TE OGH 1980/1/17 12Os159/79

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Veröffentlicht am 17.01.1980
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Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst A und Friedrich B wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB. über die von den beiden Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 17. September 1979, GZ. 15 Vr 334/79-18, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Jahnel, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die verhängte Geldstrafe beim Angeklagten Ernst A auf 60

(sechzig) Tagessätze, für den Fall der Uneinbringlichkeit 30 (dreißig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und beim Angeklagten Friedrich A auf 30 (dreißig) Tagessätze, für den Fall der Uneinbringlichkeit 15 (fünfzehn) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird. Gemäß § 390 a StPO. fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 1. Dezember 1958 geborene Hilfsarbeiter Ernst A und der am 18. Dezember 1960 geborene, zur Tatzeit jugendliche Hilfsarbeiter Friedrich A des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 15. August 1978 in Wels an einer Schlägerei tätlich teilnahmen, durch welche eine schwere Körperverletzung des Rudolf C, nämlich ein Bruch des linken Jochbeines, sowie eine Quetschung im Lendenbereich und mehrere Hautabschürfungen und eine Rißquetschwunde im Bereich der linken Scheitelbeingegend verursacht wurden.

Beide Angeklagten bekämpfen das Urteil mit gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 (gemeint: lit. b) StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes behaupten die Beschwerdeführer zunächst eine Unvollständigkeit (und Aktenwidrigkeit) der Urteilsgründe, weil darin die Vorstrafen des Rudolf C nur am Rande erwähnt seien, weiters dessen Angriff auf Christine A 'in unrichtiger und verniedlichender Weise' wiedergegeben werde und die mehrfachen Drohungen des C bei seinen fortgesetzten Angriffen unerwähnt geblieben seien. Als undeutlich bezeichnen sie die Urteilsfeststellungen über das Zustandekommen der schweren Verletzung des Rudolf C. Im übrigen sei die Auffassung des Erstgerichtes, wonach die Beschwerdeführer gar nicht behauptet hätten, einen rechtswidrigen Angriff des Rudolf C mit angemessenen Mitteln abgewehrt zu haben, unzutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge versagt.

Das Erstgericht wies in den Gründen des angefochtenen Urteils ausdrücklich auf die vielfachen Vorstrafen des Rudolf C wegen Aggressions-(insbesondere Körperverletzungs-) delikten hin und leitete - unter anderem - daraus ab, daß die Darstellung dieses Zeugen, er habe seinerseits keinen Angriffsakt gesetzt und sei von den beiden Angeklagten (grundlos) niedergeschlagen worden, nicht glaubhaft sei (vgl. S. 139 d.A.). Es stellte weiters (im Sinne der Aktenlage) auch fest, daß Rudolf C gegen die sich zwischen ihn und Ernst A sen., den Vater der beiden Angeklagten, stellende Christine A tätlich werden wollte und daß sich der Angeklagte Ernst A (jun.) deshalb in die Auseinandersetzung einmengte (vgl. S. 137 d.A.), worauf er von C eine Ohrfeige bekam. Insoweit wurden daher im Ersturteil keine wesentlichen Verfahrensergebnisse, vor allem soweit sie die Vorgeschichte des inkriminierten Tatgeschehens betreffen, mit Stillschweigen übergangen bzw. unrichtig wiedergegeben. Unbegründet ist ferner der Vorwurf, das Erstgericht habe die Verantwortung der Angeklagten aktenwidrig wiedergegeben. Denn der Angeklagte Ernst A verantwortete sich dahin, daß er sich seine durch Versetzen einer Ohrfeige erfolgte Mißhandlung seitens C 'nicht gefallen' lassen und diesen deshalb gleichfalls ins Gesicht geschlagen habe, worauf es - in der nunmehr folgenden zweiten Phase der Auseinandersetzung in der Nähe des Wohnhauses der Familie A in der Traunaustraße - zu neuerlichen (gegenseitigen) Tätlichkeiten gekommen sei (vgl. S. 125 f, 140 d.A.).

