TE OGH 1979/10/2 9Os90/79

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Veröffentlicht am 02.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A und andere wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Markus Ernst B und dessen gesetzlichen Vertreters, sowie die Berufungen des Angeklagten Peter A und dessen gesetzlicher Vertreter gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 22. Februar 1979, GZ. 24 Vr 1276/78-23, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Markus Ernst B und seines gesetzlichen Vertreters Helga B werden zurückgewiesen. Die Berufungen des Angeklagten Peter A sowie seiner gesetzlichen Vertreter Peter A und Friederike A und die Berufung des gesetzlichen Vertreters des Angeklagten Markus Ernst B, Helga B, werden zurückgewiesen.

Über die Berufung des Angeklagten Markus Ernst B wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, zu welchem sich der Oberste Gerichtshof eine Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO in Ansehung der Angeklagten Peter A, Klaus Adolf C, Gerhard D und Reinhard E vorbehält.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Peter A und Markus Ernst B die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - neben weiteren vier jugendlichen Angeklagten -

a) der am 24. Jänner 1962 geborene, zuletzt beschäftigungslose Peter

A zu I/ des Urteilssatzes des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB, zu II/ des Urteilssatzes des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 StGB und zu III/ des Urteilssatzes des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 129 Z 2

und 3 sowie 15 StGB, und b) der am 26. Juni 1963 geborene Tischlerlehrling Markus Ernst B zu II/ des Urteilssatzes des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 StGB schuldig erkannt.

Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte Markus Ernst B und sein (in der Hauptverhandlung anwesender) gesetzlicher Vertreter Helga B die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ergriffen (S. 98 d. A.), wobei allerdings in der Folge nur der Angeklagte diese Rechtsmittel auch ausgeführt hat (S. 125 ff d. A.). Der Angeklagte Peter A hat nach der Urteilsverkündung ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet (S. 98 d. A.), nunmehr aber eine Berufung ausgeführt (S. 131 ff d. A.); hingegen haben die gesetzlichen Vertreter dieses Angeklagten, Peter und Friederike A, in der Hauptverhandlung Berufung angemeldet (S. 98 d. A.), die jedoch von den Genannten nicht ausgeführt wurde. Der Angeklagte Markus Ernst B stützt seine Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung der Mängelrüge wirft er dem Ersturteil eine undeutliche, unvollständige, unzureichende und teilweise widersprüchliche Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vor. Die Rüge konzentriert sich auf den Vorwurf, daß das Erstgericht keine exakten Feststellungen über den in Ansehung des Beschwerdeführers angenommenen Sachverhalt getroffen und völlig unzureichend begründet habe, warum es in bezug auf den Beschwerdeführer einen alle Tatbildmerkmale umfassenden Vorsatz als erwiesen angenommen hat, zumal die Konstatierungen hiezu in den Beweisergebnissen keine Deckung fänden.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen läßt das angefochtene Urteil aus seinen Gründen in Verbindung mit dem den Beschwerdeführer betreffenden Urteilsspruch - der bei Beurteilung, ob ein Urteil undeutlich und unvollständig ist, zusammen mit den Entscheidungsgründen als ein untrennbares Ganzes zugrunde zu legen ist (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 15 zu § 281 Z 5 StPO) - mit hinreichender Bestimmtheit erkennen, welchen Sachverhalt das Jugendschöffengericht in Ansehung des Beschwerdeführers festgestellt hat, und zwar sowohl was das objektive Geschehen als auch die subjektive Tatseite anlangt. Darnach hat der Angeklagte B davon gewußt, daß der Mitangeklagte A den Roman F zur Bezahlung von 50 S zu erpressen versucht hat, indem er ihm drohte, andernfalls die von F verübte Fälschung der Unterschrift seiner Mutter im Religionsheft den Lehrern bzw. der Mutter mitzuteilen, und daß B hierauf mit diesem Wissen (und auf Veranlassung des A) dem F, nachdem er ihm eine Ohrfeige versetzt hatte, weitere Ohrfeigen androhte, falls F nicht den geforderten Geldbetrag an A bezahle (S. 110 f in Verbindung mit S. 103 d. A.). Dabei bringt das Schöffengericht auch zum Ausdruck, daß B mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung des A gehandelt hat. Solcherart kann somit dem angefochtenen Urteil insgesamt ausreichend deutlich entnommen werden, welche Handlungen der Angeklagte B nach Ansicht des Erstgerichts vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat. Mithin versagt der Vorwurf der Undeutlichkeit (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 13 zu § 281 Z 5

StPO).

