TE OGH 1980/3/27 13Os28/80

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Veröffentlicht am 27.03.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB. über die von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 21.November 1979, GZ. 3 a Vr 957/79-28, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schrammel und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Herbert A ist schuldig, am 5. und am 14.Dezember 1978 in Schwechat ein ihm anvertrautes Gut in einem Wert von mehr als 100.000 S, nämlich ihm als Verkäufer der Firma B Gesellschaft m.b.H. von Johanna C und Ing. Josef D übergebene Geldbeträge von zusammen

105.500 S, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Geld für sich verwendete. Er hat hiedurch das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB. begangen und wird hiefür nach dem höheren Strafsatz des § 133 Abs. 2

StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten sowie gemäß § 389 StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 369 StPO. hat der Angeklagte der Firma B Gesellschaft m. b.H., Hainburger Bundesstraße 5, Schwechat, den Betrag von 68.361 S zu ersetzen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die vorstehende Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.November 1952 geborene Angestellte Herbert A abweichend von der auf das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB. lautenden Anklage des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB. schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, am 5.Dezember und am 14.Dezember 1978 in Schwechat ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 S, nicht jedoch 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich ihm als Verkäufer der Firma B Ges.m.b.H.

von den Kunden Johanna C und Ing. Josef D als Kaufpreis für Gebrauchtwagen übergebene Geldbeträge (43.500 S und 62.000 S) in der restlichen Höhe von 68.361 S dadurch, daß er sie nicht an seine Firma abführte, sondern teilweise auf sein Konto bei der Raiffeisenkasse Klosterneuburg einzahlte bzw. zur Abdeckung von Schulden verwendete, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Laut Urteilsfeststellungen kassierte Herbert A von den genannten Kunden insgesamt 105.500 S, zahlte jedoch das Geld - statt es an die Firma B abzuliefern -

auf sein eigenes Konto ein bzw. verwendete es anderweitig für sich. Deswegen zur Rede gestellt, gab er dies zu, stellte einen Scheck über 25.000 S aus, der auf seinem Konto Deckung fand, und verpflichtete sich, binnen weniger Stunden den ganzen Schaden gutzumachen, welches Versprechen er jedoch nicht einhielt. Seine Verantwortung ging dahin, er wäre in der Lage gewesen, die versprochene Rückzahlung zu leisten, doch sei er durch die Anzeigeerstattung daran gehindert worden. Die vermeintlich relevante Schadenssumme wurde vom Erstgericht durch Abzug der vom Angeklagten zurückbezahlten 25.000 S sowie von aus den in Rede stehenden Geschäften resultierenden Provisionsforderungen von zusammen 2.305 S und einer Gehaltsforderung des Angeklagten in Höhe von 9.834 S, welche nach Meinung des Gerichts einen präsenten Deckungsfonds bildeten, von den insgesamt vereinnahmten 105.500 S mit 68.361 S errechnet.

Gegen diesen Schuldspruch richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Herbert A und der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte Herbert A macht in seiner Beschwerde die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. b - der Sache nach 9 lit. a - des § 281 Abs. 1 StPO. geltend und wendet sich gegen die Urteilsannahme, er habe sich das Geld zugeeignet, um es für sich zu verwenden, und sohin mit Bereicherungsvorsatz gehandelt. In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung hin, er sei willens gewesen, den (gesamten) Betrag mittels eines Kredits zurückzuzahlen, habe bereits alles in die Wege geleitet und hätte den Kredit auch erhalten, würde nicht ein Anruf des Geschäftsführers der Firma B bei der Bank die Zuzählung des Darlehens verhindert haben.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Beschwerdevorbringen wird weder der vom Angeklagten geltend gemachte Begründungsmangel noch ein Rechtsirrtum aufgezeigt. Daß die Verantwortung des Angeklagten darauf hinausläuft, nur durch die Anzeigeerstattung an der versprochenen Rückzahlung gehindert worden zu sein, wurde vom Erstgericht ohnehin festgestellt (S. 131). Mit der Behauptung des Angeklagten, daß diese Rückzahlung mit Hilfe eines von ihm bereits in die Wege geleiteten Bankkredits hätte geleistet werden sollen, brauchte sich das Erstgericht im besonderen nicht auseinanderzusetzen, weil einem derartigen Vorhaben des Angeklagten entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zukäme. Der Bereicherungsvorsatz muß nämlich im Zeitpunkt der Zueignung gegeben sein. Daß durch die Tat eine dauernde Vermehrung des faktischen Vermögens des Täters (oder eines Dritten) bewirkt werden soll, ist nicht erforderlich; die Veruntreuung ist schon mit der widerrechtlichen Begründung der wirtschaftlichen Macht über das anvertraute Gut in Bereicherungstendenz vollendet (LSK. 1978/313). Wirtschaftliche Macht über die in Rede stehenden Inkassobeträge hatte der Angeklagte aber bereits mit der Einzahlung auf sein eigenes Konto bzw. mit der von ihm vorgenommenen anderweitigen Verwendung des Geldes erlangt und auch ausgeübt.

