TE OGH 1979/10/11 12Os121/79

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Veröffentlicht am 11.10.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermine A und Gertrude B wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a FinStrG. sowie § 33 Abs. 2

lit. a und Abs. 3 lit. b FinStrG. über die von den Angeklagten Hermine A und Gertrude B erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Dezember 1978, GZ. 6 a Vr 6360/78-14, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Philipp, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 12. September 1909 geborene Hermine A und ihre am 17. August 1932 geborene Tochter Gertrude B, beide geschäftsführende Gesellschafter der Firma C, der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. a FinStrG. (A/ des Urteilsspruchs) und nach § 33 Abs. 2 lit. a, Abs. 3 lit. b FinStrG. (B/ des Urteilsspruchs) schuldig erkannt, begangen in Wien dadurch, daß sie A/ fortgesetzt in den Jahren 1964 bis 1977 vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben durch deren zu niedrige Festsetzung bewirkten, und zwar I. beide Angeklagte im einverständlichen Zusammenwirken an Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 1963 bis 1976;

II. jede der beiden Angeklagten allein, nämlich 1.) Hermine A für die Jahre 1963 und 1964

an Einkommensteuer sowie für die Jahre 1965 bis 1976 an Einkommen- und Vermögensteuer;

2.) Gertrude B für das Jahr 1963 an Einkommensteuer sowie für die Jahre 1964 bis 1976 an Einkommen- und Vermögensteuer;

B/ im März und April 1977 im einverständlichen Zusammenwirken vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, somit von Abgaben, die selbst zu berechnen sind und teilweise nicht entrichtet wurden, für die Monate Jänner und Feber 1977

bewirkten, wobei sie dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hielten.

Der strafbestimmende Wertbetrag wurde bei Hermine A mit 23,582.142 S und bei Gertrude B mit 11,473.739 S angenommen.

Beide Angeklagten bekämpfen diesen Schuldspruch nur hinsichtlich der ihnen laut Punkt A/ des Urteilssatzes (auch) für die Jahre 1963 bis 1967 angelasteten Abgabenhinterziehungen mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO. gestützten (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde.

Sie unternehmen darin den Versuch, in Ansehung der für die angeführten Jahre begangenen Verkürzungshandlungen Verjährung darzutun, indem sie den vom Erstgericht angenommenen Fortsetzungszusammenhang der einzelnen Teilakte bestreiten und behaupten, es liege eine Mehrheit an sich selbständiger Handlungen vor, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfülle, zumal jeder nicht verbuchte 'Geschäftsvorfall' abgeschlossen gewesen sei und eine Einheit gebildet habe. Wann die erste behördliche Verfolgungshandlung gesetzt worden sei und ob eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten sei, habe das Erstgericht aber nicht festgestellt. Darüber hinaus bringen die Beschwerdeführer vor, es komme ihnen hinsichtlich des bezeichneten Teiles ihrer Verfehlungen jedenfalls absolute Verjährung gemäß § 55 Abs. 8 FinStrG. a. F. zustatten.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung nicht zu.

Entscheidend für die Beantwortung der relevierten Fragen der Verjährung ist, ob die den Gegenstand des Schuldspruches bildenden Steuerhinterziehungen vermöge eines sie verbindenden Fortsetzungszusammenhanges eine einheitliche Straftat darstellen oder nicht. Nach der auch für den Bereich des Finanzstrafrechts zugrunde zu legenden subjektiv-objektiven Theorie besteht Fortsetzungszusammenhang, wenn die Tathandlungen auf einen einheitlichen, auf einen Gesamterfolg der Tat in seinen wesentlichen Umrissen gerichteten Vorsatz zurückzuführen sind und vermöge des nahen Zusammenhanges der einzelnen Tathandlungen - begründet durch Zeit, Ort, Gegenstand und Art des Angriffs - eine Einheit bilden, sodaß alle Teilakte dogmatisch als eine einzige Handlung zu beurteilen sind (EvBl. 1975/203 und die dort zit. Literatur und Judikatur; vgl. auch Leukauf-Steininger2, RN 29 ff zu § 28 StGB.). Dies gilt - der Auffassung der Beschwerdeführer zuwider - auch dann, wenn der Täter nach einem solchen Gesamtkonzept handelt und sich in Ausführung desselben durch die seinem einheitlichen Willensentschluß entspringenden fortlaufenden gleichartigen deliktischen Angriffe regelmäßig und zunehmend bereichert, aber nach der Art des Delikts für ihn im Zeitpunkt seines dem Gesamtplan zugrundeliegenden Willensentschlusses das genaue Ausmaß des erzielbaren Gesamterfolges noch nicht erkennbar ist, wie dies bei gesamtplanmäßigen fortlaufenden Abgabenhinterziehungen meist zutrifft.

