TE OGH 1979/10/16 9Os136/79

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Veröffentlicht am 16.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eduard A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Mai 1979, GZ 3 c Vr 1615/79-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eduard A des Verbrechens der

versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1

StGB und des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit a WaffG schuldig erkannt.

Als Nötigungsversuch liegt ihm zur Last, daß er am 13. Februar 1979 in Wien Kurt B nach einer erfolglos gebliebenen Aufforderung, sich an einen anderen Tisch zu setzen, durch Drohung mit dem Tod, und zwar durch einen nur wenige Zentimeter neben dem Genannten in die Wand einschlagenden Pistolenschuß, zum Verlassen seines Tischplatzes zu nötigen versuchte (Punkt 1. des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge betrifft jene Entscheidungsgründe, nach denen das Erstgericht die Verantwortung des Beschwerdeführers, der Schuß habe sich beim Hantieren mit der Pistole zufällig gelöst, für widerlegt hielt und demgegenüber als erwiesen annahm, daß er aus einer Entfernung von etwa drei Metern gezielt in die Richtung geschossen hat, in der B saß, um ihn zum Wechseln des Tisches oder zum Verlassen des Lokals zu veranlassen (S 286-289).

Daß die gerügte Begründung den Denkgesetzen oder allgemeine Lebenserfahrung widerspräche, vermag der Angeklagte aber nicht aufzuzeigen. Indem er insoweit darzutun sucht, daß einzelne Verfahrensergebnisse, zumal bei isolierter Betrachtung, auch für ihn günstigere Schlußfolgerungen zugelassen hätten, bekämpft er nur im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässigerweise und daher unbeachtlich die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Ebensowenig trifft es zu, daß das Erstgericht bei der bekämpften Feststellung entscheidungswesentliche Umstände übergangen hätte. Aus der Aussage des Zeugen Karl C hat es ohnedies abgeleitet, daß der Beschwerdeführer nicht direkt auf B gezielt hat und diesen nicht schwer verletzen wollte (S 288); einer besonderen Erörterung der weiteren Angaben des Genannten, er 'glaube eher', der Schuß sei dadurch losgegangen, daß der Angeklagte mit der Waffe gespielt habe und dabei gestoßen worden sei (S 253), bedurfte es nicht, weil es auf der Hand liegt, daß die bloß subjektive Meinung des Zeugen für das zur Würdigung der vorliegenden Beweise allein kompetente Gericht nicht maßgebend sein konnte. Mit den Aussagen der Zeugen Kurt B und Jörg D hat sich das Schöffengericht gleichfalls zureichend auseinandergesetzt. Davon, daß jene den Ernst der Situation nicht begriffen und sich nicht bedroht fühlten, sowie davon, daß die Schußabgabe nicht unmittelbar auf die einleitenden Stänkereien des Beschwerdeführers ihnen gegenüber folgte, ist es im Urteil ohnehin ausgegangen (S 283-285, 289, 291); die genaue Dauer des betreffenden Zeitintervalls aber ist im gegebenen Zusammenhang ohne Belang, und auch sonst war es im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht erforderlich, diese Zeugenaussagen in allen Details zu erörtern: genug daran, daß sie die insoweit angefochtene Urteilsfeststellung, wonach B und D das dem Schuß vorangegangene Verhalten des Angeklagten als ein Anstänkern empfanden (S 282/283, 289), vollauf decken. Zur rein spekulativen Überlegung schließlich, ob dieser die Pistole unter dem Tisch gehalten haben könnte, bestand im Hinblick auf seine eigene Verantwortung (S 249) kein Anlaß, und die geringfügigen Divergenzen in der Darstellung des Zeugen Johann E (S 36, 128, 267/268) bedurften einer besonderen Erwähnung im Urteil umso weniger, als sie in der Hauptverhandlung aufgeklärt wurden (S 268).