Das Schöffengericht hat aber auch - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die in Betracht kommenden Verfahrensergebnisse und unter entsprechender Berücksichtigung der (leugnenden) Verantwortung des Beschwerdeführers sowie der Darstellung des Mitangeklagten A und der Bekundungen des Zeugen F in den verschiedenen Verfahrensstadien - jene Erwägungen angeführt, aus welchen es im Rahmen der allein ihm zukommenden freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) die Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt angesehen hat. Es hat sich dabei vor allem auf die Angaben des Zeugen F vor der Polizei (S. 20 in ON 11), aber auch vor dem Untersuchungsrichter (S. 110 in ON 11) bezogen, und auch die Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung keineswegs mit Stillschweigen übergangen, sondern durchaus in den Kreis seiner Überlegungen einbezogen (vgl. S. 110 f d. A.), wie im übrigen (auch) die Angaben des Mitangeklagten A. Die Argumentation des Erstgerichts ist frei von logischen Mängeln oder inneren Widersprüchen. Damit ist aber der Vorwurf einer unvollständigen, unzureichenden oder widersprüchlichen Begründung nicht berechtigt. Soweit sich die Beschwerde aber gegen die Beweiswürdigung als solche wendet, ist sie unbeachtlich, weil die Beweiswürdigung einer Bekämpfung im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen schöffengerichtliche Urteile entzogen ist.

Mit der Rechtsrüge strebt der Beschwerdeführer seinen Freispruch an, weil er meint, daß es bei ihm an der für das Verbrechen der Erpressung erforderlichen subjektiven Tatseite fehle. Dabei setzt sich die Beschwerde jedoch über die gegenteiligen Urteilsannahmen zur inneren Tatseite hinweg und führt somit den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz gemäß aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus Ernst B war somit teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend zur Darstellung gebracht gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 (in Verbindung mit § 285 a Z 2) StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Die von Helga B als gesetzlicher Vertreter des jugendlichen Angeklagten Markus Ernst B angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde war zurückzuweisen, weil die genannte Rechtsmittelwerberin bei der Anmeldung ihres Rechtsmittels keinen der im § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat. Das gilt in gleichem Maße für die von Helga B angemeldete Berufung, weil bei deren Anmeldung die Punkte des Erkenntnisses, durch welche sich die Berufungswerberin beschwert findet, nicht erklärt wurden.

Da dem gesetzlichen Vertreter eines jugendlichen Angeklagten ein selbständiges Rechtsmittelrecht zusteht (§ 39 Abs. 3 JGG), gilt die Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung durch den jugendlichen Angeklagten selbst nicht auch als Ausführung dieser Rechtsmittel durch den gesetzlichen Vertreter. Somit waren die von Helga B als gesetzlicher Vertreter des Markus Ernst B angemeldeten Rechtsmittel zurückzuweisen (§§ 285 a Z 2, 294 Abs. 2 StPO).

Die Berufungsausführung des Angeklagten A war deshalb zurückzuweisen, weil A in der Hauptverhandlung nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich auf Rechtsmittel - mithin auch auf Berufung -

verzichtet hat (S. 98 d. A.). In Ansehung des genannten Angeklagten haben zwar dessen gesetzliche Vertreter (Peter und Friederike A) in der Hauptverhandlung Berufung angemeldet (S. 98 d. A.), die Ausführung der vorgelegten Berufung erfolgte aber ausdrücklich namens und für den jugendlichen Angeklagten durch den für diesen (gemäß §§ 41 Abs. 2 StPO, 38 Abs. 1 JGG) bestellten Verteidiger, nicht jedoch namens seiner gesetzlichen Vertreter, wobei im übrigen eine Bevollmächtigung Dris. G durch Peter und Friederike A weder behauptet wird noch aus den Akten ersichtlich ist. Somit liegt eine Ausführung der von den beiden Genannten angemeldeten Berufung nicht vor. Da bei der Anmeldung dieser Berufung die Punkte, durch welche sich die Berufungswerber beschwert erachten, nicht bezeichnet wurden, mußte auch diese Berufung der Zurückweisung verfallen. Über die Berufung des Angeklagten Markus Ernst B wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden (§ 296 Abs. 3 StPO), zu welchem sich der Oberste Gerichtshof auch eine Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1

StPO in Ansehung der Angeklagten A, C, D und E vorbehält. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02370

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00090.79.1002.000

Dokumentnummer

JJT_19791002_OGH0002_0090OS00090_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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