Nun hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, daß beide Angeklagte die Abgabenverkürzungen mit einem von vornherein gefaßten, einheitlichen Vorsatz hinsichtlich des gesamten inkriminierten Zeitraumes vorgenommen haben und in Ausführung ihres ein für allemal (auch) für die Zukunft gefaßten Planes, Abgaben zu hinterziehen, um ihren Gewinn zu erhöhen, umfangreiche Manipulationen durchführten und alljährlich falsche Steuererklärungen abgaben (S. 81 und 82 d. A.). Da die Beschwerdeführer diese Feststellungen unberücksichtigt lassen, gehen sie bei Ausführung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes nicht vom gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt aus und bringen daher insoweit ihre Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Im übrigen trifft es zwar zu, daß der allgemeine Entschluß, gleichartige Delikte wiederholt zu begehen, zur Begründung eines fortgesetzten Deliktes noch nicht ausreicht, sondern eben ein auf eine einheitliche Rechtsverletzung abzielender konkreter Gesamtplan erforderlich ist. Gerade dies hat das Erstgericht aber, ausgehend von der dargelegten Rechtslage, mit überzeugender Begründung für den vorliegenden Fall angenommen. Der Meinung der Beschwerdeführer, ein planmäßiges Vorgehen mit einheitlichem Vorsatz hätte nur angenommen werden können, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle nicht verbucht worden wären und somit tatsächlich ein einheitlicher Enderfolg vorliegen würde, ist entgegenzuhalten, daß das Anstreben eines finanzgesetzwidrigen Gesamterfolges schon begrifflich nicht voraussetzt, daß der Täter seiner steuerrechtlichen Buchhaltungsführungspflicht überhaupt nicht nachkommt und etwa den Geschäftsbetrieb dadurch nicht nur - wie hier die Beschwerdeführer - zum Teil, sondern zur Gänze auf Hinterziehung von Steuern abstellt. Wollte man ihr folgen, könnte im übrigen Fortsetzungszusammenhang bei Steuerhinterziehungen nur in Fällen angenommen werden, die wegen ihrer besonderen Offenkundigkeit praktisch kaum vorkommen. Liegt den Beschwerdeführern aber eine noch in den Jahren 1976 und 1977 begangene einheitliche Straftat zur Last, so ist auf diese angesichts des bestehenden Fortsetzungszusammenhanges gemäß § 2 Abs. 1 des Art. VII Fin-StrGNov. 1975, BGBl. 1975/335, das Finanzstrafgesetz in der durch diese Novelle geänderten, am 1. Jänner 1976 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden (vgl. 11 Os 12/76). Demzufolge kommt jedoch eine absolute Verjährung schon deshalb nicht in Betracht, weil dieses Rechtsinstitut zwar in § 55 Abs. 8

FinStrG. a. F. vorgesehen war, in § 31 FinStrG. n. F. aber für gerichtlich strafbare Finanzvergehen nicht mehr enthalten ist (vgl. Abs. 5 leg. cit.).

Die Verjährung der Fortsetzungstat beginnt erst mit der Beendigung des letzten Teilaktes, bei vollendeten Steuerhinterziehungen nach § 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. a FinStrG. mit der (hier 1977 erfolgten) Zustellung des letzten unrichtigen Steuerbescheides (vgl. neuerlich EvBl.1975/203). Es fehlt daher schon an den zeitlichen Voraussetzungen der Verjährung (vgl. § 31 Abs. 2 FinStrG. n. F. /-§ 55 Abs. 2 FinStrG. a.

F./-), sodaß die vermißten Feststellungen über die Unterbrechung oder Hemmung deren Ablaufs nicht erforderlich waren. Da den beiden Angeklagten der von ihnen in Anspruch genommene Strafaufhebungsgrund somit nicht zustatten kommt, waren ihre unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die beiden Angeklagten gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG. zu Geld- und Freiheitsstrafen, und zwar die Angeklagte Hermine A zu einer Geldstrafe in der Höhe von 4,000.000 (vier Millionen) S, im Falle der Uneinbringlichkeit 6 (sechs) Monate Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 (drei) Monaten, und die Angeklagte Gertrude B zu einer Geldstrafe in der Höhe von 2,000.000 (zwei Millionen) S, im Falle der Uneinbringlichkeit 3 (drei) Monate Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Wochen; gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wurden die über die beiden Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend bei beiden Angeklagten die lange Dauer der Tatverübung, bei Hermine A überdies, daß sie ihre Tochter zu den inkriminierten Manipulationen verleitet hat, als mildernd hingegen bei beiden Angeklagten das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel in Verbindung damit, daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, und den Umstand, daß die hinterzogenen Abgaben zwischenzeitig entrichtet wurden. Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen der beiden Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Während die beiden Angeklagten die Herabsetzung der Geld- und der Freiheitsstrafe begehren, strebt der öffentliche Ankläger eine Erhöhung der Geldstrafen hinsichtlich beider Angeklagten an.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Meinung der beiden Angeklagten steht die über sie verhängte Geldstrafe mit den aktenkundigen persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Angeklagten im Einklang, hat doch etwa die Erstangeklagte selbst ihr Vermögen mit 5 Millionen S bewertet (S. 64 d. A.), während die Zweitangeklagte jedenfalls zu einem Drittel an der C-OHG beteiligt ist und die gesamte OHG mit 40 Millionen S - bei einer Belastung von 33 Millionen S - bewertet wird (s. S. 37, 81 d. A.). Sowohl die Höhe der Geldstrafen als auch das Ausmaß der Freiheitsstrafen entsprechen den Grundsätzen für die Strafbemessung nach § 23 Abs. 1 und 2 FinStrG., womit eine Reduzierung dieser Strafen nicht in Betracht kam.

Der Anklagebehörde ist zuzugeben, daß die beiden Angeklagten ihre Verfehlungen sehr lange Zeit hindurch begangen haben, was auf einen intensiven deliktischen Vorsatz schließen läßt, und daß insgesamt sehr hohe Beträge hinterzogen wurden.

Es darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, daß die beiden Angeklagten inzwischen die entzogenen Abgaben zur Gänze entrichtet haben (s. S. 68 d. A.), was einen gewichtigen Milderungsgrund darstellt. Angesichts dieses Umstands hält der Oberste Gerichtshof die Höhe der vom Erstgericht verhängten Geldstrafen für angemessen, weshalb auch der Berufung der Staatsanwaltschaft ein Erfolg zu versagen war.

Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02297

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00121.79.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19791011_OGH0002_0120OS00121_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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