Was jedoch die vom Beschwerdeführer der Sache nach aufgeworfene Frage eines 'präsenten Deckungsfonds' auch in Ansehung der vom Schuldspruch erfaßten 68.361 S anlangt, so kann von einem solchen Deckungsfonds nur dann gesprochen werden, wenn das anvertraute Gut durch eine dem Täter jederzeit verfügbare gleichwertige Sache ausgetauscht werden kann und sohin eine sofortige oder doch unverzügliche Schadensdeckung gewährleistet ist (SSt. 46/14 = JBl. 1976, 47; LSK. 1977/208). Die bloße Hoffnung auf künftige Geldeingänge, wie die Erwartung der Erlangung eines Kredits, stellt, mag sie auch begründet sein, keinen präsenten Deckungsfonds dar (LSK. 1979/110 und 261; siehe auch Rittler2 II, Fußnote 46 auf S. 168).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herbert A war daher zu verwerfen.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer auf die Ziffern 5 und 9 lit. a - der Sache nach Z. 10 - des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch insoweit, als Herbert A nicht im Sinne der wider ihn erhobenen Anklage des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB.

in Ansehung des gesamten Betrags von 105.500 S, sondern nur in Ansehung eines Teilbetrags von 68.361 S wegen Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, erstem Fall, StGB. schuldig erkannt wurde.

Der Beschwerde der Anklagebehörde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Die Zueignung anvertrauter Sachen ist immer eine Vertragsverletzung, denn ein schriftliches, mündliches oder konkludentes (§ 863 abGB.) Vertragsverhältnis liegt stets zugrunde; die Verletzung (Nichteinhaltung) eines Vertrags ist ihrerseits ein rechtswidriges Verhalten, darum ist und bleibt die Zueignung anvertrauten Guts jedenfalls Unrecht und kann niemals rechtmäßig sein. Wer sich ein ihm anvertrautes Gut zueignet, erfüllt demnach unter allen Umständen den Tatbestand des § 133 StGB.

Hingegen schließt ein präsenter Deckungsfonds das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, also ein Schuldelement, und aus diesem Grund die Strafbarkeit aus (zu all dem EvBl. 1970 Nr. 121 und JBl. 1976 S. 47). Von einem solchen Fonds kann aber nur dann gesprochen werden, wenn aus ihm jederzeit die Befriedigung des gesamten Rückforderungsanspruchs möglich wäre. Eine nur teilweise Abdeckung des Rückforderungsanspruchs reicht zur Annahme eines 'präsenten' Deckungsfonds nicht aus. Im vorliegenden Fall hätten die vom Erstgericht 'im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten' als präsenter Deckungsfonds angesehenen Beträge von insgesamt 37.139 S nicht einmal zur Deckung einer der beiden vom Angeklagten veruntreuten Summen genügt, sodaß es dahingestellt bleiben kann, ob es sich etwa auch bei den vom Angeklagten von seinem Konto zurückbezahlten 25.000 S um einen überhaupt erst durch die Veruntreuungen erlangten Betrag gehandelt hat.

Zudem vermag die bloße Möglichkeit für den Täter, aus einem 'parat liegenden' (vgl. S. 132) Vermögen etwa im Falle des Aufkommens der Zueignungshandlungen Ersatz leisten zu können, an der strafrechtlichen Beurteilung der Tat und somit an deren Zurechnung nichts zu ändern.