Unzutreffend ist letztlich auch der Vorwurf von Aktenwidrigkeiten. Denn zum einen hat das Erstericht gar nicht festgestellt, daß der Beschwerdeführer sowohl zu B als auch zu D geäußert habe, das Gesicht eines von ihnen passe ihm nicht, da es eine derartige Äußerung von ihm nur gegenüber D als erwiesen annahm (S 282, 290), und zum anderen entspricht die Konstatierung, daß er schon zum AZ 3 c EVr 1511/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien unter anderem deshalb rechtskräftig verurteilt wurde, weil er (in bezug) auf Susanne F mit der Frage, ob sie es schnell hinter sich haben wolle, einen Schuß aus einem Kleinkalibergewehr abgab (S 287), durchaus der Aktenlage in jenem Verfahren (S 342).

Die behaupteten Begründungsmängel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO haften dem angefochtenen Urteil demnach nicht an. Verfehlt ist die auf Z 9 lit a der vorerwähnten Verfahrensbestimmung gestützte Rechtsrüge mit der Behauptung von Feststellungsmängeln darüber, ob das Verhalten des Angeklagten von B und D tatsächlich als Drohung aufgefaßt wurde. Denn das Schöffengericht hat, wie schon in Erledigung der Mängelrüge aufgezeigt wurde, ohnedies ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß die Genannten den Ernst der Situation gar nicht erkannten und sich dementsprechend auch nicht bedroht fühlten.

Damit ist aber für den Angeklagten deshalb nichts gewonnen, weil zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 105 Abs 1

StGB in der Entwicklungsstufe des Versuchs das Mißlingen der Nötigung gerade vorauszusetzen und es folglich nicht erforderlich ist, daß durch die inkriminierte Drohung beim Bedrohten wirklich begründete Besorgnisse erweckt wurden;

ein darauf gerichteter Tätervorsatz und die objektive Eignung der Drohung dazu reichen insoweit aus. Demzufolge erweist sich auch die mit Bezug auf Z 10 des § 281 Abs 1

StPO vertretene, jedoch nur für die Deliktsvollendung zutreffende Beschwerdeauffassung, das Tatbild des § 105 Abs 1

StGB setze voraus, daß dem Opfer die Nötigung zu Bewußtsein komme, in Ansehung des hier zu beurteilenden Versuchsstadiums als rechtsirrig.

Die objektive Eignung eines gezielten Schusses aus einer Faustfeuerwaffe aber, der nur wenige Zentimeter neben dem solcherart Bedrohten in die Wand einschlägt, in diesem die begründete Besorgnis zu erwecken, der Täter sei willens und in der Lage, seinen Tod herbeizuführen, ist bei unbefangener Betrachtung der Situation aus der Sicht des Opfers nach einem Durchschnittsmaßstab, einem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider, fraglos zu bejahen. Ein zu einer Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO führender Rechtsirrtum infolge der Annahme einer Qualifikation der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Tat nach § 106 Abs 1 Z 1

StGB ist sohin dem Schöffengericht gleichfalls nicht unterlaufen. Demgemäß war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 106 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es sein Geständnis zum Vergehen nach dem WaffG und den Umstand, daß die Nötigung beim Versuch geblieben ist, als mildernd, seine einschlägigen Vorstrafen, seinen raschen Rückfall, seine Alkoholisierung und die Deliktskonkurrenz dagegen als erschwerend.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt Berechtigung zu.

Zum einen wirkt die Alkoholisierung des Berufungswerbers zur Tatzeit nach Lage des Falles nicht als erschwerend (§ 35 StGB) und zum anderen hat das Schöffengericht der geringen Relevanz des abzunötigen versuchten Verhaltens des Bedrohten und dem Umstand, daß diesem die Drohung gar nicht bewußt wurde, doch zu wenig Bedeutung beigemessen. Auch unter Bedacht auf das Vorleben des Angeklagten und auf die große objektive Gefährlichkeit der ihm zur Last fallenden Drohung erscheint dadurch eine Herabsetzung der Freiheitsstrafdauer auf das der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Berufungswerbers (§ 32 StGB) entsprechende Maß von achtzehn Monaten als gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02298

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00136.79.1016.000

Dokumentnummer

JJT_19791016_OGH0002_0090OS00136_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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