TE OGH 1980/1/22 10Os172/79

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Veröffentlicht am 22.01.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Durmus Ali A wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2

StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Oktober 1979, GZ. 28 Vr 2237/78-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, nach Verlesung der Rechtsmittelschriften des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft und der Gegenausführungen des Angeklagten zu deren Nichtigkeitsbeschwerden, ferner nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Höhe des Tagessatzes auf 80,- S herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31. Oktober 1950 geborene türkische Staatsangehörige Durmus Ali A des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 StGB. schuldig erkannt, weil er zwischen Dezember 1976 und Mai 1977 vorsätzlich mindestens 11.000 S Bargeld, das die abgesondert Verurteilte Anna Helene B jeweils durch Diebstahl erlangt hatte, an sich brachte.

Gegen diesen Schuldspruch haben sowohl der Angeklagte Durmus Ali A als auch die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Der Angeklagte macht in deren Ausführung die Nichtigkeitsgründe der Z. 2, 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

geltend.

Rechtliche Beurteilung

Den erstangeführten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer (offenbar) in der Verlesung der Polizeiprotokolle betreffend seine Vernehmungen und die 'freiwillig zur Schadensgutmachung' vorgenommene Ausfolgung seines Sparbuches, die jeweils ohne Beiziehung eines Dolmetschers aufgenommen worden waren. Ein nichtiger Vorerhebungsakt im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 2 StPO. ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn das Gesetz einen bestimmten Vorgang ausdrücklich für nichtig erklärt (EvBl 1962/154), wobei von den Sicherheitsbehörden im Zuge von Erhebungen verfaßte Protokolle als nichtige Vorerhebungsakte im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 2

StPO. überhaupt nicht in Betracht kommen (RZ 1959, 103 u. a.).

Außerdem setzt der angerufene Nichtigkeitsgrund voraus, daß der Beschwerdeführer sich gegen die Verlesung der betreffenden Schriftstücke in der Hauptverhandlung verwahrt hat, was inhaltlich der Verhandlungsschrift nicht der Fall war. Schließlich gab der seit dem Jahr 1972 in Österreich lebende Angeklagte vor der Polizei an, der Vernehmung folgen zu können und alles zu verstehen, was er gefragt werde (S 59). Auch verantwortete er sich im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht damit, von der Polizei unter Wegnahme seines Reisepasses und Androhung seiner Verhaftung zur Übergabe des Sparbuches genötigt worden zu sein, aus welcher - wie die Beschwerde zum Ausdruck bringt - das Erstgericht für ihn nachteilige Schlüsse ableite. Zur Geltendmachung des vom Angeklagten im Unterbleiben der Verlesung des in Rede stehenden Sparbuches ersehenen Verfahrensmangels im Sinne der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. fehlt es schon am prozessualen Erfordernis eines vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung (konform) gestellten Beweisantrages.

Ebensowenig vermag der Beschwerdeführer Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. aufzuzeigen.

Es war dem erkennenden Gericht nicht verwehrt, den Angaben der Zeugin B zum einen Teil Glauben zu schenken und zum anderen Teil den Glauben zu versagen (EvBl 1957/250). Der ihm unter diesen Umständen obliegenden Begründungspflicht ist das Erstgericht aber nachgekommen.

Die Angaben der Zeugin Anna Helene B legte es der Sachverhaltsfeststellung nur insoweit zugrunde, als der Wahrheitsgehalt an Hand anderer Beweismittel abgesteckt werden konnte (Seiten 162-164).

Von der Zeugin wiederholt Geld erhalten zu haben, gibt der Angeklagte selbst zu (Seiten 59, 77 und 145).

Die Gesamtsumme von mindestens 11.000 S folgert das Erstgericht - der in den Entscheidungsgründen festgehaltenen leugnenden Verantwortung des Angeklagten zuwider - aber schlüssig aus dem Umstand, daß der Angeklagte der Polizei ein Sparbuch mit einem Einlagenstand in dieser Höhe zur Schadensgutmachung zur Verfügung gestellt hat (vgl hiezu auch den Inhalt der mit Durmus Ali A aufgenommenen Niederschrift vom 16. Mai 1977, Seite 145 der in der Hauptverhandlung dargetanen Akten 29 Vr 1929/77 des Landesgerichtes Innsbruck, und des in der Hauptverhandlung verlesenen Berichtes der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 3. April 1979, ON 24 dA, sowie den aus S 53 ersichtlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der vom Angeklagten auf das betreffende Sparkonto getätigten Einlage von /ursprünglich 16.000 S und restlich/ 11.000 S und die von Anna Helene B auch in den Tagen unmittelbar vorher verübten Gelddiebstähle).

Die Verantwortung des Angeklagten, er sei der - irrigen - Meinung gewesen, daß Anna Helene B einer Arbeit nachging, wurde vom Erstgericht ohnehin als unwiderlegbar angesehen (S 164). Demnach gelangte es denkrichtig und im Einklang mit der Lebenserfahrung unter Hinweis auf die Bereitschaft des Angeklagten zur Schadensgutmachung und den Umstand, daß diesem, nachdem er Anna Helene B seinerzeit unterkunftslos auf der Straße aufgelesen hatte, die durch die Genannte in das gemeinsame Hotelzimmer gebrachte Vielzahl von Sachen, wie leere Geldtaschen, zwei Kofferradiogeräte, eine Schreibmaschine und ein elegantes langes Kleid, und zwar ohne dafür eine ihren Lebensumständen entsprechende Erklärung geben zu können (Seiten 161 und 164-165 dA), nicht verborgen geblieben sein konnte, zur Überzeugung der Angeklagte habe ernstlich mit der Möglichkeit der diebischen Herkunft des fraglichen Geldes gerechnet und sich damit abgefunden.