Selbst einem vorhandenen ausreichenden Deckungsfonds käme nämlich nur dann Bedeutung zu, wenn der Täter schon im Zeitpunkt der Tat auch zu sofortiger oder doch unverzüglicher Erstattung gewillt war (LSK. 1977/208; SSt. 46/14 =

JBl. 1976, 47). Verheimlicht der Täter jedoch dem Berechtigten den Eingang ihm anvertrauter Gelder, so manifestiert er damit auch, daß er keineswegs willens ist, die für sich verwendeten Beträge unverzüglich zu ersetzen.

Der Angeklagte eignete sich inhaltlich der Urteilsfeststellungen am 5. Dezember 1978 die ersten 43.500 S zu, ohne sein Unternehmen von deren Eingang zu verständigen, und am 14.Dezember 1978, ohne den ersten Betrag erstattet zu haben, einen weiteren Betrag von 62.000 S, wovon die verantwortlichen Angestellten des Unternehmens nur durch Zufall erfuhren und erst im Zuge der hierauf eingeleiteten Nachforschungen auch von der vorangegangenen Veruntreuung der 43.500 S Kenntnis erlangten (Seiten 130-131).

Daß der Angeklagte schon im Zeitpunkt der Zueignungshandlungen zu unverzüglicher Erstattung der gesamten oder auch nur eines Teils der in Rede stehenden Kundengelder gewillt gewesen wäre, wurde vom Erstgericht nicht festgestellt. Eine derartige Annahme wäre auch weder mit der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellung vereinbar, noch durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens indiziert gewesen.

Gegenforderungen schließen den Bereicherungsvorsatz nur dann aus, wenn der Täter schon anläßlich der Zueignung der ihm anvertrauten Sache mit Aufrechnungswillen handelt, wofür als wesentliches Indiz die sofortige Verständigung des Partners von der Tatsache der Aufrechnung anzusehen wäre (LSK. 1978/187 und 314). Einen solchen Kompensationswillen in bezug auf Provisions- und Gehaltsansprüche schon im Tatzeitpunkt gehabt zu haben, wurde aber vom Angeklagten nicht einmal behauptet und er hat sein Unternehmen von einer bezüglichen Aufrechnung auch nicht verständigt.

Es kommt dem Angeklagten daher nach Maßgabe der Urteilsfeststellungen weder ein in Verbindung mit einem entsprechenden Erstattungswillen das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Zueignung ausschließender präsenter Deckungsfonds noch eine schadensverringernde Kompensationswirkung zustatten. Es läßt sich in diesem Zusammenhang auch nicht die Auffassung vertreten, daß sich der vom Angeklagten der Firma B zugefügte objektive Schaden von vornherein um die ihm aus den betreffenden Verkaufsgeschäften zustehenden Provisionsansprüche von zusammen 2.305 S verringert. Gemäß § 10 Abs. 3 AngestelltenG. war nämlich ein solcher Provisionsanspruch im Zeitpunkt der Zueignungshandlungen mangels Eingangs einer Zahlung aus den in Rede stehenden Verkaufsgeschäften noch gar nicht fällig (siehe dazu die gleich- bzw. ähnlichlautenden Bestimmungen der §§ 6 Abs. 2 HandelsvertreterG. und 396 Abs. 1 HGB.). Ist aber die Fälligkeit eines Provisionsanspruchs noch nicht gegeben, kann er zur Aufrechnung nicht herangezogen werden. Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. wie eingangs zu entscheiden.

Bei der sohin nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB. vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wurden als erschwerend: die Wiederholung der strafbaren Handlung und die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen gewertet, hingegen wurden das Teilgeständnis und die teilweise Schadensgutmachung als mildernd berücksichtigt.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Bestimmungen für die Strafbemessung (§ 32 StGB.) erachtete der Oberste Gerichtshof die verhängte Freiheitsstrafe als gerecht. Obwohl nunmehr ein strengerer Strafsatz herangezogen wurde, war die Ausmessung einer höheren als der vom Erstgericht ausgesprochenen Strafe nicht erforderlich, weil sich am Schuldgehalt der (rechtlich anders beurteilten) Tat - Veruntreuung von 105.500 S bei einer Schadensgutmachung von insgesamt 37.139 S - nichts Wesentliches änderte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch angeführte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00028.8.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19800327_OGH0002_0130OS00028_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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