TE OGH 1979/12/5 10Os163/79

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Veröffentlicht am 05.12.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Volkmar A wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 1.August 1979, GZ. 22 Vr 1943/79-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.Juni 1959 geborene Montagearbeiter Volkmar A des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1

StGB. (Punkt I des Urteilssatzes) und des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (169 Abs. 1) StGB.

(Punkt II) schuldig erkannt, weil er in Nassereith (Tirol) zu I: am 24. Mai 1979 am Wirtschaftsgebäude und Wohnhaus des Wendelin B ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen trachtete, indem er mit einem Streichholz Heu anzündete; zu II: am 3.Juni 1979 sich durch den Genuß von Alkohol fahrlässig in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und im Rausch eine Handlung verübte, die ihm außer diesem Zustand als das Verbrechen der Brandstiftung zugerechnet würde, indem er im Lagerraum der Tischlerei des Peter C mit einem Feuerzeug einen Stoffdiwan anzündete, wobei ein Schaden von 1,135.000 S entstand.

Nach den zum Schuldspruch II getroffenen Urteilsfeststellungen lag bei dem an Epilepsie leidenden Angeklagten zufolge eines einige Tage vor der Tat erlittenen epileptischen Anfalls eine stark verminderte Toleranz gegenüber Alkohol vor, angesichts deren eine volle Berauschung des Angeklagten zum Zeitpunkt dieser Tat nicht ausgeschlossen werden konnte.

Der Angeklagte bekämpft das Urteil im Schuldspruch wegen § 287 Abs. 1 (169 Abs. 1) StGB. mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b (sachlich auch Z. 9 lit. a) StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Darin macht er geltend, er hätte aus dem Grund des § 11 StGB. freigesprochen werden müssen, weil ihm seine volle Berauschung zur Tatzeit nicht als schuldhaft angelastet werden könne; überdies sei ungeklärt geblieben, ob seine Zurechnungsunfähigkeit etwa primär durch den (vorangegangenen) epileptischen Anfall bzw. durch den Medikamentenentzug während seines Krankenhausaufenthalts bedingt und der Alkoholkonsum nur das auslösende Moment gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung nicht zu.

Richtig ist, daß ein Täter, der in einem seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, nur dann gemäß § 287 Abs. 1

StGB. strafbar ist, wenn er diesen Zustand durch den Genuß von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels vorsätzlich oder zumindest fahrlässig herbeigeführt hat, und daß ihn bei krankhafter Alkoholintoleranz nur dann ein (solches) Verschulden an der Herbeiführung dieses Rauschzustands trifft, wenn er sich dieser krankhaften Anlage bewußt war oder bewußt hätte sein können (SSt. 25/16; LSK. 1978/192 u.a.).

Die Frage nach der fahrlässigen Herbeiführung einer solchen Berauschung wurde durch das Erstgericht ausgehend von den im Urteil (S. 169) als Feststellungsgrundlage herangezogenen Verfahrensergebnissen, insbesondere vom Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Heinz D und der eigenen Verantwortung des Angeklagten, in bezug auf diesen rechtlich zutreffend bejaht. In dem seitens des Gerichts für unbedenklich erachteten Sachverständigengutachten (vgl. S. 171, 173) wird u.a. ausgeführt, A unterliege dem Alkoholmißbrauch, obwohl er genau wisse, daß er auf Grund seines Anfallsleidens keinen Alkohol genießen dürfe (S. 137, 139 in Verbindung mit S. 164). Auch der Beschwerdeführer selbst hat - dem (insofern eine unbeachtliche Neuerung enthaltenden) Vorbringen in der Rechtsmittelschrift (S. 136 unten und 187 oben) zuwider - im Verfahren nie bestritten, daß ihm sein die verminderte Alkoholtoleranz bedingender Krankheitszustand bekannt war und sich dahin verantwortet, er habe, obwohl ihm sein Hausarzt wegen seiner Epilepsie ausdrücklich den Konsum von Alkohol verboten habe, diesem nach wie vor stark zugesprochen (S. 17, 28, 93). Dazu kommt, daß die von ihm den Urteilsannahmen zufolge vor der bezüglichen Tatbegehung konsumierte Alkoholmenge zu einem Blutalkoholgehalt von 2,6 %o bis 2,7 %o führte (S. 145, 149), was schon bei einem gesunden Menschen einer - die Volltrunkenheitsgrenze vielfach bereits überschreitenden (vgl. RiZ. 1964 S. 159 u.a.) - hochgradigen Berauschung entspricht. Das Erstgericht stellt ersichtlich darauf ab, daß für den - durchschnittlich intelligenten - Beschwerdeführer (bei Einhaltung der von ihm objektiv zu fordernden und ihm subjektiv zumutbaren Sorgalt) nach Lage des Falls unschwer erkennbar war, daß bei ihm schon eine geringere Alkoholmenge, als bei einem gesunden Menschen einen Vollrausch zur Folge haben könnte, und gelangt zur rechtsrichtigen Annahme, er habe diesen Zustand (zumindest) fahrlässig (§ 6 Abs. 1 StGB.) herbeigeführt.

Soweit der Beschwerdeführer außerdem bezweifelt, daß seine vom Schöffengericht in bezug auf den Schuldspruch II (im Zweifel) angenommene Zurechnungsunfähigkeit die Folge seines - angesichts der bestehenden Toleranzverminderung übermäßigen - Alkoholkonsums war, übergeht er die gegenteiligen, im eingeholten gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachten gedeckten Konstatierungen des Erstgerichts (S. 173 d.A.); diesem Teil der Rechtsrüge mangelt es daher schon an einer gesetzmäßigen Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Volkmar A wurde gemäß §§ 28, 169 Abs. 1 StGB.

zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Dabei waren die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen erschwerend, das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit sowie der Umstand, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafermäßigung und Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.

Indes ist die Berufung nicht berechtigt.

Entgegen den Berufungsbehauptungen beruhen die Vorstrafen auf der gleichen schädlichen Neigung wie die Brandstiftung, weil sie Eigentumsdelikte zum Gegenstand hatten (siehe § 71 StGB.). Eine verminderte Zurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers war nicht gegeben und kann daher nicht als mildernd angenommen werden, denn das psychiatrische Gutachten besagt ausdrücklich, daß der Rechtsmittelwerber, abgesehen von seinem epileptischen Anfallsleiden, als eine geistesgesunde Persönlichkeit zu bezeichnen ist (S. 147). Zur Zeit des vom strafrechtlichen Schuldvorwurf betroffenen Verhaltens, nämlich, als er das Gebäude des Wendelin B anzündete (Punkt I des Urteilssatzes) und als er sich in den die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte (Punkt II des Urteilssatzes), hatte der Täter keine epileptischen Anfälle und lag somit keine geistige Beeinträchtigung vor. Demnach sind die in erster Instanz festgestellten Strafzumessungsgründe zutreffend und erscheint die Strafe in Anbetracht der Deliktskonkurrenz und des im Faktum II entstandenen Schadens von mehr als einer Million Schilling durchaus gerecht.

Infolge der Vorstrafenbelastung des Berufungswerbers sind die

(verschärften) Voraussetzungen des § 43 Abs. 2

StGB. nicht gegeben.

Der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E02412

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00163.79.1205.000

Dokumentnummer

JJT_19791205_OGH0002_0100OS00163_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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