Beschwerdefall die Steiermärkische Landesabgabenordnung (LAO).

Gemäß § 62 Abs. 1 LAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhaben, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmung des Abs. 3 schriftlich, telegraphisch oder durch Fernschreiben einzureichen (Eingaben).

Gemäß § 86 Abs. 4 LAO werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

Die Nullerklärung und der Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführerin vom 8. März 2000 sind als Eingaben im Sinne des § 62 Abs. 1 LAO zu werten, bei denen es als Verfahrenshandlung nicht darauf ankommt, wann sie bei der Behörde eingelangt, sondern wann sie zur Post gegeben worden sind. Dies hat die Berufungsbehörde verkannt.

Die belangte Behörde hingegen legt ihrer Beurteilung offenbar die dargestellte Rechtslage zu Grunde, wonach eine verfahrensrechtliche Frist vorliegt, geht aber auf der Tatsachenebene davon aus, dass nicht feststehe, ob die Eingabe am 8. März 2003 "der Post zur Beförderung übergeben wurde."

Zu diesem Ergebnis gelangte die belangte Behörde, indem sie Erwägungen darüber anstellte, dass die Beschwerdeführerin keinen ausreichenden Beweis dafür erbracht habe, wann der in Rede stehende Rechtsbehelf der Post zur Bearbeitung übergeben worden sei. Dabei stützte die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung allein auf die "Angaben der Steuerberatungskanzlei". Es haben aber weder die Berufungsbehörde noch die belangte Behörde Ermittlungen durchgeführt, die Feststellungen zu diesem Thema ermöglicht hätten. Weder wurde die namentlich genannte Mitarbeiterin des Steuerberaters befragt, noch fand eine Auseinandersetzung mit der Behauptung statt, dass der Postkasten, in den die Eingabe geworfen worden sei, noch am 8. März 2000 ausgehoben worden sei (vgl. zur Ermittlungspflicht der Behörde bei der vorliegenden Konstellation das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2004/16/0238). Das Verwaltungsverfahren der belangten Behörde ist demnach mangelhaft geblieben.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind auch wesentlich. Träfe nämlich die Behauptungen zu, die Eingabe sei am 8. März 2000 in den Postkasten geworfen worden und dieser sei noch am selben Tag geleert worden, wäre die Eingabe - ungeachtet des Tages ihres Einlangens bei der Behörde und ungeachtet des ebenfalls nicht festgestellten Datums des Poststempels - rechtzeitig gewesen, der Rechtsbehelf somit fristgerecht erhoben worden (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 23. zu § 33 AVG).

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage ist für den Ausgang des Verfahrens somit entscheidend, ob die Behauptungen der Beschwerdeführerin über die Postaufgabe zutreffen. Zu dieser Frage sind Ermittlungen zu führen und Feststellungen zu treffen.

In dem die belangte Behörde es aber schon unterlassen hat, die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides zum Anlass von dessen Aufhebung zu nehmen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. April 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseGemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004160273.X00

Im RIS seit

31.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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