Auch der Angeklagte Friedrich A sprach im gegebenen Zusammenhang von einer 'Rauferei' und 'Schlägerei' zwischen seinem Bruder und C, in die er sich tätlich eingemengt habe (vgl. S. 126 d.A.). Somit findet die Annahme des Erstgerichtes, es habe eine Schlägerei, das ist eine Auseinandersetzung von mindestens drei Personen mit wechselseitigen Angriffs- und Abwehrhandlungen, zwischen den beiden Angeklagten und Rudolf C stattgefunden, wobei für die beiden Angeklagten keine Notwehrsituation bestanden habe, in den eigenen - in den Urteilsgründen zum Teil wörtlich und zum Teil dem Sinne nach aktengetreu wiedergegebenen - Angaben der beiden Angeklagten volle Deckung. Dieser Annahme steht - den Beschwerdeausführungen zuwider - nicht entgegen, daß Rudolf C seine Tätlichkeiten möglicherweise durch Drohungen unterstrichen hat.

Daß im Urteil jene Verfahrensergebnisse, nach welchen C im Zuge der Auseinandersetzung die Angeklagten und deren Angehörige wörtlich bedroht haben soll, unerörtert blieben, stellt daher keinen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffenden Begründungsmangel dar.

Weder eine Undeutlichkeit noch einen Feststellungsmangel begründet es schließlich, wenn das Erstgericht, gestützt auf das Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. D, den Jochbeinbruch des Rudolf C mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen gegen sein Gesicht geführten Faustschlag eines der (nicht im einverständlichen Zusammenwirken agierenden) Angeklagten zurückführte, jedoch nicht ausschloß, daß diese Verletzung durch einen im Zuge des Raufhandels erfolgten Sturz des Genannten auf die Gehsteigkante verursacht wurde. Denn beim Tatbestand des § 91 Abs. 1 StGB. ist jedem Teilnehmer ein (vor, während oder nach seiner tätlichen Teilnahme entstandener) schwerer Verletzungserfolg (schon) dann zuzurechnen, wenn die Schlägerei (als solche) diesen verursacht hat, unabhängig davon, ob er selbst als Urheber der schweren Verletzung in Betracht kommt (ÖJZ-LSK. 1975/

120 = EvBl. 1976/45). Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Schlägerei und dem Erfolgseintritt ist es daher, wie das Erstgericht richtig erkannte, gleichgültig, ob die schwere Verletzung aus einer unmittelbaren körperlichen Einwirkung eines Teilnehmers oder (wie die Beschwerdeführer vermeinen) aus einem im Zuge der Schlägerei erfolgten Sturz des Verletzten entstanden ist.

In Ausführung der Rechtsrüge berufen sich die Beschwerdeführer, der Sache nach gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO., auf den Strafausschließungsgrund des § 91 Abs. 2 StGB. mit der Behauptung, sie hätten in Ausübung gerechter Notwehr gehandelt.

Auch damit sind sie nicht im Recht.