Der Frage, ob die Ausfolgung des Sparbuches dem Angeklagten als Schadensgutmachung zuzurechnen ist, kommt nur für die Strafbemessung Bedeutung zu. Aus dem bloßen Unterbleiben der Annahme eines bezüglichen Milderungsgrundes trotz der vom Erstgericht getroffenen Feststellung über die zur Schadensgutmachung erfolgte Übergabe des Sparbuches ist ein - Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. bewirkender - innerer Widerspruch des Urteils in bezug auf eine entscheidungswesentliche Tatsache nicht ableitbar.

Als rechtsirrig (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.) bezeichnet der Beschwerdeführer den Schuldspruch wegen Vergehens der (vorsätzlichen) Hehlerei mit der Argumentation 'aus den Feststellungen des Erstgerichtes und dem Akteninhalt ergebe sich nicht zweifelsfrei, daß der Angeklagte tatsächlich mit dolus eventualis gehandelt habe; man könnte genau so gut von Fahrlässigkeit sprechen.' Letztlich will er allerdings selbst eine derartige Fahrlässigkeit wegen eines Irrtums über die Einkommensverhältnisse der B verneint wissen (sachlich § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.).

Mit diesem Vorbringen, das der Sache nach keinen rechtlichen Fehler des Urteils behauptet, sondern gegen die Annahme eines vorsätzlichen Vorgehens des Angeklagten in tatsachenmäßiger Beziehung polemisiert, wodurch das Erstgericht einen dem Angeklagten insoweit unterlaufenen Irrtum ausgeschlossen hat, wird weder der angerufene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund noch jener des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Es läuft - gleich den früher behandelten Einwendungen - letztlich im Ergebnis im wesentlichen doch (wiederum) nur auf eine unzulässige Anfechtung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung hinaus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Durmus Ali A war daher zu verwerfen.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich in ihrer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich dagegen, daß dem Angeklagten nicht gewerbsmäßige Hehlerei im Sinne des § 164 Abs. 3

StGB. angelastet wird; dies jedoch zu Unrecht.

Gewerbsmäßig verübt eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB.). Der Täter muß darauf abzielen, durch die wiederholte Begehung von Straftaten desselben Deliktstyps ein fortlaufendes - ständiges oder doch für längere Zeit wirkendes - Einkommen zu erlangen. Wiederholungsabsicht allein reicht zur Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht aus: Entscheidend ist vielmehr, daß die Gewinnung einer derartigen Einnahme, wenn schon nicht die einzige, so doch eine Zielsetzung der begangenen und der für die Zukunft ins Auge gefaßten Straftaten ist.

Insoweit sich die Staatsanwaltschaft (welche dem Durmus Ali A nicht einmal selbst in der Anklageschrift gewerbsmäßige Hehlerei vorwarf) unter dem Gesichtspunkt eines Feststellungsmangels (sachlich § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO) - und nicht des von ihr ins Treffen geführten Begründungsmangels nach der Z. 5 dieser Gesetzesstelle - darüber beschwert, daß das Erstgericht nicht auf Grund der Verfahrensergebnisse, insbesonders der Aussage der Zeugin Anna Helene B Konstatierungen in obbezeichneter Richtung vorgenommen hat, führt sie nicht aus, welche Beweisergebnisse, namentlich welche Angaben der Zeugin B, konkret hiefür eine Basis abgeben sollen. Die Rüge kann daher schon mangels Substantiierung i.S. der §§ 285 Abs. 1, 285 a Z. 2 StPO. keine Berücksichtigung finden. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde aber anschließend - faktisch im Widerspruch zum vorher wiedergegebenen Einwand - der Meinung Ausdruck verleiht, daß bei Anwendung der einleitend dargestellten Rechtsgrundsätze des § 70 StGB. das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit der Hehlerei rechtsirrig nicht bejaht wurde, gelangt ein materieller Nichtigkeitsgrund ebensowenig zur gesetzmäßigen Darstellung, zumal sich die Beschwerdeführerin solcherart darüber hinwegsetzt, daß das Urteil keine Sachverhaltsfeststellungen über eine entsprechende Tendenz enthält.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher ebenfalls zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 37, 164 Abs. 2 StGB. zu 150 Tagessätzen zu je 100 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen;

diese Strafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend;

als mildernd nahm es hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und das (weitere) Wohlverhalten des Angeklagten seit der - 'geraume Zeit' zurückliegenden - Tat an.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte lediglich die Herabsetzung der Höhe des Tagessatzes ('auf 20 S') an.

Der Berufung kommt (in gewissem Maße) Berechtigung zu. Ihr Vorbringen, in dem vom Erstgericht festgestellten monatlichen Nettoeinkommen von 6.000 S bis 7.000 S sei die Familienbeihilfe (für drei Kinder) enthalten, findet zwar im Akteninhalt keine wie immer geartete Stütze.

Dennoch erachtet der Oberste Gerichtshof, ausgehend von einer - unter Berücksichtigung von 14 Bezügen im Jahr -

aktuellen Bemessungsgrundlage von ca. 7.500 S, in dem vom Schöffengericht errechneten Abschöpfungsbetrag die Sorgepflichten des Angeklagten (für die Ehefrau und drei Kinder) nicht hinreichend berücksichtigt, sodaß eine angemessene Herabsetzung der Höhe des Tagessatzes auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß am Platz war.

Anmerkung

E02434

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00172.79.0122.000

Dokumentnummer

JJT_19800122_OGH0002_0100OS00172_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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