Notwehr setzt (auch unter dem Gesichtspunkt einer Straffreiheit nach § 91 Abs. 2 StGB.) voraus, daß der Täter einen gegenwärtigen, das heißt noch nicht abgeschlossenen, oder einen unmittelbar bevorstehenden Angriff von sich oder einem anderen abwehrt. Vorliegend stellte das Schöffengericht (mängelfrei) fest, daß der Angeklagte Ernst A erst nach einem bereits abgeschlossenen Angriff des Rudolf C auf ihn (erstmals) gegen den Genannten tätlich wurde und ihm einige Faustschläge ins Gesicht versetzte, weil er sich die erfolgte Mißhandlung durch C nicht gefallen lassen wollte. Ausgehend von diesen Urteilskonstatierungen diente mithin seine Tätlichkeit gegen C weder der Abwehr eines noch im Zuge befindlichen Angriffs noch der Hintanhaltung etwaiger weiterer unmittelbar bevorstehender Angriffe; sie war vielmehr der Beginn eines Raufhandels zwischen ihm und C, in den sich später auf Seiten des Angeklagten Ernst A der Angeklagte Friedrich A tätlich einmengte. Eine (tatsächliche oder vermeintliche) Notwehrsituation lag somit nicht vor. Im Zuge des Raufhandels wäre aber eine Berufung auf Notwehr nur dann in Frage gekommen, wenn die Auseinandersetzung einseitig unangemessen eskaliert wäre, etwa durch inadäquaten Waffengebrauch des Gegners oder bei einer bereits eingetretenen Wehrlosigkeit des Täters bzw. einer Beendigung der Tätlichkeiten seinerseits aus anderen Gründen (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/37, 1978/179 u.a.), wofür die Urteilskonstatierungen - auch insoweit im Einklang mit den Verfahrensergebnissen - keinen Anhaltspunkt bieten.

So gesehen hat das Erstgericht daher auf Grund der getroffenen Tatsachenfeststellungen - von welchen bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen ist - ein Handeln beider Angeklagter (oder auch nur eines von ihnen) in (tatsächlicher oder vermeintlicher) Notwehr, das ihre Teilnahme an der Schlägerei nicht vorwerfbar erscheinen ließe und ihre Strafbarkeit gemäß § 91 Abs. 2 StGB. ausschlöße, rechtlich zutreffend verneint. Soweit der Verteidiger im Gerichtstag zur Stützung seiner Rechtsrüge auf die in JBl. 1973, 273 (= SSt. 43/50) veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. November 1972 verwies, so übersieht er zunächst den vorliegend andersgelagerten Sachverhalt; im übrigen läßt er außer acht, daß nach den in dieser Entscheidung ausgesprochenen Grundsätzen - auf die hier nicht näher einzugehen ist - eine private Konfrontation mit einem Widersacher überhaupt tunlichst zu vermeiden, mithin einem drohenden Angriff nach Möglichkeit und Zumutbarkeit auszuweichen ist. Bei der vorliegend gegebenen Sachlage ist somit aus der zitierten Entscheidung für die beiden Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil für sie die Konfrontation mit C keineswegs unvermeidbar gewesen ist. Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die beiden Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 91 Abs. 1 StGB., den Angeklagten Friedrich A unter Anwendung des § 11 JGG., zu Geldstrafen, und zwar Ernst A zu 80 Tagessätzen zu je 110 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und Friedrich A zu 60 Tagessätzen zu je 40 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend bei Ernst A keinen Umstand, bei Friedrich A eine einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen bei Ernst A und bei Friedrich A die einem Geständnis gleichkommende Verantwortung, die Provokation durch Rudolf C und die Erregung zur Tatzeit, die insbesondere auch durch die Verletzungen, die C den Eltern der beiden Angeklagten zugefügt hatte, begründet ist, sowie bei Ernst A überdies das Alter unter 21 Jahren. Mit ihren Berufungen wenden sich beide Angeklagten der Sache nach nur gegen die Anzahl der Tagessätze, wobei sie die Herabsetzung derselben auf eine 'höchstens symbolische Strafe' begehren. Den Berufungen kommt Berechtigung zu.

Unter Abwägung der vom Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des § 32 StGB. für die Strafbemessung erachtete der Oberste Gerichtshof die verhängten Geldstrafen, was die Anzahl der verhängten Tagessätze betrifft, als etwas überhöht. Die Zahl der Tagessätze war daher hinsichtlich beider Angeklagter auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen, wobei gleichzeitig die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der Vorschrift des § 19 Abs. 3 StGB. entsprechend zu reduzieren war. Auf das erstmals im Gerichtstag vorgebrachte Begehren, die Geldstrafen bedingt nachzusehen, war als verspätet nicht einzugehen. Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00159.79.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19800117_OGH0002_0120OS00159_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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